Wer Sorgen hat, kann sich an verschiedene Angebote wenden, unter anderem die Sorgenhotline unter 01/4000-530 00, die bis dato "nur" als Corona-Sorgenhotline gedacht war, nun aber ausgebaut wurde.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Antonio Guillem

Wie belastet fühlen sich die Wienerinnen und Wiener? Eine in der Corona-Pandemie gestartete jährliche Befragungsreihe des Sozialforschungsinstituts Sora im Auftrag der Psychosozialen Dienste Wien (PSD) gibt darüber Aufschluss und zeigt: Die psychosoziale Lage ist weiterhin angespannt und hat sich teilweise verschlechtert.

Bei der ersten (repräsentativen) Befragung des Sozialforschungsinstituts Sora im Auftrag der Psychosozialen Dienste Wien (PSD) lag gerade der erste Lockdown in Österreich hinter den Menschen, die zweite Befragung im Frühjahr 2021 fiel direkt in den vierten Lockdown. 2022 deutete bereits alles auf eine Normalisierung hin, viele Maßnahmen waren schon gefallen. Allerdings war erst kurz zuvor der Ukrainekrieg ausgebrochen, Energie und Lebensmittel wurden teurer. Diese beiden Entwicklungen haben Befragte nun auch als besonders belastend identifiziert. Rund ein Drittel der Befragten gab zudem an, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert habe (2021 war es fast jede zweite Person gewesen, im Jahr davor nur ein Viertel der Befragten).

Angeschlagen und besonders belastet

Jene Menschen, die von sich sagen, eine angeschlagene psychische Gesundheit zu haben, leiden deutlich mehr unter Angst, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit. Ganz allgemein ist die Zahl der Menschen, die sich erschöpft fühlen, im Vorjahr aber noch einmal deutlich angestiegen. So gaben nun 60 Prozent der Befragten an, sich zumindest an einzelnen Tagen erschöpft zu fühlen, im Jahr davor war es noch knapp die Hälfte gewesen (2020 etwa ein Drittel).

"Schon im Frühjahr 2020 habe ich darauf hingewiesen, dass es einen Nachhall geben wird – aber da war noch gar nicht klar, dass andere Faktoren zur Pandemie dazukommen", sagte Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste (PSD) Wien, am Dienstag bei einem Hintergrundgespräch zu den Ergebnissen der Sora-Studie. Fast drei von zehn Wienerinnen und Wienern empfanden schwere Konflikte als Problem, ähnlich hoch ist der Wert beim Substanzgebrauch. Ein Viertel der Befragten gab an, Suizidgedanken gehabt zu haben – auch hier stieg der Wert noch einmal an (schnelle Hilfe für Menschen in Krisen bieten zum Beispiel der PSD und das Kriseninterventionszentrum, Details siehe Artikelende).

Arbeitslose und Junge trifft es mehr

Manche Gruppen sind besonders gefordert: Die subjektive Einschätzung der psychischen Gesundheit hat sich der Studie zufolge insbesondere bei Arbeitslosen noch verschlechtert, auch wer weniger Geld zum Leben hat, ist von einer Reihe Symptomen wie etwa Erschöpfung und Angst betroffen, genauso wie es junge Menschen stärker trifft – und Frauen (wobei die Lage der Frauen 2021 noch deutlich schlechter war).

Rund 45 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Unterstützung gebraucht hätten, und 28 Prozent, dass sie keine Hilfe erhalten hätten. Oft ist der Grund fehlende Information. Aber auch, dass es zu teuer wäre, sich unter die Arme greifen zu lassen, oder man sich dafür geschämt habe, wurde als Begründung genannt.

Gefühl der Ohnmacht

"Viele Menschen haben ein permanentes Gefühl der Angst und fühlen sich ohnmächtig", sagt Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, zusammenfassend. Betroffenen werde in vielen Belangen vermittelt, dass sie individuell das Problem lösen müssten, sei es bei Sorgen hinsichtlich Altersarmut, hoher Kosten oder der Klimakrise. Wichtig sei, zu vermitteln, dass die Angst wahrgenommen wird. Das sei mit ein Grund, warum die Stadt Wien die Corona-Sorgenhotline (01/4000/530 00, tägl. 8 bis 20 Uhr) personell aufgestockt habe und als allgemeine Sorgenhotline weiterführe. Sie soll ab April auch mehrsprachig sein und massiv beworben werden, unter anderem in sozialen Medien.

Gespräche können helfen

"Es tut so gut, dass ich nicht alleine bin", sei ein Satz, den sie oft von Anruferinnen und Anrufern höre, sagt Ardjana Gashi, Psychologin und Leiterin der Psychosozialen Information. Bei der Hotline sitze eine Person, die einfach zuhöre und nicht urteile. "Oft hilft ein Gespräch dabei, sich zu strukturieren und vorhandene Ressourcen zu finden", sagt Gashi.

Psychiatrie-Koordinator Lochner kündigte weiters an, dass der PSD das mit der Med-Uni Wien gemeinsam gestartete Projekt des Home-Treatment ausbauen wird. Im Rahmen von Home-Treatment betreuen multiprofessionelle Teams Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen zu Hause. "Stationär ist nicht mehr State of the Art", sagte Lochner.

Auch eine Kampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ("Darüber reden wir") werde weiter vorangetrieben. Der PSD werde laut Lochner bis Jahresende um rund 100 Vollzeitäquivalente erweitert; die Stadt Wien habe die Finanzmittel für den PSD seit Pandemiebeginn in etwa verdreifacht. (Gudrun Springer, 7.3.2023)