Ein Stück Industrietextil sorgte für große Reibereien.

Wann ist eine globale Pandemie zu Ende? Darüber scheiden sich die Geister genauso wie bei vielen anderen einschlägigen Themen und Positionen, mit denen die Gesellschaft in den vergangenen drei Covid-19-Jahren konfrontiert war. Für die einen war die Pandemie gefühlt schneller vorbei als für andere, mittlerweile jedoch hat die Mehrheit der Staaten die Pandemie zumindest informell für beendet erklärt.

Drei Jahre sind vergangen, seit wir vor dem allerersten Lockdown an Supermarktkassen angestanden sind, unsicher, wie viele Nudeln, Klopapier, Dosenessen und Kerzen wir besorgen sollen. Unsicher, wie schnell das alles wieder vorbei sein wird. Drei Jahre sind vergangen, seit viele von uns ihre Arbeit und ihr Leben in die eigenen vier Wände verlagert haben und wir unsere ersten frustrierten Zoom-Meetings abgehalten haben. Und drei Jahre sind vergangen, seit wir zahllosen Pressekonferenzen über den Liveticker gefolgt sind, der für viele zu einer Art Ersatzfamilie wurde.

Inzidenzen, Masken, Testen, Kurzarbeit, Babyelefanten. Drei Jahre danach kennt jeder jemanden, mit dem man sich über Covid-Maßnahmen zerstritten hat.

Wir möchten den dritten Jahrestag nutzen, um Rückschau zu halten. Mit Karten, Zahlen und Fakten wollen wir (ein hoffentlich letztes Mal) Revue passieren lassen, wie sich die Welt durch die Corona-Pandemie zweifelsohne verändert hat. Und uns die Frage stellen, was bleibt, ob positive Effekte entstanden, sind und worüber wir noch reden sollten.

Die Covid-Pandemie in Karten

Die Pflicht zur Bedeckung von Mund und Nase, um die Verbreitung des Virus einzudämmen, war von Beginn an ein kontrovers diskutiertes Thema. Während Österreich als eines von wenigen Ländern eine FFP2-Maske verrordnete, beließen es die meisten anderen Regierungen bei einem nicht näher definierten Mund-Nasen-Schutz. Ganz ohne Maskenpflicht ging es aber nur in den wenigsten Staaten.

Die Ausgangsbeschränkungen wurden als eine der schärfsten Eingriffe in die Grundfreiheiten der Menschen wahrgenommen. In Österreich gab es drei Lockdowns, der dritte endete im Februar 2022. Im März gab es durchaus noch einige Länder, die Ausgangsverbote beibehielten.

Besonders im ersten Jahr der Pandemie haben Arbeitende und Unternehmen Einkommensverluste in verschiedenem Ausmaß erlitten. Während einige Länder, darunter Österreich, Unternehmen mutmaßlich überförderte, wurden die durch Lockdowns verursachten Einbrüche besonders in afrikanischen und asiatischen Staaten nicht oder kaum ausgeglichen.

Wie streng die Gesamtmaßnahmen der einzelnen Staaten waren, hat der Oxford Covid-19 Government Response Tracker untersucht und festgehalten. Dabei wurden zur Berechnung insgesamt 13 Maßnahmen betrachtet, darunter Maskenpflicht, Contact-Tracing, Testvorschriften, Ausgehbeschränkungen und Schließungen. Über die gesamte Pandemie Hinweg griffen nur China und Simbabwe strenger durch als Österreich.

Die Covid-Pandemie in Zahlen und Fakten

Acht Länder haben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) während der Hochzeit der Pandemie keine Covid-Fälle gemeldet: Turkmenistan, St. Helena, Niue, Mikronesien, Nauru, die Pitcairn Inseln, Tuvalu, Tokelau und Nordkorea. Gegen Ende der Krise haben fast all diese Staaten letztlich doch Covid-Fälle zugegeben.

Schaut man sich Zahlen zum globalen Impfstatus am Ende der Pandemie an, so fällt auf: Die Grenze zwischen den Ländern mit hoher Durchimpfungsrate und jener mit geringer Durchimpfungsrate verläuft (mit Ausnahmen) ziemlich genau an der globalen Nord-Südgrenze. Während die meisten reicheren Staaten ihre Bevölkerung mit Impfstoff quasi überversorgt haben, so liegt die Verfügbarkeit und Abdeckung in den meisten ärmeren Ländern unter fünf Prozent.

Im Nachhinein spannend ist ein Rückblick auf die Frage, wie lange die Pandemie denn voraussichtlich dauern würde. Im März 2020, zu Beginn der Pandemie, ging die Mehrheit der Befragten davon aus, dass alles in spätestens drei Monaten vorbei sein werde.

Nachdem im Verlauf der Pandemie kaum ein Tag verging, an dem nicht Touristiker medial ihr Leid klagten, lohnt sich ein Blick darauf, wie viele Jobs denn im Tourismus weltweit im ersten Covid-Jahr und nachhaltig verlorengegangen sind. Es zeigt sich: Europa ist mit weitem Abstand nicht am meisten betroffen, die meisten Jobs gingen in Asien und Nordamerika verloren.

Wien wähnt sich gerne als Testweltmeister. Sieht man sich die Testungen je Million Einwohner an, so liegt Österreich tatsächlich an zweiter Stelle weltweit. Der Titel des tatsächlichen Testweltmeisters geht jedoch an Dänemark mit fast 22 Millionen Tests pro Million Einwohner.

Definitiver Profiteur der Krise waren Hersteller von Apps und Streamingdiensten. Weltweit sind die Nutzungs- und Downloadzahlen im Jahr 2020 massiv angestiegen, allen voraus bei Lieferdiensten und arbeitsrelevanter Software.

Die Pandemie in unerwarteten Fakten

Neben den ernsten Themen hat die Pandemie unser Leben auch auf andere Arten verändert. Von Haustieren über Pressekonferenzen, so manches hat unser Leben im Lockdown spannender gemacht.

In Österreich wurden zu Pandemiezeiten über 200 Pressekonferenzen abgehalten, bei mehr als der Hälfte ging es dabei dezidiert um Covid-Maßnahmen.

Was von der Pandemie bleibt

Remote-Arbeit: Was vor der Pandemie nur in Ausnahmefällen und für sogenannte digitale Nomaden möglich war, hat sich seit 2020 als völlig normal etabliert. Arbeiten von daheim, anfangs von vielen Firmen als unmöglich abgetan, ist gekommen um zu bleiben. Selbst nach Ende der Pandemie wurde das ortsunabhängige Arbeiten zumindest teilweise beibehalten. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass aus der Ferne sehr viel mehr möglich ist (und funktioniert) als zuvor angenommen. Und was am Arbeitsplatz begonnen hat, trifft auch auf den Bildungsbereich zu. Mehr digitale Bildungsangebote als je zuvor stehen zur Verfügung.

Digitalisierung: Während der Pandemie hat die Welt einen nie zuvor gesehenen Digitalisierungsschub erlebt. Vom Bildungsbereich über medizinische Dienstleistungen zum Einzelhandel – fast alle Branchen und Bereiche mussten innerhalb kürzester Zeit mit digitalen Lösungen aufwarten. Während manchen die Umstellung leichter gelang als anderen, hat die Krise insgesamt beachtliche Fortschritte im Bereich der Digitalisierung gebracht und zudem eine höhere Akzeptanz geschaffen.

Bitte nicht Hände schütteln: Etwas Gutes hat die Covid-Krise außerdem für Introvertierte und Misanthropen gebracht. Das Verweigern des Rundum-Händeschüttelns oder gar gezwungener Begrüßungsküsschen wird mehr oder minder ohne große Erklärungen akzeptiert. So mancher Mitmensch scheut dadurch große soziale Events oder Interaktionen ein kleines bisschen weniger.

Medizinischer Fortschritt: Noch nie wurden binnen eines Jahres global so viele finanzielle Mittel und Ressourcen zur Erforschung und Produktion von Impfstoffen oder Arzneimitteln bereitgestellt. Dies hat auf der einen Seite gezeigt, was möglich ist, wenn der politische Wille da ist und Finanzierung zielgerichtet gebündelt wird. Auf der anderen Seite wurde durch die Entwicklung und Testung von mRNA-Impfstoffen ein neues medizinisches Kapitel geöffnet, das von Forschenden und Experten weltweit als extrem vielversprechend für schnellere, günstigere Lösung für eine Vielzahl von Krankheiten gesehen wird.

Worüber wir reden müssen

Ob die Pandemie die Menschheit in ihrer Gesamtheit näher zusammengebracht oder entzweit hat, mag ein Streitthema in vielen Familien und Freundeskreisen bleiben. Die politischen Maßnahmen, die Solidarität untereinander, die Impfpflicht – es wurde viel mit teils harten Bandagen diskutiert. Für so manchen stellen sich nun zum Ende der Pandemie Fragen nach Lektionen, die wir als Individuen oder Gesellschaft vielleicht gelernt haben, nach Konsequenzen und der Verantwortlichkeit von Politik und Entscheidungsträgern und nach Perspektiven in einer post-pandemischen Welt. Und in der allerorts herrschenden Aufbruchsstimmung zurück in ein normales Leben ist für die meisten klar: Ja, es gibt Dinge, über die wir reden sollten, reden müssen.

Globale Ungleichheit: Während es in Europa leicht ist, auf die weniger privilegierten Teile der Welt zu vergessen, waren auch diese von der Pandemie betroffen. Und das in vielerlei Hinsicht schwerwiegender. Bei uns freuten sich viele, im ersten Lockdown ein wenig zu entschleunigen und selbst Brot zu backen. Andere waren von massiven Einkommensverlusten betroffen, waren einsam oder mussten trotz Kurzarbeit volle Arbeitsleistung erbringen. Insgesamt jedoch sind die meisten glimpflich durch die Pandemie gekommen, zumindest im internationalen Vergleich. Laut einer Studie der Weltbank sind alleine im ersten Covid-Jahr 2020 97 Millionen Menschen weltweit als Resultat der Pandemie in die Armut gestürzt. Weltweit nahm die häusliche Gewalt gegen Frauen massiv zu. Viele internationale humanitäre Programme wurden eingestellt oder unterbrochen, was abermals zu Millionen unterversorgten Menschen geführt hat. In vielen Ländern gab es keine finanziellen Hilfen und Unterstützungen, und unzählige Jobs und Lebensunterhalte gingen so verloren. Autoritäre Regimes auf allen Kontinenten nutzten die Covid-Krise als Vorwand für restriktive, teils brutale Maßnahmen zur Festigung der eigenen Macht. All das sind Dinge, die wir weder vergessen noch ignorieren dürfen und die einer globalen Aufarbeitung bedürfen. Denn Krisen jeder Art sind vulnerable Zeiten für Demokratie und Menschenrechte und der Zweck heiligt nicht jedes Mittel

Unser Umgang miteinander: Empathie und Solidarität waren geflügelte Worte während der gesamten Pandemie. Das gemeinsame Ziel war es, die alten, schwachen und vulnerablen Gruppen vor dem Virus zu schützen, indem wir uns alle eine Zeit lang etwas einschränken. Sehr viele Menschen haben gezeigt, dass wir zu Verzicht und Empathie fähig sind. Dennoch stehen wir drei Jahre später vor den Schäden, die wir durch mangelnde Achtsamkeit und Empathie nicht verhindert haben. Die psychologischen Schäden bei einer großer Zahl Kinder und Jugendlicher, die Einsamkeit vieler alter Menschen, die fast zwei Jahre lang von ihren Familien abgeschottet waren. Der Umgang geimpfter und nichtgeimpfter Bevölkerungsgruppen miteinander. Viel Glas wurde zerschlagen und es liegt an uns allen, diese Probleme nicht unter den Tisch zu kehren und durch Dialog, Verständnis und Aufarbeitung die Risse zu reparieren.

Systemerhalter: Wenn es eine Sache während der Pandemie geschafft hat, zu einer zynischen Metapher zu werden, ist "Klatschen um 18 Uhr" ganz vorne dabei. Zweifelsohne war es eine anfangs gut gemeinte Geste, den Menschen Respekt zu zollen, die unser Land tagtäglich am Laufen halten. Doch mit andauernder Pandemie wurde das Klatschen leiser, weitere politische Handlungen oder gar finanzielle Anerkennungen folgten nicht nach, und so wurde aus "gut gemeint" ein reines Lippenbekenntnis. Eine beträchtliche Anzahl von Menschen arbeitet drei Jahre später immer noch unterbezahlt in relevanten Berufen, und es ist höchste Zeit, auf das Klatschen reale Verbesserungen und Anerkennung folgen zu lassen.

Nach diesem Rückblick bleibt nun nur eines: zu hoffen, dass diese Pandemie für uns alle die letzte war und wir einen (gemeinsamen) positiven Weg nach vorne finden. (Lisa Duschek, 11.3.2023)