September 2016: Arkadi Rotenberg und Wladimir Putin besichtigen die Krim-Brücke – damals noch in Bau, inzwischen fertiggestellt.

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Mit dem heutigen russischen Präsidenten seit Jugendtagen befreundet zu sein und zusammen im Judo-Ring zu stehen ist eine gute Voraussetzung, um in die Riege der reichsten Russen aufzusteigen. Die Brüder Arkadi und Boris Rotenberg, geboren 1951 und 1957, sind alte Judo-Freunde Putins; sie kennen ihn seit ihrer gemeinsamen Zeit im St. Petersburg der 1990er-Jahre. Heute sind die Rotenbergs Vielfachmilliardäre. In Russland werden sie gern die "Könige der Staatsaufträge" genannt.

Das gemeinsame Unternehmen der Brüder, die SGM-Gruppe, errichtet vornehmlich Öl- und Gasleitungen für den Staatskonzern Gazprom. Im Jahr 2015 kam ein ebenso lukrativer wie umstrittener Auftrag hinzu: die Errichtung der 19 Kilometer langen Brücke vom russischen Festland auf die soeben annektierte Halbinsel Krim. Zwar hatten die Rotenbergs noch nie zuvor eine Brücke gebaut. Aber bei alten Sportsfreunden tut das nichts zur Sache.

Hochumstrittene Brücke

Weniger gut läuft es im westlichen Ausland: Arkadi Rotenberg unterliegt bereits seit 2014, dem Jahr der Krim-Annexion, Sanktionen der USA und der EU. Bruder Boris, in den USA ebenfalls seit 2014 sanktioniert, kam im Frühjahr 2022 auch auf die Liste der EU.

Nun zeigen Dokumente, die dem STANDARD vorliegen: Briefkastenfirmen auf Zypern, die sich zumindest im Dunstkreis der Rotenbergs befinden – wenn nicht gar unter deren Kontrolle –, unterhielten lange Zeit Geschäftsverbindungen mit einer österreichischen Großbank. Es handelt sich ausgerechnet um ein Institut, das wegen seiner Russland-Geschäfte ohnehin bereits stark in der Kritik steht, die Raiffeisen Bank International (RBI).

Kritik wegen lascher Geldwäscheprävention

Darüber hinaus: Österreichs Behörden, konkret die Finanzmarktaufsicht (FMA), kritisieren laut diesen Dokumenten die RBI, weil sie die Regeln hinsichtlich der Vermeidung möglicher Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht ernst genug genommen habe – unter anderem ausgerechnet betreffend diesen hochsensiblen Firmenkunden auf Zypern.

Der Hintergrund der Causa: Seit einigen Jahren läuft ein Rechtsstreit zwischen RBI und FMA. Die RBI habe es in mehreren Fällen bei der Geldwäscheprävention in sogenannten Offshore-Gebieten nicht genau genug genommen, so die FMA. Im Jahr 2018 wurde die RBI deshalb zur höchsten Geldstrafe verurteilt, die je ein Finanzinstitut in Österreich bezahlen musste, mehr als drei Millionen Euro. Später wurde das Verfahren wegen Formfehlern und teilweiser Verjährung neu aufgerollt. Heute liegt die Causa noch immer, nicht rechtskräftig, vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Ein Briefkasten für hunderte Millionen

Es geht darin auch um die (im Februar 2022 aufgelöste) Firma Hervet Investments Limited, registriert in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia. Die Kundenbeziehung zwischen dieser Hervet und der RBI lief seit dem Jahr 2002 und war Mitte 2016 jedenfalls noch aufrecht. Wie lange sie dann noch weiterging, lässt sich nicht sagen – die RBI nimmt zu einzelnen Kunden nicht Stellung.

Boris Rotenberg, der jüngere der Brüder, im Juni 2022 in St. Petersburg.
Foto: AFP / Olga Maltseva

Jedenfalls hielt die Hervet bei der RBI ein Wertpapierdepot und Verrechnungskonten für Börsengeschäfte. Es flossen enorme Summen. Die höchste Transaktion im Zeitraum zwischen Anfang 2015 und Mitte 2016 habe sich auf mehr als eine Zehntelmilliarde Euro belaufen, so die dem STANDARD vorliegenden Unterlagen vom Juli 2019. Konkret – 123.011.941,90 Euro.

Von Briefkasten zu Briefkasten

Wem gehört die Hervet? Dahinter stecken zu gleichen Teilen zwei weitere zypriotische Briefkastenfirmen fast gleichlautenden Namens: die Zoulian Limited und die Zoulian Management Limited. Diese beiden Zoulian-Firmen werden von einem zypriotischen Rechtsanwalt verwaltet und treuhändisch geführt.

Wer aber kontrolliert die Zoulian-Unternehmen tatsächlich? Eben das habe die RBI nicht eruiert, moniert die FMA. Dabei sind Banken stets verpflichtet, herauszufinden, welche natürlichen Personen hinter den Unternehmen stecken, mit denen sie Geschäfte machen.

"Nicht festgestellt, wer Inhaber ist"

Die RBI jedoch habe bei den beiden Zoulian-Unternehmen "nicht festgestellt, wer Inhaber der Anteile ist", heißt es in den Unterlagen. Sie habe "keine angemessenen Nachweise" darüber eingeholt, wer die Zoulian-Unternehmen kontrolliert.

Um wen könnte es sich handeln? Eine Spur taucht in den sogenannten Paradise Papers auf: einem gewaltigen Datenleak von mehr als 13 Millionen Unterlagen zu Briefkastenfirmen, die im Jahr 2016 aus der Anwaltskanzlei Appleby mit Sitz auf der Isle of Man herausdrangen.

Wegen der Russland-Geschäfte in der Kritik: Österreichs RBI.
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Demzufolge steht die Zoulian Limited in enger Verbindung mit einer weiteren Briefkastenfirma aus Zypern, der Damstone Limited. Konkret übernimmt die Zoulian für die Damstone die komplette Unternehmensverwaltung, von der Erledigung von Steuerfragen bis zur Beglaubigung von Dokumenten. Und wem gehört diese Damstone? Der Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigte ist laut Paradise Papers Boris Rotenberg, Arkadis jüngerer Bruder.

Londoner Luxusanwesen

Nicht nur aus den Paradise Papers lässt sich eine enge Verbindung zwischen Zoulian und den Rotenbergs herauslesen. Im Jahr 2014 berichtete die britische "Times", dass sich Boris Rotenberg ein Anwesen im noblen Londoner Stadtteil Knightsbridge gekauft habe. Offizieller Käufer: eine Briefkastenfirma auf Zypern – die wiederum der Zoulian gehört.

Zuletzt brachte die deutsche "Wirtschaftswoche" im März 2022 – in einer Recherche zu russischen Oligarchen – die Zoulian-Unternehmen mit den Rotenbergs in Verbindung: "Unterlagen aus dem zypriotischen Unternehmensregister weisen darauf hin, dass Rotenberg hinter dieser Firma stecken dürfte."

Stand – oder steht – Österreichs RBI demnach in Geschäftsverbindung mit Unternehmen der Brüder Rotenberg, die zu den mächtigsten russischen Oligarchen und engsten Putin-Vertrauten zählen? "Aus Gründen des Bankgeheimnisses dürfen wir dazu nicht Stellung nehmen", schreibt eine RBI-Sprecherin dem STANDARD. Nur so viel: "Die RBI hält sämtliche Vorwürfe der FMA aus diesem Straferkenntnis für nicht zutreffend und bekämpft dieses daher vollinhaltlich." (Joseph Gepp, 5.3.2023)