Die Medaillen sind vergeben, die Weltmeisterschaften der Nordischen in Planica beendet. Die schlechte Nachricht vorweg: Österreich stellt keinen neuen Weltmeister, keine neue Weltmeisterin. Auch bei den Alpinen blieb dem Österreichischen Skiverband (ÖSV) in Courchevel und Méribel eine Goldmedaille verwehrt.

Müssen wir den nationalen Notstand ausrufen? Hat Österreich seinen identitätsstiftenden Status als Wintersportnation verloren? Brauchen wir zur Beruhigung eine doppelte Williams-Birne? Spoiler: Ganz so schlimm ist es nicht. Aber der Reihe nach ...

Zweimal Silber für Skispringerin Eva Pinkelnig.
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Nordische Ski-WM: Luft nach oben

Highlight: Skispringerin Eva Pinkelnig reiste nach Platz sechs auf der Großschanze fluchtartig ab, nahm aber trotzdem zwei Silbermedaillen von der Normalschanze und aus dem Teambewerb mit. Kombinierer Johannes Lamparter hat gleich drei Bronzemedaillen um den Hals baumeln. Alle Achtung.

Vergleich: Es lief schon mal deutlich besser. Erinnern wir uns an die WM 2011 in Oslo. Sieben Goldmedaillen für Österreich! Gregor Schlierenzauer, Thomas Morgenstern, Daniela Iraschko, Felix Gottwald – eine Goldene Generation zwischen Schanze und Loipe. Auch bei der WM 2021 in Oberstdorf reichte es immerhin zu vier Weltmeistertiteln.

Fazit: Sieben Medaillen für den ÖSV sind auch ohne Gold kein Debakel. Die Performance der Skispringer entspricht aber freilich nicht österreichischen Ansprüchen. Die etwas flügellahmen Adler verhinderten eine Nullnummer erst im letzten Moment mit Bronze im Teambewerb. Es gibt Luft nach oben.

Marco Schwarz präsentiert seine Ausbeute.
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Alpine Ski-WM: Eine Enttäuschung

Highlight: Marco Schwarz war der Allrounder von Courchevel. Silber in der Kombination, Bronze im Riesentorlauf, Vierter in der Abfahrt und jeweils Rang sechs in Super-G und Slalom. Das macht Lust auf mehr. Der 27-jährige Kärntner hat Ambitionen Richtung Gesamtweltcup. Nicht unbegründet.

Vergleich: Ernüchternd. Vor zwei Jahren in Cortina waren es noch fünf Goldmedaillen. Aber es ist nicht nur der fehlende Weltmeistertitel. Weniger als sieben Medaillen gab es zuletzt 2009 in Val-d’Isère. Die erfolgreichsten Titelkämpfe fanden 1962 in Chamonix statt, 15-mal stand Österreich auf dem Podest. Die Stars hießen Karl Schranz und Marianne Jahn.

Fazit: Nicht gut. Österreich hat den Anspruch, die beste Skination der Welt zu sein. Ohne Wenn und Aber. Brasilien reist auch nicht zur Fußball-WM, um das Viertelfinale zu erreichen. Nur der Titel zählt. So soll es auch bleiben. Also: Lehren ziehen und es 2025 in Saalbach besser machen.

Big-Air-Weltmeisterin Anna Gasser.
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Freestyle-Skiing und Snowboard-WM: Epische Erfolge

Highlight: Auf die Sportlerin des Jahres ist Verlass. Anna Gasser ist zweifache Olympiasiegerin und jetzt auch doppelte Weltmeisterin. Kaum jemand in Österreich weiß, was ein Cab Double Cork 1260 ist. Egal, Gasser landet ihn wie keine Zweite und bleibt in ihrem Sport das Maß der Dinge.

Vergleich: Österreich hat gleich neun Snowboard-Medaillen geholt – mehr waren es noch nie. Dazu gesellen sich vier Medaillen der Ski-Freestyler. Die Titelkämpfe von Bakuriani gehen als Erfolgsstory in die österreichische Sportgeschichte ein. Land der Boarder, Land der Crosser.

Fazit: Platz eins im Medaillenspiegel, mehr geht nicht. Anna Gasser, Jakob Dusek und Andreas Prommegger checken in Georgien mit Gold aus. Mit 13 Podestplätzen hat Österreich auch mehr Medaillen als jede andere Nation gesammelt. Und hier haben immerhin 14 Verbände (Australien, China!) angeschrieben.

Lisa Theresa Hauser und David Komatz strahlen um die Wette.
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Biathlon-WM: Mindestziel erreicht

Highlight: Lisa Hauser und David Komatz gewannen in der Single-Mixed-Staffel sensationell die Silbermedaille. Die österreichische Paarung musste sich nur der norwegischen Übermacht geschlagen geben. Für Hauser war es bereits die vierte WM-Medaille, eine stolze Bilanz.

Vergleich: Vor zwei Jahren trat der ÖSV die Heimreise aus Pokljuka mit einmal Gold und zweimal Silber an. Ohne Medaille blieb Österreich zuletzt 2015 im finnischen Kontiolahti. Die Spannbreite für die heimischen Biathleten und Biathletinnen liegt zwischen null und drei Medaillen.

Fazit: Der Biathlon wird von einigen wenigen Nationen auf hohem Niveau besetzt. Jedes Großereignis, das mit einer Medaille abgeschlossen wird, ist für Österreich ein Erfolg. Eine andere Erwartungshaltung wäre vermessen. Insofern gilt auch für die WM in Oberhof: Mission erfüllt.

Avital Carroll gewann bei der Freestyle-Skiing-WM zweimal Bronze auf der Buckelpiste.
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Gesammelte Weltmeisterschaften: Vielseitige Sportnation

Fazit: Natürlich könnten es mehr Goldmedaillen sein. Bescheidenheit ist an dieser Stelle unangebracht. Drei Stück sind in Summe mager. Aber man darf das große Ganze nicht aus den Augen verlieren. 28 WM-Medaillen in 78 Bewerben sind kein Pipifax. Norwegen (56) spielt in einer eigenen Liga, es folgen Schweden (28) und Österreich. Deutschland (19), die Schweiz (17) und die USA (15) können da nicht mithalten.

Ja, es gibt Baustellen. Sparten, in denen Österreich zum Erfolg verdammt ist (Speed-Männer!), müssten besser laufen. Nun springen eben andere ein. Medaillen auf der Buckelpiste gibt es nicht geschenkt, Freestyle-Skiing ist ein hartes Pflaster. Dort zu reüssieren verdient Anerkennung. Österreich kann mehr als alpines Skifahren, Österreich ist eine breit aufgestellte Wintersportnation. (Philip Bauer, 6.3.2023)