Kinder lesbischer oder schwuler Paare schneiden nicht nur in Sachen Toleranz gegenüber anderen Lebenswelten besser ab.
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Nicht alle Eltern sind heterosexuell und cis. Abweichende Familienmodelle sind vor allem durch Patchwork-Konstellationen und alleinerziehende Frauen und Männer bekannt, aber auch gegenüber queeren Paaren sind Vorurteile zurückgegangen. Lesbische, schwule und bisexuelle Personen können in immer mehr Ländern gleichgeschlechtlich heiraten und gemeinsam Eltern werden, etwa durch Adoption und Samenspenden.

Die Schwierigkeiten, die Elternschaft mit sich bringt, können sie mindestens genauso gut bewältigen wie Heteropaare. Darauf deutet eine aktuelle Metastudie hin, die im Fachmagazin "BMJ Global Health" veröffentlicht wurde. Die gesammelten Daten aus 34 Studien zeigen, dass der Nachwuchs von heterosexuellen und queeren Paaren im Durchschnitt unter ähnlich guten Bedingungen aufwächst. In manchen Aspekten haben Kinder aus "Regenbogenfamilien" auch Vorteile. "Sie werden im Vergleich zu Kindern heterosexueller Paare als toleranter gegenüber Diversität beschrieben und als fürsorglicher gegenüber jüngeren Kindern", schreibt die Forschungsgruppe.

Ähnliche Ergebnisse

Verglichen wurden Familien mit einem Vater und einer Mutter mit Familien mit Eltern, "die sexuellen Minderheiten angehören". In der Regel waren das Familien mit zwei Vätern oder zwei Müttern. Dabei ging es um Themenfelder wie die körperliche Gesundheit des Kindes, dessen Verhältnis zu typischen Geschlechterrollen, Eltern-Kind-Beziehung, elterlichen Stress, Zufriedenheit mit der Paarbeziehung und soziale Unterstützung.

Das Forschungsteam nutzte dafür 34 Studien, die in den vergangenen 30 Jahren erschienen sind. Daten aus 16 dieser Studien wurden gesammelt und ausgewertet – eine sogenannte gepoolte Analyse. Die beiden Familientypen erzielten dabei ähnliche Ergebnisse. Eine der Einschränkungen der Arbeit: Berücksichtigt wurden nur Regionen, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen legal sind und das soziale Klima entsprechend eher günstig ist.

Risikofaktor Stigmatisierung

In manchen Bereichen hatten Kinder aus queeren Familien bessere Bedingungen. Einerseits hatten sie durchschnittlich bessere Eltern-Kind-Bindungen, andererseits erzielten sie im Bereich "psychologische Anpassung" höhere Werte. Das heißt, sie konnten besser auf Veränderungen in ihrem sozialen und physischen Umfeld reagieren. Dieser Unterschied war bei Kindern im Vorschulalter am größten.

Die Studie zeigt auch Risikofaktoren auf, die sich nachteilig auswirken können. Bei Regenbogenfamilien sind das vor allem das Erfahren von Diskriminierung und Stigmatisierung, aber auch mangelnde Unterstützung durch das Umfeld. Offenbar hatten in der Statistik auch jene queeren Familien bessere Chancen, bei denen die Eltern verheiratet waren. Die Ehe "bietet den Verheirateten und ihren Kindern eine Vielzahl an Schutzmaßnahmen und Vorteilen", schreibt die Forschungsgruppe.

LGBTQ-Diskriminierung verschiedener Länder

Ob ein gleichgeschlechtliches Paar in einem bestimmten Land heiraten darf oder nicht, ist freilich auch ein Indikator dafür, wie offen die Gesellschaft ist und ob man mehr oder weniger Diskriminierung ausgesetzt ist. Interessanterweise wurde die Studie von einem Team durchgeführt, das größtenteils in China forscht – an der Guangxi Medical University in der Großstadt Nanning, die sich im Süden des Landes befindet. Männer dürfen in China keine Männer heiraten, Frauen keine Frauen.

Homosexualität wird in China in der Regel nicht verfolgt, aber auch nicht geschützt. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu homophoben Vorfällen. In Medien fällt das Thema unter die Zensur – als Verstoß gegen "die gesunde Lebensweise in China". Auf der Plattform Equaldex, die LGBTQ-Rechte global auf einem Index bewertet, kommt das Land deshalb nur auf den Wert 38 von 100. In Österreich liegt dieser "Equality Index" bei 76, in Deutschland bei 84.

Freier von Geschlechterrollen

Die Ergebnisse aus der Studie zeigen einen weiteren – und logischen – Vorteil: Kinder aus queeren Familien dürften einem geringeren Druck ausgesetzt sein, sich an Geschlechterrollen anzupassen und sich als heterosexuell zu identifizieren. "Dieser Effekt könnte positiv sein", so lautet die vorsichtige Formulierung des Forschungsteams. "Die Auseinandersetzung mit der Geschlechtsidentität und der Sexualität kann die Fähigkeit der Kinder verbessern, in einer Reihe von Kontexten erfolgreich zu sein und aufzublühen."

Nicht berücksichtigt wurden in der Untersuchung allerdings demografische Einflussfaktoren. Die sozioökonomische Lage der Familie dürfte etwa ein wichtiger Indikator sein. Dieser Status könnte bei den untersuchten Paaren höher sein. Immerhin ist eine gewisse finanzielle Sicherheit nötig, um adoptieren oder Kinderwunschbehandlungen bezahlen zu können. Insbesondere bei schwulen Paaren kann das umstrittene Thema Leihmutterschaft, das ebenfalls ein Kostenfaktor ist, eine Rolle spielen.

Aufgrund dieser Schwächen der Studie dürften weitere Analysen folgen. Dennoch lässt die Forschungsarbeit darauf schließen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien nicht benachteiligt sind: "Die sexuelle Orientierung der Eltern an sich ist kein bestimmender Faktor für die Entwicklung der Kinder", schreiben die Fachleute. Und um die Nachteile durch Diskriminierung auszugleichen, seien politische Entscheidungsträger, medizinisches Fachpersonal und die Öffentlichkeit gefragt. (Julia Sica, 7.3.2023)