Wien – Mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Cover startete "Profil" am Wochenende in eine neue Ära: Anna Thalhammer fungiert seit 1. März 2023 als Chefredakteurin des österreichischen Nachrichtenmagazins. Die ehemalige "Presse"-Chefreporterin ist die erste Frau an der Spitze des 1970 von Oscar Bronner gegründeten Magazins. Thalhammer folgt auf Christian Rainer, der von 1998 bis Februar 2023 Chefredakteur und Herausgeber war.
STANDARD: Wie waren die Reaktionen auf Ihr erstes Cover als Chefredakteurin? Es hat ja durchaus für Diskussionen gesorgt und polarisiert.
Thalhammer: Ich finde, dass die Reaktionen gut waren, weil man wieder ausführlich über "Profil" gesprochen hat, und das ist prinzipiell wünschenswert.
STANDARD: Ist das Ziel der Neupositionierung, für mehr Aufregung, für mehr Diskussionen zu sorgen?
Thalhammer: Welches Medium möchte es nicht, dass darüber diskutiert wird, und will nicht Geschichten schreiben, die relevant und Gesprächsthema sind?
STANDARD: Auf der einen Seite wurde kritisiert, dass man die Krankheit eines Politikers so prominent aufs Tapet bringt, dass es schon in Richtung eines Boulevardmediums geht.
Thalhammer: In dem Fall war es so, dass Hans Peter Doskozil gewusst hat, worum sich dieses Interview dreht. Wir haben keine Geschichte über ihn gemacht, sondern ihn befragt, und er hat selbst die Möglichkeit ergriffen, über eine Frage zu sprechen, die sich viele Leute stellen.
STANDARD: Und das am Wochenende der Landtagswahl in Kärnten zu machen und die schwelende Führungsdebatte in der SPÖ zu befeuern, war das Kalkül?
Thalhammer: In dieser Woche haben sich sehr viele Medien diese Frage gestellt, weil sie einfach relevant ist. Wir berichten über Dinge, die da sind, und dass es in der SPÖ schon länger eine Führungsdebatte gibt, die sich zuspitzt, ist ja evident und nichts, was Journalisten hervorzaubern.
STANDARD: Wie soll sich "Profil" mit Ihnen als Chefredakteurin positionieren? Wird es generell mehr in Richtung Politik und weniger um Softthemen gehen? Viele "Profil"-Cover der Vergangenheit haben sich um Themen rund um Gesundheit und Wissen gedreht. Rückenschmerzen etwa.
Thalhammer: Ich habe vor, stärker die politische Seite zu betonen und die Politikberichterstattung wie Wirtschaftsberichterstattung auszubauen. Aber auch Gesellschaft und Kultur sind ja gesellschaftspolitisch relevant. Was dann am Ende am Cover ist, wird von Woche zu Woche entschieden. Es sollte die stärkste Geschichte sein, logisch.
STANDARD: Aber grundsätzlich soll es schon mehr in Richtung Investigativjournalismus gehen?
Thalhammer: Investigativjournalismus in Bereichen wie Politik und Wirtschaft war schon immer ein Markenzeichen von "Profil". Das soll es auch bleiben.
STANDARD: Apropos Wirtschaft, die Sie neu aufstellen wollen: Michael Nikbakhsh, langjähriger Wirtschaftsressortleiter, hat "Profil" verlassen. Was hat Ihnen bei der Wirtschaftsberichterstattung nicht gepasst?
Thalhammer: Wenn man als eines der wichtigsten Politikmedien des Landes gesehen werden will, braucht man eine breite Wirtschaftsberichterstattung, und ich denke, dass das ausbaufähig ist, wenn die Entscheidungsträger dieses Landes das Magazin lesen sollen. Und das hätte ich gerne.
STANDARD: Was heißt breiter?
Thalhammer: Es war bis jetzt relativ schmal. Das hatte damit zu tun, dass sich Michael Nikbakhsh bei "Profil" auf die Investigativthemen konzentriert hat, die oft mehr im politischen als im wirtschaftlichen Bereich waren. Da gab es dann nur mehr wenige Ressourcen, um andere Geschichten zu machen. Das soll sich ändern.
STANDARD: Was ist aus Ihrer Sicht die größte Baustelle, die "Profil" hat?
Thalhammer: Digital. Da wurden in den letzten Jahren viele Sachen nicht weiterentwickelt. Das hat mit den Verkäufen und mit dem Herumgeschiebe dieses Magazins zu tun. Von "News" zu "Kurier" zuletzt. Wir müssen bei Digital technisch und redaktionell aufholen, was aufgrund dieser Vorgänge zu wenig angegangen wurde.
STANDARD: Wird es auch einen eigenen Onlinechefredakteur oder eine -chefredakteurin geben?
Thalhammer: Derzeit nicht, ich bin mit zwei Stellvertretern sehr zufrieden. Das lasse ich mir noch offen. Ich stelle einmal das Team so auf, wie ich glaube, dass es funktioniert, und dann werden wir adaptieren.
STANDARD: Laut Zahlen der Österreichischen Webanalyse hatte profil.at im August 2022 385.000 Unique User. Das war kurz vor dem Relaunch. Im Jänner 2023 waren es weniger als 250.000. Warum gab es diesen Absturz?
Thalhammer: Wir sind noch in der Analysephase, was nach dem Relaunch im September passiert ist. Da ist technisch einiges schiefgegangen, das werden wir reparieren. Ein anderer Grund ist, dass "Profil" im Sommer dünner besetzt war, es gab also auch weniger Content.
STANDARD: Wenn das repariert ist und wieder Reichweite aufgebaut wird: Kommt dann die Paywall?
Thalhammer: Die Paywall kommt, dafür gibt es auch eine Förderung. Aber noch nicht jetzt. Zuerst müssen wir uns redaktionell neu aufstellen. Die Paywall ist frühestens in ein paar Monaten ein Thema. Grundsätzlich bin ich aber dafür. Ich halte wenig davon, Inhalte zu verschenken. Qualitätsjournalismus kostet.
STANDARD: Wie soll das in der Praxis funktionieren? Man schreibt die Geschichten für Online und schaut dann erst, was ins Magazin kommt?
Thalhammer: Tageszeitung und digital geht ja noch irgendwie von den Geschwindigkeiten. Wochenmagazin und digital ist eine noch größere Challenge, wir werden es aber machen müssen. Mit einem Onlineteam, das vorrangig Content produzieren wird. Es wird Auskoppelungen aus Geschichten geben und Redakteure, die jetzt noch nur für Print arbeiten, werden dann auch Onlineartikel schreiben. Mit einer guten Planung kann man auch mit knappen Ressourcen viel bewegen.
STANDARD: War das die Vorgabe an Sie, dass Online forciert und ausgebaut werden muss?
Thalhammer: Ja, es hat schon Gespräche gegeben, dass man sich in dem Bereich Fortschritte wünscht. Es ist für jeden ersichtlich, dass profil.at noch nicht auf dem Stand ist, wo es sein soll. Es ist aber weniger eine Vorgabe, sondern es ist mir ein Anliegen, mit "Profil" und all seinen Produkten im 21. Jahrhundert anzukommen und ins 22. vorauszuschauen.
STANDARD: Christian Rainer, Ihr Vorgänger, dürfte ja nicht allzu viel Wert darauf gelegt haben, was man so hört.
Thalhammer: Ich würde gerne weg vom Motto "Jeder macht alles" in Richtung hin zu Gefäßen, und man macht dafür ein paar Sachen gescheiter, dafür auch weniger.
STANDARD: Social Media gehört da auch dazu?
Thalhammer: Ja, es wird einen eigenen Redakteur geben. Wir führen gerade Gespräche. Gerade als Magazin ist es unabdingbar, einen Social-Media-Redakteur zu haben. Kaum jemand tippt www.profil.at ein. Jeder Mitte-Fünfziger schaut zuerst auf Instagram, was los ist, und klickt dann – idealerweise – drauf.
STANDARD: Generell ist der Markt für General-Interest-Magazine, zu denen "Profil" gehört, sehr schwierig. Wo gibt es noch Nischen, die bespielt werden können? "Politico" wird ja immer wieder mal als Vorbild genannt.
Thalhammer: Wie bereits gesagt: Das "Profil" soll schon stark in Richtung Politik gehen, das ist ein Aspekt, der betont wird. Jede Geschichte, die in "Profil" erscheint, muss gesellschaftspolitisch relevant sein. Das wollen wir noch mehr herauskehren. Unser Hauptfokus im Onlinebereich wird Politikberichterstattung sein.
STANDARD: Eigentümer Raiffeisen soll Ihnen und dem "Profil" zwei Jahre Zeit geben, um das Magazin neu aufzustellen. Wo soll es nach zwei Jahren stehen?
Thalhammer: Dieses Ziel wurde von den Eigentümern in zweierlei Hinsicht definiert. Geschäftlich sollen die Weichen in die richtige Richtung gestellt werden. Es gibt ein Bewusstsein, dass sich solche Ergebnisse nicht von heute auf morgen reparieren lassen. Zweitens: Inhaltlich soll "Profil" relevanter werden, das ist die Vorgabe. Es soll wieder mehr über die Geschichten gesprochen werden, "Profil" soll wieder mehr zitiert werden. So wie das früher einmal war. Ich möchte aber nicht über die Vergangenheit sprechen und ihr nachtrauern, sondern den Blick in die Zukunft richten.
STANDARD: Wirtschaftlich gibt es also nicht die Vorgabe, dass "Profil" bereits in zwei Jahren aus der Verlustzone kommen muss?
Thalhammer: Es soll schon aus der Verlustzone kommen. Niemand erwartet aber von uns, dass wir gleich Gewinne abwerfen. Jeder weiß, dass es eine Wirtschaftskrise gibt und dass die Medienbranche unter Druck steht. Ich habe schon das Gefühl, dass Raiffeisen das "Profil" als gesellschaftlichen Auftrag betrachtet, und ich glaube ihnen wirklich, dass sie es möchten, weil sie die Existenz dieses Mediums als relevant betrachten.
STANDARD: Und Geld braucht Raiffeisen aus Medienerlösen ja nicht unbedingt. Gibt es eine Firewall zwischen Raiffeisen als Eigentümer und der Chefredaktion?
Thalhammer: Ich lebe das, wie das jedes anständige, unabhängige Medium macht, dass die Geschäftsführung und die Redaktion getrennt sind. Redaktionell wird nicht mitgeredet. Christian Rainer hat gesagt, dass die Eigentümer nie angerufen haben. Nur einmal im Fall Groër sollen sie nach Erscheinen des Magazins angerufen und sich erkundigt haben, ob die Geschichte stimmt. Mehr nicht. Ich glaube, dass sie tatsächlich kein Interesse haben, sich einzumischen. Die sind froh, wenn sie sich nicht um den Laden kümmern müssen. Dafür gibt es die Geschäftsführung. Dafür gibt es mich. Das wurde mir mehrfach versichert.
STANDARD: Auch nicht, wenn es um die lukrativen Geschäfte von Raiffeisen in Russland geht, wie das kürzlich auch in "Profil" zu lesen war?
Thalhammer: Nein, wir hatten jetzt eine Geschichte zur RBI (Raiffeisen Bank International, Anm.), und vor zwei Wochen auch. Nichts.
STANDARD: Die Befürchtung einiger Redakteurinnen und Redakteure war ja, dass die "Profil"-Geschäftsführung in Form von Richard Grasl das Magazin auf ÖVP-Linie bringen möchte.
Thalhammer: Welche Redakteure waren denn das? Die hier drinnen sitzen oder die draußen in der Bubble?
STANDARD: Sowohl als auch.
Thalhammer: Also Richard Grasl hat mehrfach auch gegenüber der Redaktion betont, dass er sich nicht einmischen wird, und er tut das auch nicht.
STANDARD: Und er ist auch bei keinen Redaktionssitzungen dabei?
Thalhammer: Nein, für ihn gilt das Gleiche wie für Raiffeisen. Er ist froh, wenn das gut erledigt wird, und er hat ja ein breites Betätigungsfeld.
STANDARD: Richard Grasl hat ja damals auch als ORF-Finanzdirektor Wünsche der ÖVP erfüllt. Diese Befürchtung besteht nicht?
Thalhammer: Nein.
STANDARD: Diese Investigativakademie, die Michael Nikbakhsh leiten sollte: Gibt es nach seinem Ausstieg bereits Pläne, wie das Projekt jetzt aufgesetzt wird?
Thalhammer: Ich habe bereits mehrfach gesagt, dass ich es sehr schade finde, dass er das nicht macht. Das Programm war gut, und der Absprung ist für uns doch sehr spontan gekommen. Es gibt Gespräche, aber noch keine Details, wie es weitergehen könnte.
STANDARD: Seinen Ausstieg hat er damit begründet, dass bei einer gemeinsamen Sitzung mit Richard Grasl, "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon und Ihnen davon die Rede gewesen sein soll, dass es wichtig sei, dass nicht nur Linke als Referentinnen und Referenten auftreten sollen. War das so?
Thalhammer: Das habe ich jetzt auch schon mehrfach gesagt. Ich habe das so nicht wahrgenommen. Ich habe gefunden, dass das Gespräch vollkommen in Ordnung war. Mir wäre nicht aufgefallen, dass es dort Verstimmungen gegeben hat. Ihm ist offenbar etwas sauer aufgestoßen. Im Übrigen erst zwei Wochen später. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Außer dass ich es schade finde, dass es geplatzt ist, weil ich ihn für einen sehr guten Journalisten halte und es den jungen Journalistinnen und Journalisten viel gebracht hätte, von ihm zu lernen.
STANDARD: Der "Falter" (3,8 Prozent Reichweite) hat "Profil" (3,3 Prozent) laut Media-Analyse überholt. Ist das ein Ansporn für Sie, das verlorene Terrain zurückzuerobern?
Thalhammer: Natürlich ist es mein Plan, den "Falter" wieder abzuhängen. Wie lange es dauert, werden wir sehen. Grundsätzlich spornt Konkurrenz immer an – im positiven Sinne. Ein sportlicher Wettbewerb ist ja etwas ganz Schönes. Diese Woche hat man zum Beispiel mehr über das "Profil"-Cover als über das "Falter"-Cover geredet. Wir haben einen Punkt gemacht (lacht).
STANDARD: Der "Falter" ist in Sachen Selbstvermarktung ein Vorbild, haben Sie gesagt. Macht das der Florian Klenk mit seiner Reichweite?
Thalhammer: Ja, aufgrund seiner Reichweite, aber auch weil er sich unter die Leute mischt, durch die Bundesländer tourt, da und dort seine Lesungen hat. Das muss man ihm ohne Neid lassen, das macht er gut.
STANDARD: Ihr Hearing vor der "Profil"-Redaktion hat es bereits gegeben, die Abstimmung über Sie als Chefredakteurin erfolgt dann erst in ein paar Wochen. Wie soll das Votum ausfallen, dass Sie zufrieden sind?
Thalhammer: Möglichst gut natürlich. Prozentuell habe ich mir kein Ziel gesetzt, das finde ich kindisch, aber je stärker das Votum, desto stärker ist natürlich die Chefredaktion. Das wäre ein gutes Backup. Theoretisch könnte ich mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt werden, wovon ich nicht ausgehe, weil ich die Stimmung als sehr gut und das Team als sehr motiviert erlebe. Ich wurde sehr freundlich empfangen.
STANDARD: Ihr ehemaliger Chefredakteur bei der "Presse", Rainer Nowak, ist über zu viel Nähe zur Politik gestolpert. Wie sieht es bei Ihnen mit der Distanz zu Politikerinnen und Politikern aus?
Thalhammer: Da tue ich mir recht leicht, weil ich nie die Nähe zu Spitzenpolitikern gesucht habe, ich fand es redaktionell meist wenig ergiebig. Ich habe immer das Gefühl gehabt, die erzählen mir eh nichts – und nur das, was der Pressesprecher auch sagt. Das zahlt sich gar nicht aus, dass man da Kontakt knüpft. Ich habe mich auf anderen Ebenen bewegt und werde das auch weiter tun. Ich habe einen einzigen Freund, der Politiker ist. Ein SPÖ-Bezirksrat in Wien, okay. Das war es.
STANDARD: Ist das Ihr Credo?
Thalhammer: Nähe und Distanz ist in diesem Bereich ein sehr schmaler Grat. Einerseits möchte man schon Informationen aus erster Hand, dafür braucht man eine Vertrauensbasis, sonst erzählt dir niemand was. Auf der anderen Seite gibt es rote Linien, die man nicht überschreiten darf. Das ist sehr eng und in Österreich sehr schwammig. Zu mir hat ein Richter vor einiger Zeit gesagt: Wissen Sie, Frau Thalhammer, im Leben trifft man sich immer zweimal, sagt man, aber in Wien trifft man sich in der Woche dreimal. Und das ist das Grundproblem dieses Landes. Das bringt es gut auf den Punkt. Wenn du völlig auf Distanz gehst und alle anderen tun das nicht, wo spielst du dann im Rennen um gute und exklusive Geschichten mit? Das Innenpolitikparkett in Österreich – und sich darauf als Journalist zu bewegen: Es ist einfach, darauf auszurutschen.
STANDARD: Sie kommen in einer für österreichische Verhältnisse ruhigen Politikzeit ans Ruder von "Profil". Chats sind keine neuen in Sicht, Corona ist nicht mehr das große Thema, und die Regierung steht nicht vor dem Rücktritt. Wird es da schwieriger mit der Relevanz?
Thalhammer: Das Schöne an so einem Produkt wie "Profil" ist, dass du Sachen hintergründig erklären und beleuchten und in die Tiefe recherchieren kannst. Man braucht nicht immer den Megaaufreger. Es wird schon wieder aufregend, und seien wir in diesem Land doch auch einmal froh, wenn es etwas ruhiger ist. Ich finde die Dauerempörung auch anstrengend.
STANDARD: Wie legen Sie die Rolle als Chefredakteurin an? Wird es die Zeit erlauben, weiter an Investigativgeschichten zu arbeiten und sie auch zu schreiben?
Thalhammer: Dass mein Herz für solche Geschichten schlägt, habe ich in meiner eigenen Vita gezeigt. Prinzipiell würde ich schon gerne schreiben, es gibt aber viele Baustellen, und man wird sehen, wie es sich ausgeht. Was ich aber machen möchte, ist, mich intensiv um Geschichten zu kümmern, Informationen beizusteuern. Ich habe gute Kontakte, dieses Netzwerk würde ich gerne weiter pflegen und nicht verlieren. Ob ich die Geschichten dann in einem mehrstündigen Schreibprozess aufs Papier bringe oder jemand anderer in Kooperation mit mir, wird man sehen. Dieser sechs-, siebenstündige Block, dass ich jetzt eine 20.000-Zeichen-Geschichte schreibe, wird schwierig. Wir werden sehen.
STANDARD: Wie sieht es mit Repräsentationsaufgaben aus. Werden Sie sich in die Runde der Chefredakteurinnen setzen?
Thalhammer: Wenn ich eingeladen werde, natürlich.
STANDARD: Ihr Vorgänger, Christian Rainer, war ja in der Öffentlichkeit sehr präsent, wenn auch oft auf anderen Parketten. Ein Vorbild?
Thalhammer: So unterwegs zu sein wird sich bei mir zeitlich nicht ausgehen. Auch aus familiären Gründen nicht. Ich habe ein kleines Kind und kann nicht fünf Abend die Woche irgendwo sein.
STANDARD: Was bedeutet es Ihnen, die Männerriege an der Spitze der Redaktion zu durchbrechen und die erste Chefredakteurin des "Profil" zu sein?
Thalhammer: Darauf bin ich schon stolz. Das ist eine große, schöne Aufgabe. Ich habe jungen Kolleginnen immer gesagt: Wenn euch etwas angeboten wird wie Auftrittsmöglichkeiten bei Diskussionen, nehmt euch die Bühne. Ich habe es getan, mich getraut, und hoffe, dass es noch viele weitere Frauen gibt, die in dieser Branche in Chefpositionen landen.
STANDARD: Sie haben in einem Interview gesagt, dass männliche Kollegen bei so einem Angebot wahrscheinlich nicht gezögert hätten und sich nach dem Dienstwagen und dem Diensthandy erkundigt hätten, Sie aber länger überlegen mussten. Warum?
Thalhammer: Es war ein großer Karrieresprung. Ich war davor in keiner Chefredaktion. Und es kam für mich sehr überraschend, weil sich das nicht abgezeichnet hat und ich mich bei der "Presse" sehr wohlgefühlt habe. Auf der anderen Seite sieht man, was solche Aufgaben zeitlich bedeuten. Ich habe ein kleines Kind und keine Großeltern in Wien. Das muss man sich gut überlegen. Prinzipiell finde ich, dass sich Männer auch etwas leichter tun, solche Sprünge zu machen, weil sie normalerweise bereits ein gutes Netzwerk haben und somit Gleichgesinnte, an denen man sich festhalten und orientieren kann. Bei Frauen ist das halt noch nicht ganz so. (Oliver Mark, 8.3.2023)