Die Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen, die mittels kleiner Boote nach Großbritannien kommen, hat sich bereits im vergangenen Jahr verschärft. Die politische Debatte folgt dabei dem bekannten Argument, dass Personen, die bereits sichere Länder durchquert haben, keinen Anspruch auf ein Asylverfahren in England haben sollten. Nun wurden von der Regierung die ersten Teile eines Gesetzes vorgestellt, in dem festgelegt werden soll, dass illegal eingereiste Asylsuchende entweder in ihr Herkunftsland oder in einen Drittstaat wie Ruanda gebracht werden sollen.

Die britische Innenministerin Suella Braverman präsentierte konkretere Informationen zu dem geplantem Gesetz, mit dem illegal eingereiste Asylsuchende direkt abgeschoben werden sollen.
Foto: REUTERS/Peter Nicholls

Schon unter Boris Johnson wurde der Ruanda-Plan ausgehandelt, bei dem sich die beiden Länder darauf verständigten, illegal eingereiste Flüchtlinge nach Ruanda abzuschieben, um sie einen Antrag auf ruandisches Asyl stellen zu lassen. Das Vorhaben, einen Flüchtling nach diesem Vorgehen zu behandeln, wurde damals von einem britischen Höchstgericht als zulässig erkannt, aber im letzten Moment vom Europäischen Gerichtshof verhindert.

Ein Gesetz im Namen der "Fairness"

Noch vor der parlamentarischen Diskussion über das Gesetz veröffentlichte das Innenministerium eine Videobotschaft der Innenministerin Suella Braverman, in der sie davon spricht, dass Personen, die über sichere Drittstaaten in das Vereinigte Königreich einreisen, sich zukünftig nicht mehr werden "vordrängeln" können. Aufgrund der hohen Zahl von über 45.000 Flüchtlingen, die auf diesen "unfairen" Weg in das Vereinigte Königreich kämen, bestünde ein dringender Handlungsbedarf.

Haft ohne richterliche Prüfung

In einer ersten Präsentation des Gesetzes am 7. März im britischen Parlament nannte Braverman die Unterstützung für Flüchtlinge aus Hongkong, der Ukraine und Afghanistan als positive Beispiele für die britische Asylpolitik. Dem gegenüber stellte sie Asylsuchende, die einen Antrag stellen würden, obwohl sie bereits sichere Drittstaaten durchquert hätten.

Mit dem neuen Gesetz soll im Falle einer illegalen Einreise eine Inhaftierung für 28 Tage ohne richterliche Prüfung erfolgen und ein Abschiebeprozess eingeleitet werden. Ausgenommen davon seien nur Personen unter 18 Jahren, Menschen, deren gesundheitlicher Zustand einen Flug nicht zulasse, sowie Asylsuchende, denen bei einer Abschiebung in den anderen Staat Gefahr drohe. Alle weiteren Einwände bei einem Asylverfahren sollen erst nach der erfolgten Abschiebung vorgebracht werden können.

Braverman kündigte an, dass – sobald das "small boats problem" gelöst sei – das Parlament zukünftig entscheiden soll, wie viele Asylsuchende pro Jahr aufgenommen werden sollen.

Die Labour-Partei kritisierte den Gesetzesvorschlag heftig und bezeichnete ihn als nicht umsetzbar. Der Abgeordnete John McDonnell ortete insbesondere in der "aufwieglerischen Sprache" der Innenministerin eine Gefahr für Asylsuchende in Großbritannien. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nannte den Vorschlag in einer ersten Reaktion auf Twitter ein "Desaster", bei dem sich vor Verantwortungen weggeduckt werde.

Menschenrechtskonvention auf dem Prüfstand

Bei dem angekündigten Gesetz stellte sich bereits vorab die Frage, inwiefern dieses mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbart werden kann. Während ein Sprecher des Premierministers Rishi Sunak versicherte, dass solch ein Einklang hergestellt werden könne, soll laut "Sunday Times" der Premierminister selbst dazu bereit sein, als letzte Lösung aus der Konvention auszutreten.

Diese Option wurde von Simon Clarke, dem ehemaligen Kabinettsminister der Torys, im britischen Parlament explizit ausgesprochen: Wenn das Gesetz von der EMRK blockiert werde, müsse man eben aus der EMRK austreten. Dies würde bedeuten, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine Rechtsprechung im Vereinigten Königreich mehr hätte. (Tizian Rupp, 7.3.2023)