Holly Wilkinson kennt sich aus mit der passenden Ernährung. Das bringt sie im Puls-4-Format "So lebt sich's leichter" auch ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei.

Foto: Mediafilm

Die Ernährung ist das Gesundheitsthema, das am meisten bewegt. Kein Wunder, Essen ist großartig, köstlich, kreativ und genussvoll. Es ist aber auch mit anderen Gefühlen behaftet. Angst davor, zuzunehmen, Scham, weil man seine Vorsätze nicht eingehalten hat, oder Schuld. Das zeigt sich etwa, wenn man von "sündigen" spricht, weil man eine Rippe Schokolade oder ein paar Chips isst. Dazu kommen unzählige Diätansätze, Mythen und Halbwahrheiten, was die "richtige", sprich gesunde Ernährung betrifft.

Diese emotionale und gesundheitliche Gemengelage hat Puls 4 nun in ein Format gegossen. Ab 14. März gibt es sechs Folgen von "So lebt sich's leichter" mit Holly Wilkinson. Die Ernährungswissenschafterin und Trainerin nennt sich selbst Diätrebellin, bei ihr gibt es keine Genussverbote oder Cheat-Days. Ihr Ziel ist, den Teilnehmenden zu einer gesunden und fitten Zukunft zu verhelfen. Im STANDARD-Interview erzählt sie, warum abnehmen so schwer ist und wie die Sprache dazu beiträgt.

STANDARD: Was bringt die neue Show? Ist das ein weiteres Abnehmformat?

Wilkinson: Nein, auf keinen Fall. In der Pandemie ist vieles auf der Strecke geblieben, das zeigt sich nun im Wohlbefinden so mancher. Viele haben sich zu wenig bewegt, zu viel oder unausgewogen gegessen und haben sich dadurch nicht mehr so gut gefühlt. Genau da wollen wir bei "So lebt sich's leichter" die Menschen abholen und ihnen helfen, dass sie sich insgesamt wieder wohler fühlen. Die Show ist auf den individuellen Bedürfnissen der Menschen aufgebaut. Natürlich geht es dabei auch um das Gewicht, viele haben sich explizit deshalb gemeldet. Aber es ist keine Abnehmshow, auch wenn das im Fernsehen sehr beliebt ist. Im Vordergrund steht, dass sich die Teilnehmenden langfristig wieder besser fühlen, und zwar ohne irgendwelche Diäten. Wir schauen uns einfach die gesamten Lebensumstände an, den Alltag, das Bewegungspensum, die Schlafsituation und mehr.

STANDARD: Diät ist ohnehin nicht mehr im Trend, man ernährt sich jetzt bewusst. Heißt das, wir essen jetzt gesünder als noch zu Diätzeiten?

Wilkinson: Ja und nein. Die Begrifflichkeiten von gewissen Ernährungskonzepten haben sich geändert, aber viele dieser Ernährungssysteme sind in Wirklichkeit ein Wolf im Schafspelz, sie entpuppen sich oft als Diät. Auch Gesundheits-Apps helfen nicht automatisch dabei, gesünder zu leben, auch wenn sie so vermarktet werden. Das Diätgeschäft ist einfach ein Milliardenbusiness, auch wenn mittlerweile die Kritik daran wächst, auch auf Social Media. Es ist ein sehr langer und mühsamer Prozess, den Diätbegriff aus den Köpfen zu bekommen, er ist einfach sehr tief darin verankert. Aber ich beobachte langsam ein Umdenken und kenne viele weitere Fachkräfte, die sich des Themas nachhaltig annehmen.

STANDARD: Und was genau ist das Problem bei Diäten?

Wilkinson: Man dreht sich dabei im Kreis, alle, die schon einmal eine Diät gemacht haben, wissen das. Es gibt nur das strenge Diätregime, aber kein Aufbaukonzept für die Zeit danach. Eine Diät zu machen ist immer eine rein emotionale Entscheidung, weil man den leeren Versprechungen glaubt, verzweifelt ist oder ungeduldig und auf den schnellen Gewichtsverlust hofft. Dabei ist der Wunsch nach Gewichtsverlust bei vielen Menschen intrinsisch gar nicht vorhanden, er wird von der Umgebung geformt, etwa durch diskriminierende Erfahrungen, wenn das Umfeld ständig nach dem Gewicht fragt – oder auch durch Bilder von Models und Influencern. Gesundes Gewichtsmanagement ist aber ein Marathon mit Auslaufphase und keine Sache von ein paar Wochen, das kann bei Ungeduld und falschen Erwartungen frustrieren. Aber wie soll man in kurzer Zeit das loswerden, was man über Jahre, in denen sich Gewohnheiten eingeschlichen haben, aufgebaut hat?

STANDARD: Was macht Abnehmen generell so schwierig?

Wilkinson: Unser Gewichtsmanagement hängt von viel mehr Faktoren ab als nur Essen, Bewegung, Kalorienzählen. Unser Körper ist ja keine Maschine, er lebt. Stoffwechsel, Hormone, Schilddrüse, genetische Veranlagung, Umstände im Alltag, eingefahrene Muster und Gewohnheiten, das Schlafausmaß, psychische Einstellung, das alles beeinflusst das Gewicht. Ich sehe sehr oft, dass der Wunsch nach Abnehmen gekoppelt ist mit Unsicherheit und Selbsthass. Dann greift man nach dem schnellen Versprechen nach Schema X und macht sich nicht auf die Suche nach dem für einen selbst passenden und richtigen Weg. Das ist nämlich ziemlich komplex, auch für mich als Beraterin.

STANDARD: Woran scheitern die Menschen?

Wilkinson: Manche sind viel zu streng mit sich und fahren ein Programm, das man dauerhaft einfach nicht durchziehen kann. Viele berücksichtigen den eigenen Lebensstil nicht und wählen einen Weg, der nicht zu ihnen passt. Ungeduld ist auch ein großes Thema, man will dann gleich zwei Kilo pro Woche abnehmen. Wenn das nicht funktioniert, haut man nach drei Wochen den Hut drauf und pfeift auf alles, das hilft dann natürlich erst recht nicht. Es ist auch wirklich schwierig. Selbst als Fachkraft kann ich nie alle Faktoren beeinflussen, ich kann ja in den Menschen nicht hineinschauen. Deshalb spreche ich auch nie Abnehmversprechen aus. Ich finde es ganz furchtbar, wenn der Erfolg von Veränderung nur am verlorenen Gewicht gemessen wird.

STANDARD: Welche anderen Anzeichen zeigen einen Erfolg?

Wilkinson: Wenn man mehr Energie im Alltag hat, keine Heißhungerattacken mehr, man schläft besser, die Verdauung wird besser, die Haut schöner. Ich verstehe schon, dass die Zahl auf der Waage gut greifbar ist, aber das kann ziemlich toxisch werden. Man merkt das auch in der täglichen Sprache, die ist, was Essen anbelangt, echt verkorkst. Man sagt, dass man gesündigt hat, wenn man Kuchen gegessen hat, und umgekehrt, dass man brav war, wenn man darauf verzichtet hat. Allein dieses saloppe "Heut sündige ich, heut gönn ich mir eine Zimtschnecke" zeigt ja, wie sehr diese Vorstellungen in unserem Sprachgebrauch verankert sind. Es ist in Ordnung, Süßes zu essen. Aber lieber jeden Tag ein bisschen Schokolade als einmal am Wochenende Unmengen. Da meldet sich danach nur das schlechte Gewissen – und man will überkompensieren.

STANDARD: Gibt es eine Anleitung, wie gesunde Ernährung aussieht?

Wilkinson: Das ist schwierig, es hängt immer vom eigenen Status quo ab, jeder und jede definiert Gesundheit anders. Offiziell ist man dann gesund, wenn man frei von Krankheit und Beschwerden ist. Klar ist, man braucht Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Proteine, Fette, aber auch Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und mehr. Es gibt kein Standardrezept, aber Anhaltspunkte. Ich plädiere für einen entspannten 80:20-Weg. Wenn 80 Prozent der Ernährung aus wenig verarbeiteten Lebensmitteln bestehen, dann können die restlichen 20 Prozent recht frei nach Lust und Genuss sein, ohne unseren Körper zu überfordern.

STANDARD: Und was genau bedeutet wenig verarbeitet?

Wilkinson: Wenn man es pflücken, ernten, sammeln, jagen kann und der Verarbeitungsgrad überschaubar ist. Und möglichst bunt sollte es sein, auf Englisch sagt man 'eat the rainbow'. Wenn man Obst und Gemüse in möglichst vielen Farben isst, aus regionaler und saisonaler Produktion, kann man davon ausgehen, dass man mit vielen wertvollen Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen versorgt ist. Zum gesunden Essen gehört außerdem dazu, dass man es regelmäßig selbst zubereitet, idealerweise gemeinsam. Das ist ja auch etwas Gesellschaftliches, Verbindendes. Dann merkt man bald, dass es einem besser geht und man mehr Energie hat im Alltag. Passt das alles, dann treffen wir intuitiv viel bessere Ernährungsentscheidungen, brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel, Ketoprodukte oder Green Drinks. Wir sind aber sehr beeinflusst von Werbung, ständiger Verfügbarkeit von Essen, Fertigprodukten und mehr, da wird es oft schwer, gute Entscheidungen zu treffen. Und genau da docke ich an.

STANDARD: Es ist im Trend, phasenweise auf bestimmte Dinge wie Zucker oder Alkohol zu verzichten. Manche machen auch Entlastungskuren. Auch eine Art von Diät? Oder kann das Sinn machen?

Wilkinson: Es kommt darauf an, was man damit bezwecken will. Es ist absolut in Ordnung, wenn man dem Körper einmal eine Pause gönnt, weil er einfach viel leistet. Das fällt unter Selbstfürsorge und ist definitiv eine gute Idee. Aber wenn man so eine Kur zum Abnehmen macht, dann geht das fast zwangsläufig nach hinten los. (Pia Kruckenhauser, 13.3.2023)