Der Stein des Anstoßes: eine etwa vier mal vier Zentimeter große beschriftete Scherbe.
Foto: Amir Cohen / Reuters

Auch in der Wissenschaft kämpft man gegen Fälschungen an: Zahlreiche Studien, deren Daten sich als fingiert herausgestellt haben, werden jährlich zurückgezogen. In der Medizin hat das potenziell gefährlichere Folgen als etwa in der Archäologie. Nichtsdestotrotz will man auch hier selbstverständlich Fehlinformationen und Betrug vermeiden. Denn manche Expertinnen und Experten schrecken nicht einmal davor zurück, selbst irreführendes Material an Fundstätten zu deponieren.

Ein besonders kurioser Fall ist nun in Israel aufgedeckt worden – und das glücklicherweise recht kurz nach der Veröffentlichung. Erst am 1. März verkündete die israelische Altertumsbehörde den Fund eines 2.500 Jahre alten Steins. Er wurde im Dezember 2022 im Süden des Landes entdeckt, an der archäologischen Fundstätte Tel Lachish. Ein für Israel einzigartiges Artefakt, wie die Behörde mitteilte: Mit der aramäischen Inschrift wird der persische König Dareios der Große erwähnt.

Biblische Bedeutung

Dareios I. zählt zu den wichtigsten Großkönigen des altpersischen Reichs, unter anderem gründete er die einstige Residenzstadt Persepolis im Süden des heutigen Iran. Der Herrscher regierte ab 522 vor Christus. Auf der in Israel gefundenen Keramikscherbe stehen drei Wörter, die sich mit "Jahr 24 des Darius" übersetzen lassen. So wurde das vermeintlich antike Artefakt auf das Jahr 498 v. Chr. datiert.

Aufmerksamkeit erregte der Fund auch, weil Dareios – oder Darius – in der Bibel erwähnt wird. Er kommt im Buch Ester vor, das in der jüdischen Religion eine besondere Bedeutung hat, da es die Gefahren jüdischer Gemeinschaften in der Antike beschreibt. Das Purimfest wird gefeiert, um die Königin Ester zu ehren, die einen Genozid an Jüdinnen und Juden im Reich der Perser abwenden kann. Purim wird ab dem kommenden Montag zelebriert, die Veröffentlichung des Fundes könnte strategisch gewählt sein.

Authentischer Strichcode

Entdeckt wurde die Keramikscherbe von einem Besucher der Fundstätte: Der Presseberater des Staatspräsidenten Jitzchak Herzog, Eylon Levy, stieß in den Ruinen eines Tempels auf das Objekt. Es misst etwa vier mal vier Zentimeter. Fachleute begutachteten die Scherbe und vermuteten, es könnte sich um ein zertrümmertes Pithos-Gefäß gehandelt haben: In den großen Behältnissen wurden Steuereinnahmen gelagert, etwa in Form landwirtschaftlicher Erträge.

Die Inschrift "entspricht einem heutigen Strichcode", sagte Saar Ganor von der Altertumsbehörde. Levy übergab das Fundstück an Ganor, der es wiederum an Haggai Misgav von der Hebräischen Universität von Jerusalem weiterreichte. Der Inschriftenexperte bewunderte die deutliche Schrift, die sich sofort ablesen ließ.

In der Restauration wurde die Echtheit bestätigt, wie die Tageszeitung "Haaretz" berichtete. Auf die Frage, wie sicher die Fachleute in ihrer Interpretation seien, antwortete Ganor mit: "Sehr."

Keine böse Absicht

Doch nun stellte sich das Objekt als Fälschung heraus, wie die Altertumsbehörde am Freitag zugab. Dass es gefunden und für eine antike Scherbe gehalten würde, hatte die Produzentin allerdings nicht erwartet. Die "Jerusalem Post" teilte mit, dass eine ausländische Archäologieprofessorin die Tonscherbe als Anschauungsobjekt verwendet hatte. Im vergangenen August demonstrierte sie bei einer Grabung einer Gruppe Studierender die aramäische Sprache und Schrift. Sie ritzte "Jahr 24 des Darius" in den Ton.

Allerdings nahm sie die Scherbe nicht mit, sondern ließ sie vor Ort liegen. Durchaus fahrlässig an einer archäologischen Fundstätte. Nachdem der Fund am Mittwoch publik gemacht wurde, meldete sie sich bei der Altertumsbehörde. Sie betonte, dass sie die Keramik ohne böswillige Absicht zurückgelassen habe.

Dieses angebliche Artefakt muss man nicht mit Samt- oder Plastikhandschuhen anfassen.
Foto: Amir Cohen / Reuters

"Die Altertumsbehörde übernimmt die Verantwortung für den Vorfall", teilte der leitende Wissenschafter der Behörde, Gideon Avni, am Freitag mit. Es sei leichtsinnig gewesen, das gravierte Stück an der Fundstätte zu hinterlassen, "was zu einer Irreführung der Forscher und einer Störung der wissenschaftlichen Wahrheit führte".

Zulassung ausländischer Delegationen

Die Schlussfolgerung der Behörde aus der Geschichte: Man will die Verfahren, die ausländischen Delegationen Ausgrabungen in Israel ermöglichen, überprüfen. Avni erwähnte zudem, dass man "Vorfälle dieser Art in der archäologischen Forschung an einer Hand abzählen" könne. Aus ethisch-wissenschaftlicher Sicht sei die Sache jedenfalls sehr ernst.

Eine lakonische Reaktion auf die Angelegenheit demonstrierte der Finder der Scherbe, Presseberater Levy, auf Twitter. Nachdem er sich darüber gefreut hatte, dass in vielen Medien über den Fund berichtet wurde, twitterte er am Freitag mit einem Link zum Bericht der "Jerusalem Post" nur: "Ups." (Julia Sica, 4.3.2023)