Die Serie ist üppig ausgestattet, bis in die Nebenrollen fein besetzt, die Regie hat der Wiener Stephan A. Lukacs gemeinsam mit Laura Lackmann geführt.

Foto: Susanne Schramke

Klaus Barkowsky weiß, was er will. "Feiern, vögeln und Bilder ausstellen. Wie im Studio 54." Blöd nur, dass der junge Hamburger von Andy Warhol und New York nur träumen kann, weil er es auf der Reeperbahn mit ihren Puffs und Sexbars noch nicht weit gebracht hat.

Dort sitzen die alten Platzhirsche von der sogenannten GMBH, lassen Mädchen arbeiten, scheffeln Geld en masse am Fiskus vorbei und fahren die teuersten Autos. Das will Barkowsky, den es wirklich gegeben hat, in der neuen Serie "Luden" auf Prime Video in den 1980er-Jahren auch.

Kultfigur auf der Reeperbahn

Also tut er sich mit der heroinabhängigen, deutlich älteren Prostituierten Jutta zusammen, die ganz unten ist, aber eigentlich auch noch mal leben möchte, nicht bloß überleben. Sie macht ihn zum Luden (Zuhälter), er wird zur Kultfigur auf der Reeperbahn. Weil er jung war und frech ist, weil er die Frauen (zunächst) besser behandelt. "Luden" erzählt nun bei Prime Video seine Geschichte nach.

Amazon Prime Video Deutschland

Sechs rasante Teile lang erlebt man den Aufstieg und dann den finanziellen wie moralischen Fall von Barkowsky. Gespielt wird er grandios von Aaron Hilmer. Der mäandert zwischen Charme, Chuzpe und eiskaltem Kalkül. Anfangs ist er ein Niemand, der am Tresen steht, aber schon große Träume hat. "Erste Klasse, Jumbojet" will er fliegen, überallhin. Es ist die Zeit, in der Statussymbole noch so sichtbar sein mussten wie eine Rolex oder ein Lamborghini, den "Lamborghini-Klaus" oder der "schöne Klaus", wie er genannt wird, bald fährt.

Die "Nutellabande"

Und am Anfang läuft es nicht schlecht. Barkowsky mischt mit seiner "Nutellabande" (weil die Mitglieder so jung sind und wohl Nutella zum Frühstück essen, wie man damals scherzhaft meinte) das Milieu ordentlich auf. Er zahlt besser, er beschenkt die Frauen. Aber es ist nicht der Ku'damm oder die Kärntner Straße, es ist der Kiez. Und dort zeigt sich bald das Elend. Einmal ist ein Mädchen gefragt auf einer Bohrinsel mit 150 Männern. Barkowsky liefert, und man muss nicht mehr sehen als die Augen der jungen Frau, als sie kapiert, was jetzt passiert.

Foto: Susanne Schramke

Dann wieder ist er liebenswert wie ein Welpe, der oft einen flotten Spruch auf den Lippen hat und einfach schlauer ist als die anderen. Deshalb versucht er auch Glamour auf den Kiez zu bringen. Der Serie zeigt, dass Anfang der Achtziger sich im Rotlicht auch viele tummelten, die spießbürgerliche Fesseln abstreifen und frei leben wollten. Es gelingt den meisten nur kurz – wenngleich auch in dieser Serie selbstverständlich in all der Tristesse eine Hoffnungsfigur nicht fehlen darf.

Jutta nimmt den Luden an der Hand

Was aber wäre ein Mann ohne eine starke Frau? Im Fall Barkowsyks ein Nichts. Jutta, gespielt von Jeanette Hain, nimmt ihn und die Zuseherinnen und Zuseher an der Hand, um sie durch all den grellbunten und ebenso düsteren Morast zu führen.

Aus dem Off sagt sie manchmal Sätze, die fast zu bedeutungsvoll sind für diese letztendlich miesen Männer, die sich auf Kosten der Frauen durchsetzen wollen. Das gibt aber allerhöchstens ein Minuspünktchen, denn sie ist ebenso (und natürlich völlig) anders großartig wie Hilmer als Barkowsky. Vermutlich gibt es nichts, was Jutta nicht schon erlebt, geschweige denn gesehen hat. Abgeklärt, abgestumpft ist sie, aber auch berechnend. Und sie träumt immer noch vom kleinen Glück, schaut daher über vieles hinweg, was Barkowsky ihr zumutet.

Abstieg mit Aids

Als Aids auf den Kiez kommt, beginnt sein Abstieg. Aber er fängt sich zunächst und sorgt für den Besuch der "weißen Dame", des Kokains also. Am Schluss, so viel sei verraten, wird es noch mal richtig mies, ohne große Effekthascherei. Alles andere wäre unglaubwürdig gewesen. Denn am Kiez mit seiner schiefen Ebene aus brutalen Männern und abhängigen Frauen ist eben kein Happy End möglich. Die Serie ist üppig ausgestattet, bis in die Nebenrollen fein besetzt, die Regie hat der Wiener Stephan A. Lukacs gemeinsam mit Laura Lackmann geführt. Dazu tönt der Sound der Achtziger. Man kann die Serie als absolut sehenswert empfehlen. Und sich gleichzeitig wundern, warum dieser "Gold-Stoff" bisher noch nicht so verfilmt worden ist. (Birgit Baumann, 6.3.2023)