Millionenfach genutzte Onlinedienste können zur Gefahr werden.

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Es dauerte nicht lange, bis die Abschaffung des landesweiten Rechts auf Abtreibung in den USA erste Folgen zeitigte. Obwohl die Entscheidung des Supreme Court von massiven Protesten begleitet wurde, verhängten mehrere Bundesstaaten Verbotsgesetze, mit denen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen teils massiv eingeschränkt wurde. Fast gleichzeitig wurden Warnungen laut, dass die Polizei bei Tech-Konzernen wie Google, Facebook und Co nach Nutzerdaten zur Strafverfolgung illegalisierter Schwangerschaftsabbrüche fragen könnte.

Ein Fall aus dem Bundesstaat Nebraska zeigte rasch, dass die Sorgen berechtigt waren. Um die Strafverfolgung einer 17-Jährigen wegen einer mutmaßlich illegalen Abtreibung zu ermöglichen, forderte die dortige Polizei im Frühjahr 2022 Chatverläufe vom Facebook-Konzern Meta an – und erlangte erst dadurch die notwendigen Informationen, um Anklage zu erheben. In den besagten Nachrichten, so heißt es in Berichten, sprach die Frau mit ihrer Mutter über die Einnahme einer Abtreibungspille. Auf Basis dieser Information konnten die Ermittler anschließend einen Durchsuchungsbefehl für das Zuhause der Beschuldigten erlangen.

Keine Rede von Abtreibung

Meta betonte damals, dass man bereits vor dem Entscheid des Obersten Gerichtshofs mit einem Durchsuchungsbefehl konfrontiert worden sei, in dem keine Rede von Abtreibung war. Stattdessen sei es um den Fall eines totgeborenen Babys gegangen, "das verbrannt und begraben wurde". Wie "Business Insider" berichtet, wird die junge Frau auch wegen der mutmaßlich illegalen Entsorgung des Fötus angeklagt.

Der Zugriff auf private Chatnachrichten ist jedoch nicht der einzige Risikofaktor. Eine "Propublika"-Recherche deckte auf, dass Online-Apotheken, die Abtreibungspillen verkaufen, sensible Daten an Firmen wie Google weitergeben. Auf den Websites von mindestens neun Apotheken konnten die Reporter Werbetracker finden, die eine Reihe von Daten über das Nutzungsverhalten der Besucher sammeln – und diese weitergeben. Unter den Daten würden sich sensible Informationen wie die besuchte Webadresse befinden, aber auch die spezifisch angeklickten Produkte und die Suchbegriffe, mit denen die Seite gefunden wurde. Gesammelt würden allerdings auch der Standort und Details zum verwendeten Gerät.

Gefahren von Standortdaten

Während Google eine Anfrage von "Business Insider" unbeantwortet ließ, betonte Meta, dass man Behördenanfragen nach Nutzerdaten nur dann nachgehe, "wenn wir in gutem Glauben davon ausgehen, dass wir gesetzlich dazu verpflichtet sind". Man überprüfe außerdem, "ob eine Anfrage mit international anerkannten Menschenrechtsstandards vereinbar ist". Sollte das der Fall sein, stelle man sicher, dass die bereitgestellten Daten "eng auf die Anfrage zugeschnitten sind". Auf der eigenen Website gibt Meta an, dass das Unternehmen mehr als 76 Prozent der Anfragen nachkommt.

Dass Standortinformationen potenziell große Gefahren bergen, betonte auch Cybersicherheitsexpertin Eva Galperin vergangenen Sommer im STANDARD-Interview. Laut ihr sei es möglich, diese zu kaufen und zu deanonymisieren. "Zum Beispiel kann man die Daten aller Personen kaufen, die die örtliche Abtreibungsklinik besucht haben, und im nächsten Schritt herausfinden, wo sie die Nacht verbringen – was üblicherweise ihr Zuhause ist", sagt Galperin. Sobald man diese Information habe, sei es ein Leichtes, ihre Identität festzustellen. Selbst die Google-Suche nach Informationen über Abtreibungen könnte als Beweis für einen geplanten Schwangerschaftsabbruch genutzt werden.

Daten gelöscht

Schon vergangenes Jahr, berichtet "Mashable", gab Google deshalb bekannt, den Standortverlauf von Menschen, die eine Abtreibungsklinik besucht haben, automatisch zu löschen. Das Unternehmen wolle sich außerdem "Forderungen widersetzen, die übermäßig weit gefasst oder anderweitig rechtlich bedenklich sind". (red, 6.3.2023)