Ein Ellenbogen im Gesicht, ein Knie im Rücken, auf der anderen Seite kommt der Rand des Bettes gefährlich nah, und mit dem Kopf liegt man überhaupt schon auf dem Nachtkastl. Wer mit Kindern im Bett schläft, hat selbst oft nur einen Bruchteil des Bettes zur Verfügung. Denn Kinder suchen Nähe, sind im Schlaf sehr aktiv – aber viele Betten sind schlichtweg nicht groß genug für eine ganze Familie.

Zu dritt auf 2,40 Meter – Julia Wagner schläft mit Mann und Kind im Bett: "Unser Bett ist 2,40 Meter breit. Seit der Geburt unseres Sohnes vor 1,5 Jahren schlafen wir alle darin. Unser Sohn schläft am liebsten auf oder an mir und dreht sich nachts oft um 360 Grad. Manchmal haben ich oder mein Mann seine Füße im Gesicht. Nach der Geburt wurde uns empfohlen, dass er nicht bei uns im Bett schlafen sollte, das haben wir probiert, aber es hat nur zehn Minuten geklappt. Er braucht viel Nähe, und ich schlafe dann auch besser."
Foto: Marie Jecel/istock

Und trotzdem gibt es immer mehr Familien, die wieder gemeinsam mit den Kleinkindern schlafen wollen, vor allem aus praktischen Gründen. "Man kann nicht erwarten, dass ein Kind in den ersten drei Jahren durchschläft. Doch die Nächte müssen kein reines Überleben sein. Auch Eltern dürfen auf ihre Bedürfnisse achten", sagt die Schlafberaterin Doris Fink.

Für eine erholsame Nacht sollte jedes Familienmitglied laut Untersuchungen mindestens 70 bis 90 Zentimeter zur Verfügung haben, dann spricht man von einem Familienbett. Die Nachfrage nach diesen XL-Betten steigt, ob selbstgebaut oder gekauft. Rima, der erste Hersteller von Familienbetten im deutschsprachigen Raum, kommt aus der Steiermark und verkauft die Betten mittlerweile in ganz Europa. Sie sind 2,70 Meter breit und können beliebig vergrößert werden – vor ausgesetzt, im Schlafzimmer ist genug Platz.

Das "Mama-Papa-Bett" – Luise Schwendner* schläft mit Mann und Kind auf 1,60 Metern: "Wir haben immer wieder versucht, unseren Sohn an sein eigenes Bett zu gewöhnen, das direkt neben unserem im Schlafzimmer steht. Es hat leider nicht geklappt, er will spätestens nachts immer ins "Mama-Papa-Bett", wie er es nennt. Heute wünschte ich mir, wir hätten längst ein Familienbett gekauft. Ich denke mir aber immer noch, dass es nur noch eine Frage von Wochen oder Monaten ist, bis er nicht mehr bei uns schlafen will. Und das mit dem Sex ist natürlich auch ein Thema. Wir haben eine Zweizimmerwohnung und haben schon gewitzelt, dass wir unseren Dreijährigen im Wohnzimmer hinlegen könnten, um mal wieder Sex in unserem Bett zu haben." *Name geändert
Foto: Marie Jecel/istock

Damit entspricht das Familienbett auch den vielen Anforderungen, denen junge Eltern heute gerecht werden müssen, sagt Rima-Gründer Matthias Pfützner: "Sie wollen bedürfnisorientiert erziehen, mit ihren Kinder kuscheln und ihnen Nähe geben. Gleichzeitig wünschen sie sich Raum für sich selbst und wollen nicht gerädert aufwachen, weil sie schließlich am nächsten Tag arbeiten müssen." Pfützner selbst hat vier Kinder und hat das erste Rima-Familienbett aus eigener Not heraus für seine Familie entwickelt.

Vor allem Säuglinge suchen nachts instinktiv Nähe zu ihren Eltern – denn bevor es Häuser gab, wären sie ohne die schützende Nähe eines Erwachsenen von wilden Tieren verschleppt worden. Noch heute wird das Teilen des Bettes in vielen Kulturen der Welt prak tiziert – und auch hierzulande erscheint es vielen Eltern intuitiv richtig. Dennoch sind viele besonders beim ersten Kind besorgt. Grund dafür ist der plötzliche Kindstod (SIDS, "sudden infant death syndrome"). Die Ursachen sind bis heute nicht abschließend geklärt, deshalb werden Eltern von Säuglingen von Geburt an vor bestimmten Risikofaktoren gewarnt.

Im Familienbett sollte jede Person mindestens 70 bis 90 Zentimeter Platz haben, raten Schlafberaterinnen.
Foto: rima

Wurde früher generell vom sogenannten Co-Sleeping abgeraten, weiß man es heute besser: Wenn das Kind in einem Schlafsack und ohne schwere Decken, Polster und Kuscheltiere auf einer festen Matratze schläft, einen eigenen Bereich im Familienbett hat und die Eltern nicht stark rauchen oder alkoholisiert sind, ist das Risiko für den plötzlichen Kindstod nicht erhöht, vor allem nicht bei Stillkindern. Sie haben, ebenso wie ihre Mütter, hormonell bedingt einen leichteren Schlaf, und ihr Körper wird durch das Saugen an der Brust insgesamt mit mehr Sauerstoff versorgt. Stillen beeinflusst auch bei den Müttern die Reaktionsfähigkeit mit dem Neugeborenen – das alles reduziert das SIDS-Risiko.

Nachts nicht aufstehen

Gerade für stillende Mütter hat das Familienbett viele Vorteile. Wenn sie nicht aufstehen müssen, um das Kind nachts an die Brust zu legen, schlafen sowohl Mutter als auch Kind viel schneller wieder ein oder werden teilweise erst gar nicht richtig wach. Die Mütter erinnern sich am nächsten Tag gar nicht daran, wie oft sie nachts gestillt haben.

Abgestimmte Schlafzyklen – Judith Lengauer schläft direkt neben ihrem Baby: "Unser Sohn ist 7,5 Monate alt, und ich stille ihn. Weil er direkt neben mir liegt, muss ich nachts nicht aufstehen. Das ist ein großer Komfortfaktor für mich, dadurch schlafen wir alle besser. Die Nächte sind ja ohnehin schon kurz. Ich merke auch, dass ich immer wach werde, kurz bevor unser Sohn aufwacht. Unsere Schlafrhythmen sind wirklich gut aufeinander abgestimmt. Wir haben ein Doppelbett und haben daneben noch ein Kinderbett aufgestellt."
Foto: Marie Jecel/istock

Zudem passen sich der Schlaf des Stillkindes und der der Mutter aneinander an. Aus Studien ist bekannt, dass Mütter meist schon ein paar Minuten vor ihren Kindern aufwachen und so nicht aus dem Tiefschlaf gerissen werden. Laut Schlafberaterin Bettina Dutzler stärkt das gemeinsame Schlafen die Bindung zwischen Kind und Eltern, führt zu weniger Albträumen und Wachphasen beim Kind sowie zu einem besseren Schlaf im Erwachsenenalter.

Zu zweit im Doppelbett – Angelika Burgsteiner teilt das Bett mir ihrer Tochter: "Anfangs habe ich versucht, meine heute achtjährige Tochter an ihr Zimmer zu gewöhnen. Also habe ich sie dort ins Bett gebracht und teilweise auch bei ihr geschlafen. Später ist sie dann immer nachts zu mir ins Zimmer gekommen. Seit Beginn der Pandemie will sie nun gar nicht mehr allein in einem Zimmer sein, also schlafen wir zusammen im Doppelbett. Mich stört es nicht, irgendwann, wenn sie so weit ist, wird sie von allein ausziehen."
Foto: Marie Jecel/istock

Dennoch haben sich bei uns vor etwa 100 Jahren eigene Betten und Zimmer für Kinder etabliert. Viele Eltern haben selbst das Bedürfnis oder spüren aus ihrem Umfeld den Druck, ihre Kinder an das eigenständige Schlafen zu gewöhnen. "Du verziehst dein Kind", heißt es dann. Doch das gilt heute als überholt. Kinder müssen nicht zur Selbstständigkeit erzogen werden, indem man sie oft unter Tränen ans eigene Bett gewöhnt. "Jedes Kind wird irgendwann aus dem Elternbett ausziehen, Kinder streben von Geburt an nach Autonomie", sagt Schlafberaterin Fink. Heute weiß man: Haben Kinder einen sicheren Hafen, in den sie jederzeit und bedingungslos zurückkehren können, entwickeln sie ein Urvertrauen, und das ist der perfekte Nährboden für eine mutige Entwicklung zur Eigenständigkeit.

Viele Einzelmatratzen – Jana Breuer* praktiziert ein flexibles Bettenmodell: "Unsere Schlafsituation ändert sich ständig. Mein Mann hat uns ein Familienbett gebaut. Aber als das Baby kam, hat es den Großen nachts oft geweckt. Also ist mein Mann mit ihm ins Kinderzimmer ausgewandert. Dort nimmt er sich die obere Matratze aus dem Stockbett und legt sie auf den Boden neben meinen Sohn. Das Modell der flexiblen Ma tratzen hat sich sehr bewährt, manchmal schläft auch einer auf dem Boden im Wohnzimmer." *Name geändert
Foto: Marie Jecel/istock

"Jede Familie muss selbst entscheiden, welche Schlafsituation sich für sie richtig anfühlt", sagt Dutzler. Und laut Fink brauche es auch kein Familienbett, um dem Kind gerecht zu werden. Denn freilich passt das Modell nicht für alle. Wenn etwa ein Familienmitglied schnarcht oder Kinder sich gegenseitig aufwecken, entscheiden sich viele Familien dafür, dass jeweils ein Elternteil mit einem Kind in einem Zimmer schläft. Bei größeren Kindern ist es auch eine Option, dass Geschwister sich ein Bett im Eltern- oder Kinderzimmer teilen.

Und viele Eltern wollen schlichtweg mehr Privatsphäre, wobei das Familienbett nicht das Ende des Sexlebens bedeuten muss. Die nötige Kreativität bei der Ortsfindung fürs Schäferstündchen würde die Beziehung sogar anregen, berichten Familien, und auch prinzipiell gibt das größere Bett den Paaren mehr Raum zum Kuscheln – es entsteht wieder eher ein Miteinander als Familie, als wenn ein Elternteil jede Nacht auswandert, weil der Platz im Bett zu knapp ist. (Bernadette Redl, 8.3.2023)