Mit welcher gnadenlosen Brutalität der Krieg in der Ukraine von den russischen Truppen geführt wird, hat sich im Laufe des ersten Kriegsjahres schon an verschiedenen Orten manifestiert. Die Namen der ukrainischen Städte Butscha oder Mariupol haben aufgrund der grausamen Kriegsverbrechen schon jetzt einen sicheren Platz in künftigen Geschichtsbüchern über den russischen Angriffskrieg.

Insbesondere an der Frontlinie im Donbass toben seit Wochen die heftigsten Kämpfe. Die Städte Bachmut und Wuhledar werden mit großem Einsatz und vermutlich noch größeren Verlusten verteidigt – gleichzeitig haben jedoch auch die russischen Truppen enorme Verlustzahlen an Material und Personal.

Stadt komplett zerstört

Wie massiv die russischen Angriffe tatsächlich sind, wird an Drohnenbildern deutlich, die im Februar über der Stadt Marinka gemacht wurden. Die Bilder erinnern an Luftaufnahmen bombardierter Städte im Zweiten Weltkrieg: In der Kleinstadt Marinka in der Oblast Donezk steht kein unbeschädigtes Haus mehr. Der Großteil der Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht und sieht aus wie nach einer nuklearen Explosion.

Aus der Luft wird die großflächige Verwüstung Marinkas sichtbar.
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Kein einziges Gebäude der Stadt ist noch intakt.
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Russische Panzertruppen beschießen zwischen Gebäuderuinen die Stellungen der Verteidiger.
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Auch von den Alleebäumen der Stadt ist nicht mehr viel vorhanden.
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Seit 2014 an der Front

Die Stadt Marinka, in der einst fast zehntausend Menschen wohnten, liegt im Frontgebiet, und zwar bereits seit 2014. Damals besetzten im April russische Paramilitärs die Stadt, die Ukraine konnte erst im August die Kontrolle zurückgewinnen. Anfang Juni 2015 kam es zu einem heftigen Gefecht zwischen ukrainischen Truppen und Kämpfern der selbsternannten Volksrepublik Donezk. Mehr als siebzig Menschen kamen dabei ums Leben, mehr als zweihundert wurden verletzt. Das Scharmützel endete nach einem Tag mit einem Waffenstillstand, und die Ukraine behielt die Kontrolle über den Ort.

Die Kirche im Zentrum Marinkas war schon im April 2022 in keinem guten Zustand.
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Ein Klassenzimmer einer Schule in Marinka am 31. Mai des Vorjahres.
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Schon eine Woche vor dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 begann ein Artilleriebeschuss der Stadt. Die Kämpfe mit den russischen Truppen erreichten Marinka am 17. März und halten seither an. Die Russen setzten bei ihren Angriffen auch Phosphorbomben ein. Im August gab die Wagner-Söldnergruppe bekannt, dass die halbe Stadt unter russischer Kontrolle stehe. Denis Puschilin, der "Präsident" der "Volksrepublik Donezk", kündigte die baldige Eroberung der Stadt an. Doch bis zum Jahresende war erst die Rede von siebzig Prozent eroberten Stadtgebietes.

Evakuierung im November abgeschlossen

Am 3. November gab die Ukraine bekannt, dass alle verbliebenden Zivilisten aus Marinka in Sicherheit gebracht worden seien und die Stadt evakuiert wurde. Immer wieder wurde vonseiten Kiews erklärt, russische Angriffe zurückgeschlagen zu haben, doch auch hohe Verluste unter den Verteidigern wurden beklagt. Wie hoch die Verluste auf beiden Seiten mittlerweile tatsächlich liegen, ist nicht bekannt, allerdings müssen sie in diesem Abnutzungskonflikt erheblich sein.

Die Satellitenbilder auf Google Maps zeigen die Stadt Marinka vor der völligen Zerstörung durch die russischen Angriffe.

Der Kampf um Städte wie Bachmut oder Marinka hat natürlich auch eine symbolische Bedeutung, kriegsentscheidend wäre ein Verlust dieser Orte jedoch sicherlich nicht. Der zähe ukrainische Widerstand hat jedoch zur Folge, dass dadurch russische Einheiten über längere Zeiträume gebunden werden und Kiew sich so Zeit verschafft, um auf die vom Westen versprochenen Waffensysteme warten zu können. Für die russischen Einheiten wiederum bedeuten die massiven Verluste bei Nachschubproblemen und keinen nennenswerten Terraingewinnen eine fortschreitende Zermürbung. Darauf lassen jedenfalls Berichte über befehlsverweigernde Offiziere und offen ausgetragene Konflikte zwischen verschiedenen russischen Führern wie zuletzt zwischen dem Donezker Separatistenführer Igor Girkin und dem Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin schließen. (Michael Vosatka, 6.3.2023)