Hilfsorganisationen warnen vor gesundheitlichen Katastrophen in Syrien.

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"Morgen geht hoffentlich unser erster Flug mit medizinischen Hilfsgütern nach Syrien", berichtet Alexis Broschek, Mitbegründer der NGO Aid Pioneers, im Gespräch mit dem STANDARD. Das Flugzeug werde in der Türkei landen, um sicherzustellen, dass die Güter nicht von dem syrischen Diktator Bashar al-Assad abgegriffen werden.

Einen Monat nach den Erdbeben in Syrien und der Türkei ist die Zahl der Todesopfer auf über 50.000 gestiegen, davon rund 6.000 in Syrien. Die vom Erdbeben betroffenen syrischen Gebiete waren zuvor schon bitterarm: Seit 2011 lässt sie der Bürgerkrieg ausbluten, Wohnhäuser waren nach Jahren des Krieges ohnehin schon baufällig. Die Kinderhilfsorganisation World Vision warnt abgesehen vom körperlichen Zustand der Syrer und Syrerinnen nun auch vor den psychischen Folgen der Naturkatastrophe. Vor allem Kinder seien der Gefahr eines psychischen Zusammenbruchs ausgesetzt. "Die Hilfsmaßnahmen reichen bei weitem nicht aus, und man muss den Schutz von körperlicher und mentaler Gesundheit in den Mittelpunkt stellen", heißt es in einer Aussendung von World Vision.

Syriens Präsident Assad hatte zuletzt zwei weitere Grenzübergänge zur Türkei freigegeben. Bab al-Salam und Al-Ra'ee sollten für drei Monate geöffnet bleiben. Die Grenzübergänge liegen in Gebieten, die unter der Kontrolle von Rebellen stehen.

Medizinische Hilfsgüter im Wert einer Million Euro

Von Berlin aus organisiert und delegiert die NGO Aid Pioneers Hilfe für Länder und Menschen, die besonders von Armut betroffen sind. Aufgrund des Erdbebens und der kritischen Situation der Menschen in Syrien hat die Organisation kurzerhand Hilfe im Wert von einer Million Euro zusammengekratzt. Aber wie kommen Güter in solch einer Krisenregion an?

"Wir schauen uns zuerst an, in welchen Ländern es effektive lokale Organisationen gibt und was diese an Unterstützung brauchen", erklärt Broschek. "Nur ein paar Millionen Euro von großen Organisationen zur Problembekämpfung bewirken nicht genug. Wir schauen zuerst, welche Lösungsansätze es schon gibt, und bauen darauf auf."

Die 2020 gegründete Organisation arbeitet eigenen Angaben zufolge mit einem Netzwerk aus europäischen und amerikanischen Firmen sowie verschiedenen Hilfsorganisationen zusammen. Für die Erdbebenopfer in Syrien seien bei dem amerikanischen Partner C.U.R.E. medizinische Verbrauchsgüter wie Beatmungsgeräte, Monitore, Krankenhausbetten und Spritzen eingekauft worden. Um den Transport und die Zollabwicklung kümmert sich die Speditionsfirma Kühne + Nagel. Sie stellt ihren Service kostenlos zur Verfügung.

Die lokale syrische Organisation Hand in Hand für Hilfe und Entwicklung (HiHFAD) übernimmt dann die Güter in der Türkei und importiert sie in den Nordwesten von Syrien. Die medizinischen Verbrauchsgüter werden an 145 verschiedene Krankenhäuser und medizinische Einrichtungszentren verteilt.

"Wir verbinden die Punkte"

"Wir verbinden die Punkte, das heißt, wir sind die Architekten des gesamten Projektes und tragen auch die volle Verantwortung", sagt Geschäftsführer Broschek. Normalerweise besuchen die Mitwirkenden von Aid Pioneers die Regionen, in denen sie tätig sind. In Syrien ist ein Besuch vor Ort aufgrund der schwierigen Lage derzeit aber nicht möglich.

"Unsere ganze Kraft liegt darin, dass wir viele motivierte Leute haben, die ehrenamtlich mitarbeiten", berichtet Broschek über sein junges Team, die meisten davon sind in ihren Zwanzigern. Aid Pioneers leistet eigenen Angeben zufolge auch im Libanon, in der Ukraine, in Sierra Leone, Uganda und Ruanda humanitäre Dienste. Zurzeit arrangiert die Organisation zwei weitere Flüge geladen mit medizinischen Hilfsgütern für die syrischen Erdbebenopfer.

Jedoch gelangt immer noch zu wenig Hilfe nach Syrien. World Vision fordert daher, dass die Grenzübergänge weiterhin offen bleiben müssen, um die Hilfslieferungen weiterhin aufstocken zu können. (Tabea Hahn, 6.3.2023)