Ablenkung von reizstarken Mediensystemen: In "Unisono" werden die Vorzüge der Schwarmintelligenz herausgestrichen.

Foto: Apollonia-Theresa Bitzan

Die Idee von einer Schwarmintelligenz für Schwachsinn zu halten, ist ein bisserl grenzwertig. Weil sich fast immer herausstellt, dass wir unsere wahren Stärken vor allem im Team ausleben können. Vorbilder dafür sind Marvels Avengers, aber auch die jüngste Documenta, in der wahre Lumbung-Gemeinschaftlichkeit gelehrt wurde.

Jetzt zieht das Wuk nach, wo die Choreografin Martina Rösler vom vielgelobten Wiener Kollektiv Makemake aktuell den Segen des Zusammenwirkens zelebriert. In dieser Uraufführung tanzen drei Frauen und ein Mann unter dem Titel Unisono einen Zeitgeist, der uns seit Jahrzehnten weiterbringt – auch auf gefährliches Terrain. Dort wuchern seltsame Filterblasen, ganz im alten Sinn: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Feindbildproduktion hat bekanntlich Hochkonjunktur.

In Unisono wird nun die Frage gestellt, wie derartigen Fallen eines Traums vom idealen "Einklang" zu entkommen wäre. Ein Thema, dem der Tanz weit entgegenkommt, denn eine Company, in der kein Gemeinschaftsgeist aufkommen will, hat’s verdammt schwer. Daher sind Tänzerinnen wie Tänzer üblicherweise fabelhaft darauf trainiert, in der Gruppe produktiv zu werden und eine Balance zwischen Individualismus und Kollektivität zu finden.

Mag sich auch der Traum von der Schwarm- oder Schwärmchenintelligenz nicht oft genug erfüllen, mancher Teamgeist giftige Blüten treiben und die Documenta krachend gescheitert sein: Makemake hat schon die richtige Wahl getroffen, denn die Sisyphusarbeit an der Weiterentwicklung von Gemeinschaftlichkeit kann auch Glück spenden.

Keine neuen Perspektiven

Eine künstlerische Reflexion der Herausforderungen allerdings, die diese harte Aufgabe mit sich bringt, wird wohl erst dann reizvoll, wenn dabei neue Perspektiven eingebracht werden. Solche zeigen sich bei Röslers Unisono leider nicht. Vielleicht auch deshalb, weil das Stück für ein Publikum ab zwölf Jahren bestimmt ist.

Für Jugendliche scheinen klare Botschaften das beste Lernprogramm zu sein. Aber Hand aufs Herz: Diese Zielgruppe besucht Schulen und wird von Eltern meist vorbildlich angeleitet – muss sie jetzt auch noch in der Kunst gecoacht werden?

Freilich ist es gut zu erfahren, dass Gruppen aus dem Takt kommen können, und dass man sich nicht jeder Bande anschließen sollte. Doch die vier auf der Unisono-Bühne prassen mit Überdeutlichkeit, und das auf Kosten sowohl der Coolness als auch der künstlerischen Stärke. Das Quartett tanzt immerhin ganz gut, doch niederschmetternd plakative Texte und Songs dazwischen – "Wir befreien uns von der grauen Masse!" – bügeln alles flach.

Junge Leute sind zurzeit in reizstarken Mediensystemen unterwegs, leicht zu langweilen und stellen oft richtig hohe Anforderungen, wenn sie etwas mitreißen soll. Ein Gruppenunterricht ohne Witz, Drive und Überraschungen, wie Unisono ihn vorführt, wird wohl nur wenige aus ihrer alltäglichen Tiktok-, Games- und Serien-Wolke entführen. (Helmut Ploebst, 5.3.2023)