Wiltrud Schreiner feiert im Stadttheater Klagenfurt Geburstag um Geburtstag um Geburtstag. Gesellschaft leistet ihr dabei unter anderem der lange verschmähte Geliebte Florian Carove.

Foto: Karlheinz Fessl

Interessant am Leben sind seine Abweichungen von Zielen. Das meiste entgleitet uns bald irgendwohin, zumeist ins Triviale. Sodass man Ernestine Ashworth in Noah Haidles trashiger Farce Birthday Candles beruhigen kann: Es ganz anders machen zu wollen als die Eltern, mehr Selbstverwirklichung anzustreben und seinen ganz eigenen Platz im Universum zu suchen, das ist einfach zu ehrgeizig. Das hat ihr die Mutter mit dem Geburtstagskuchenrezept als Floh ins Ohr gesetzt. Besser, man sieht gleich ein, dass ein unerfülltes Leben der Normalfall ist. Liebe, Hochzeit und Nachwuchs, Scheidung, ein paar Katastrophen und der Tod, that’s it.

Vor sechs Jahren wurde das Stück, dessen Heldin man von ihrem 17. bis zum 107. Lebensjahr nur auf ihren Geburtstagspartys erlebt, in New York uraufgeführt. Letzten Donnerstag erlebte die deutschsprachige Übersetzung von Barbara Christ am Stadttheater Klagenfurt ihre österreichische Erstaufführung. Die in Deutschland geborene Regisseurin Schirin Khodadadian, auch in Wien keine Unbekannte, hat sich von Philipp Nicolai die Bühne als deren Verdoppelung einrichten lassen, sodass man im Inneren des Klagenfurter Stadttheaters sitzt und auf der Bühne noch einmal das Innere des Klagenfurter Stadttheaters erblickt.

Kampf um gute Stimmung

Dort findet die Desillusionierung der von Wiltrud Schreiner gespielten Ernestine Ashworth als beschwingte Revue ohne großen inhaltlichen Anspruch, aber mit einer Vielzahl menschlich berührender Momente statt. Denn es lässt das Publikum natürlich nicht kalt, wenn die Tochter sich umbringt, der Mann einen betrügt und der Sohn, als Musiker gescheitert, mit der Frau, von der er geschieden wird, darüber streitet, ob Muttermilch als vegan durchgeht. So absurd unwichtige Diskussionen prägen den Abend. Immer vergeblicher bemühen sich an den Geburtstagen alle, dass die Stimmung stimmt.

In der dankbaren Rolle des jahrzehntelang verschmähten Geliebten, der kurz vor seinem Krebstod doch noch erhört wird, prägt Florian Carove den Abend schauspielerisch, ebenso wie Wiltrud Schreiner, die der Aufgabe als Identifikationsfigur – fast möchte man sagen: in Zurückhaltung – vollkommen gerecht wird. Ohne Kostümwechsel. An jedem Geburtstag wird die Körpergröße am Türstock markiert. Mit der verbleibenden Lebenserwartung sinken die Striche immer tiefer.

Nanette Waidmann und Raphaela Möst steuern als Tochter und Schwiegertochter eine gehörige Portion Temperament bei. Das gilt auch für Sören Kneidl als Sohn. Und den untreuen Seitenspringer Matt gibt Marcus Thill ganz zeitgemäß so, dass man ihm schon vorher misstraut. (Michael Cerha, 6.3.2023)