Bereits im November 2022 erfolgten erste Berichte über Vergiftungen an iranischen Mädchenschulen.

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Teheran – Nach der Berichterstattung über die mysteriöse Vergiftungswelle im Iran ist laut Medien ein Journalist festgenommen worden. Der Zeitungsjournalist Ali Purtabatabai sei inhaftiert worden, berichtete die Zeitung "Entekhab" am Sonntagabend unter Berufung auf dessen Schwester. Der Journalist arbeitete demnach in der religiösen Hochburg Qom, wo vor Monaten die ersten Vergiftungsfälle gemeldet wurden. Genauere Informationen waren zunächst nicht bekannt.

Die Festnahme trage nicht zur "Entmystifizierung der Gerüchte und Nachrichten" bei, schrieb der Reformpolitiker und Journalist Abbas Abdi auf Twitter. Es mache die Gerüchte noch schlimmer. "Ich hoffe, er wird bald freigelassen."

Khamenei nennt Vergiftungen "unverzeihliche" Verbrechen

Der oberste geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei sagte indes am Montag, die Vergiftungen seien ein "unverzeihliches" Verbrechen. "Die Behörden sollen die Fälle ernsthaft verfolgen. Die Schuldigen an diesem Verbrechen müssen schwer bestraft werden", wurde Khamenei in den Staatsmedien zitiert.

Am Wochenende war es in mehreren Städten zu Protesten von Eltern gegen die mutmaßlichen Anschläge gekommen. Eine der Kundgebungen in Teheran entwickelte sich Videoaufnahmen zufolge zu einer regierungsfeindlichen Demonstration. Seit November war es zu ungeklärten Giftanschlägen auf mehr als 30 Schulen in weiten Teilen des Landes gekommen. Betroffen sind fast ausschließlich Mädchenschulen. Landesweit wurden bisher hunderte Schülerinnen in Krankenhäusern behandelt. Noch immer gibt es keine offizielle Erklärung. Eltern werfen den Behörden Versagen vor und geben ihnen eine Mitschuld. Ärzte sprechen von Giftgasangriffen.

Einige Politiker hatten angedeutet, die Schülerinnen könnten Ziel religiöser Gruppen gewesen sein, die eine Schulbildung für Mädchen ablehnen. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi machte unlängst "ausländische Feinde" für die Anschläge verantwortlich. Raisi ließ offen, wen er damit meinte. Allerdings werden regelmäßig die USA und Israel als Feinde der Islamischen Republik bezeichnet.

Inhaftierte Demonstranten angeblich begnadigt

Unterdessen hat Khamenei laut Staatsmedien mehr als 80.000 Gefangene begnadigt. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna am Montag unter Berufung auf Justizchef Gholam-Hossein Mohseni-Ejei. Die Begnadigungen wurden demnach im Februar kurz vor dem Jahrestag der Islamischen Revolution von 1979 angekündigt. Ähnliche Amnestien gab es immer wieder rund um den Jahrestag.

Unter den Begnadigten sollen zahlreiche im Rahmen der jüngsten Protestwelle Inhaftierte sein. Überprüfen lassen sich die Zahlen nicht. Prominente Kulturschaffende, Aktivistinnen und Aktivisten und Menschenrechtler wurden jüngst freigelassen. Die Begnadigungen waren an strenge Voraussetzungen geknüpft. Unter anderem werde keinen Gefangenen vergeben, denen Spionage zur Last gelegt wird. Auch Mord, Beschädigung oder Brandstiftung von Regierungs- oder Militäreinrichtungen schließen einen Gnadenspruch aus.

Führung unter Druck

Die Amnestien seien ein Ablenkungsmanöver, nachdem die politische und geistliche Führung unter Druck geraten war, sagten Kritiker. Sie bemängelten auch, dass für eine Begnadigung eine Anklage vorliegen müsse. Sei dies nicht der Fall, müssten sich Inhaftierte selbst belasten, kritisierten Menschenrechtler.

Der Auslöser der jüngsten Protestwelle war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im September vergangenen Jahres. Die 22-Jährige war vor rund einem halben Jahr wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden. Mehr als 500 Demonstranten wurden im Rahmen der Proteste getötet, rund 20.000 nach Schätzungen von Menschenrechtlern inhaftiert. (APA, red, 6.3.2023)