Ein Clown muss nicht unbedingt so entsetzlich aussehen wie dieser hier, um bei vielen Angst und Schrecken zu verbreiten.

Foto: IMAGO/Sebastian Barro

Um die Mitte der 2010er-Jahre schwappte ein merkwürdiges Phänomen aus den USA nach Europa herüber: Immer wieder und bevorzugt rund um Halloween wurden an unterschiedlichen Orten "Killerclowns" gesichtet, Gestalten in mehr oder weniger gruseligen Clownskostümen. Spätestens als das Schauspiel von den Medien aufgegriffen wurde, geriet es durch gezielte Falschmeldungen und Nachahmer für eine Weile zum unterschwelligen Dauerthema, bisweilen sogar zur regelrechten Hysterie. Auch von Gewaltakten wurde berichtet, bei denen die Clowns einmal Täter, ein andermal Opfer waren.

Es ist kein Zufall, dass bei diesem zeitlich begrenzten Theater nicht etwa "Killer-Kasperln" die Hauptrolle gespielt haben. Clowns haben nicht viele Fans. Einem großen Teil der Menschen bereiten sie Unwohlsein, und einige unter uns leiden unter regelrechter Clownsangst – die Medizin kennt diese lähmende Furcht als Coulrophobie.

Der "Evil Clown"

Obwohl auf dem Papier ein Spaßvogel, evoziert die schrille, zumeist schlecht gekleidete Figur bei einem überraschend großen Anteil der Bevölkerung – und keineswegs nur Kindern – tatsächlich blankes Entsetzen. Auch in der zeitgenössischen Popkultur gibt der "Evil Clown" als Schreckensfigur den Ton an. Pennywise aus Stephen Kings "It" oder der Batman-Gegenspieler Joker sind nur die prominentesten von zahllosen Beispielen. Nach Filmen, in denen Clowns durchwegs positiv besetzt sind, muss man hingegen inzwischen suchen.

Wo die Wurzel dieser Angst vor dem geschminkten Possenreißer liegt, wurde in der Psychologie bisher nur punktuell untersucht. Frühere Studien kamen unter anderem zu dem Schluss, dass Clowns wegen ihres bemalten Gesichts als unberechenbar wahrgenommen werden, was Unbehagen erzeugt. Eine aktuelle Untersuchung untermauert nun dieses Ergebnis und findet noch weitere Faktoren, die für den "Schrecken der Clowns" verantwortlich sein dürften.

So viele haben Angst vor ihm

Zunächst wollten die Autorinnen und Autoren herausfinden, wie verbreitet die Angst vor den bunten Faxenmachern bei Erwachsenen tatsächlich ist. Dafür hat das Team um Philip Tyson von der University of South Wales psychometrische Fragebögen entwickelt, die unter anderem auch den Schweregrad der Coulrophobie ermitteln sollten. An der Untersuchung nahmen 987 Personen im Alter zwischen 18 und 77 Jahren aus 64 Ländern teil.

Das überraschende Ergebnis der Bestandsaufnahme: 53,5 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich vor Clowns fürchten würden. Fünf Prozent berichteten sogar von "extremer Angst". Wertet man diese als echte phobische Angststörung (was die Autorinnen und Autoren freilich nicht tun), dann würde sich die Coulrophobie unter die Spitzenpositionen der verbreitetsten Phobien einreihen: Das World Mental Health Survey gibt beispielsweise die Verbreitung von Tierphobien mit 3,8 Prozent, Höhenangst mit 2,8 Prozent oder die Angst in geschlossenen Räumen mit 2,2 Prozent an. Flugangst haben demnach 1,3 Prozent der Bevölkerung.

Weniger ältere Coulrophobiker

Dass bei der aktuellen Studie Frauen eher Angst vor Clowns hatten als Männer, deckt sich mit Forschungsergebnissen zu anderen Phobien wie der Furcht vor Schlangen oder Spinnen. Woher dieses Ungleichgewicht kommt, ist unklar. Darüber hinaus stellten die Forschenden fest, dass die Coulrophobie mit dem Alter schwindet, was ebenfalls zu früheren Arbeiten passt.

In einem zweiten Schritt wollte das Team den Vermutungen der Befragten über die Ursprünge ihrer Furcht vor Clowns auf den Grund gehen: Den 53,4 Prozent der Probanden, die Angst oder gar Grauen vor Clowns geäußert hatten, wurde ein weiterer Fragebogen vorgelegt, der auf acht plausiblen gängigen Thesen zur Entstehung dieser Furcht basiert. Zunächst zeigte sich, dass persönliche beängstigende Begegnungen mit Clowns bei den wenigsten eine Rolle spielten.

"Horrorclown" aus Film und TV

Für das Team bedeutet dies, dass Lebenserfahrung allein wohl keine ausreichende Erklärung für die Angst vor Clowns liefert. Das angeschlagene popkulturelle Image der Clownsfigur dagegen wirkt deutlich stärker: Viele der Befragten gaben den negativen bis schauerlichen Darstellungen von Clowns in Filmen, Serien und Büchern zumindest teilweise die Schuld für ihre Angst.

Aber auch das dürfte insgesamt nur ein Teil der Wahrheit sein. Der angstbestimmende Faktor, der in den Antworten am deutlichsten hervortrat, war die Verfremdung durch die Schminke, da hilft auch das aufgemalte demonstrative Lächeln nichts: Die übertriebenen Gesichtszüge machen Clowns und ihre tatsächlichen mimischen Signale kaum lesbar, wodurch ihr "wahres" Gesicht und damit ihre Absichten verborgen bleiben.

"Uncanny Valley"-Effekt?

Es sind also vor allem sein vielfacher Auftritt als Gruselfigur und die Unsicherheit darüber, was der Clown wohl als Nächstes vorhat, was vielen von uns Angst vor ihm einjagt, schreibt die Gruppe um Tyson im Fachjournal "Frontiers in Psychology". Die Forschenden räumen freilich ein, dass ihre Arbeit noch längst nicht alle Fragen um die Herkunft der Coulrophobie beantworten kann.

Beispielsweise könnte auch der "Uncanny Valley"-Effekt hineinspielen, ein Gefühl der Befremdung gegenüber menschenähnlichen Figuren, das man auch als Akzeptanzlücke kennt. Diese und andere Faktoren sollten bei weiteren Forschungen zu dem Thema berücksichtigt werden, schreiben die Wissenschafter. In einer künftigen Studie will das Team um Tyson herausfinden, ob aufgeschminkte Tiergesichter ähnliche ablehnende Reaktionen auslösen – oder ob das latente Grauen eine Spezialität der Clownsgesichter darstellt. (tberg, 8.3.2023)