Kasachstan, hier die Stadt Almaty, ist eine männerdominierte Gesellschaft.

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"Wir wollen diese Kundgebung in dem Wissen verlassen, dass der Marsch am 8. März stattfinden wird", sagt die kasachische Menschenrechtsaktivistin Tatiana Chernobil. "Der Marsch" ist eine Demonstration zum diesjährigen Weltfrauentag, den sie plant. 150 Menschen haben sich in einem Park in der Millionenstadt Almaty versammelt, protestieren gegen die Stadtverwaltung. Denn diese hat den Marsch der Frauen schlichtweg verboten.

Frauenrechte, politische Teilhabe, Gewalt in der Ehe, Vergewaltigungen, all dies soll kein Thema sein im männergeprägten Kasachstan. Vor fast zwei Jahre wurden Gulzada Serzhan und Zhanar Serkebayeva, Gründerinnen der feministischen Initiative Feminita, festgenommen. Sie wollten mit den Bewohnern der Großstadt Shymkent über Frauenrechte diskutieren. Wütende Männer griffen die beiden an. Doch verhaftet wurden die beiden Feministinnen. "Friedliche Kundgebungen, Flashmobs und Streikposten zur Unterstützung von Frauen in Kasachstan führen in der Regel zu Geldstrafen und Verhaftungen", schreibt das Nachrichtenportal Cabar.asia.

Nichts zu feiern

In Aserbaidschan ist der Weltfrauentag sogar gesetzlicher Feiertag. Doch zu feiern gibt es nicht viel. Häusliche Gewalt, die Zwangsehe sind an der Tagesordnung. Zumindest gibt es seit ein paar Jahren in der Hauptstadt Baku ein Frauenhaus. Die Frauen, überwiegend aus der Provinz, die es ins Frauenhaus geschafft haben, sind in Sicherheit. Und erzählen Horrorgeschichten. "Mein Vater entschied über meine Heirat. Ich verlor meine Mutter, als ich 13 Jahre alt war. Dann wurde ich verheiratet", sagt eine von ihnen. "Ich wollte das nicht, habe danach viel gelitten. Ich habe eine Tochter, sieben Jahre alt. Mein Mann hat mich vor ihren Augen geschlagen." Und ihre Freundin erzählt: "Als mein Sohn drei Monate alt war, ich schlief gerade in der Nacht, da kam mein Mann und fing an, mich zu schlagen. Die Kinder schrien, ich schrie. Er hielt ein Messer an die Kehle des dreimonatigen Kindes. Drohte mir, er werde mein Kind und mich töten. Ich werde dich verscharren, sagte er, und niemand wird dich jemals finden."

Gulnara Mechtieva ist eine der bekanntesten Frauenrechtlerinnen in Aserbaidschan. Sie unterstützt das Frauenhaus in Baku. "Ich stamme aus einer sehr männerdominierten Familie. Mein Vater hat Frauen missbraucht. Mit der Zeit verstand ich, dass das kein persönliches Problem ist, sondern dass tausende Frauen in Aserbaidschan ihrer Freiheit beraubt werden."

Polizeiliche Repression

Die erste Demonstration zum Weltfrauentag in Baku organisierte Mechtieva 2019. Zwei Tage davor hat sie die Polizei festgenommen und gezwungen, die Ankündigung der Demo auf Facebook zu löschen. Die nächsten Kundgebungen nahmen die Behörden ernster. "Gleich nach der Demonstration wurden meine Social-Media-Accounts gehackt. Sie hatten alle meine privaten Daten", sagt Mechtieva. Vor der Demonstration 2021 erbeuteten die Behörden aus ihrem Account eine private Sprachnachricht. Sie erzählt darin einer Freundin intime Details, auch über ihre psychischen Probleme. "Auf einer regierungsnahen Facebook-Seite postete man diese Nachricht", sagt sie. "Sie schrieben dazu: Schaut, dieses Mädchen ist schizophren, sie ist emotional unstabil."

Trotz aller Anfeindungen: Gulnara Mechtieva macht weiter, kämpft für die Rechte der Frauen in ihrem Land. "Keine Frau in Aserbaidschan kann frei über ihre Sexualität entscheiden oder darüber, wohin sie geht, was sie anzieht, wie sie aussieht, wie ihre Haare gemacht sind. Wenn es um Entscheidungen über ihren Körper geht, baucht sie die Erlaubnis ihres Ehemanns oder der Familie. Das Gleiche gilt für ihr Leben, die Erziehung, die Karriere. Wann sie zu Hause sein muss, ob sie ins Ausland reisen kann, eben für alles."

Zum Weltfrauentag plant Mechtieva eine kleine Demonstration in Baku. Die vermutlich innerhalb weniger Minuten von der Polizei niedergeknüppelt werden wird. Genau wie in den vergangenen Jahren. (Jo Angerer, 7.3.2023)