Die männliche Skabiosen-Langhornbiene verfügt über lange Fühler. Sie ist sehr selten geworden.
Foto: Heinz Wiesbauer

Bienen gelten als fleißige Tiere. Sie sammeln Pollen, bestäuben Bäume und Blumen und liefern köstlichen Honig. Was dabei übersehen wird: Unsere Wahrnehmung ist stark von der Honigbiene geprägt, die als Haustier kultiviert wurde und in Europa die einzige Art ist, die Honig produziert. Ihr gegenüber stehen weltweit über 20.000 bekannte Wildbienenarten.

Anders als die staatenbildenden Honigbienen leben die meisten von ihnen solitär. Die Weibchen sind also als Einzelkämpferinnen für die Errichtung der Brutzellen, das Sammeln von Proviant und die Eiablage verantwortlich. Eine Ausnahme bilden die Hummeln. Sie zählen zu den zehn Prozent der heimischen Wildbienenarten, die eusozial leben, also einen Staat mit Arbeitsteilung gründen.

Das Männchen der Gehörnten Mauerbiene ist kleiner als das Weibchen. Es schlüpft im Zeitraum Ende Februar bis Anfang März und wartet auf potenzielle Partnerinnen.
Foto: Heinz Wiesbauer

Österreich ist klimatisch und geologisch bedingt der Hotspot in Mitteleuropa: Über 700 Arten und damit um etwa hundert mehr als im weitaus größeren Deutschland konnten hier nachgewiesen werden. Größe und Aussehen der verschiedenen Arten könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die kleinsten heimischen Arten, die Steppenbienen, gerade einmal drei bis vier Millimeter messen, bringt es die größte Holzbienenart Xylocopa valga auf fast drei Zentimeter Länge.

Gehörnte Mauerbienen fliegen wieder

Jetzt, Anfang März, stehen bzw. sitzen die ersten Wildbienen buchstäblich in den Startlöchern. Eine der ersten und auffälligsten Arten, die nun wieder beobachtet werden kann, ist die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta). Da die schwarz-orange, pelzige Biene als Imago, also als ausgewachsenes Tier, im Kokon überwintert, schlüpfen die kleineren Männchen teilweise schon im Februar aus ihren Hohlräumen in Mauerritzen, Lösswänden oder künstlichen Nisthilfen, um auf die bald folgenden Weibchen zu warten. Aber auch einige Hummelköniginnen sind nach der Winterruhe bereits wieder anzutreffen.

Die Mohnbiene tapeziert ihr Nest mit Blütenblättern aus.
Foto: Heinz Wiesbauer

Während einige, gut zu beobachtende Arten besser erforscht sind, bleiben das Verhalten und die Lebensweise vieler Wildbienen kurios und rätselhaft. So tapezieren einige Arten wie etwa die Lein- oder Mohnbiene ihre Nistzellen kunstvoll mit bunten Blütenblättern aus. Blattschneiderbienen ummanteln Brut und Proviant mit grünen Blättern. Einige Harzbienen, aber auch die Schwarze Mörtelbiene bauen freistehende Nester aus Pflanzenharz oder mineralischem Mörtel. Andere Arten legen ihr Nest in Schneckengehäusen an, die sie durch die Gegend befördern.

Schneckenhaus als rollendes Rad

"Zu sehen, wie Osmia rufohirta ein Schneckenhaus, das deutlich größer und schwerer als sie ist, wie ein Rad in 20 Minuten zehn Meter weit rollt, ist absolut faszinierend", sagt der Landschaftsökologe Heinz Wiesbauer. Spannend sei auch, dass so viele Informationen genetisch gespeichert seien: "Das Muttertier lernen die meisten Wildbienen nicht kennen, auch leben sie meist solitär. Wie weiß die Biene, wo sie hinfliegen muss, welche Pflanzen sie nutzen muss, was sie zu tun hat?"

Die Rothaarige Schneckenhausbiene rollt die Brutbehausung zig Meter durch die Gegend.
Foto: Heinz Wiesbauer

Gleichzeitig hätten Studien gezeigt, dass manche Hummeln nicht nur Werkzeuge verwenden, um etwa an Pollen zu kommen, sondern gewisse Verhaltensweisen erlernen und sogar von erfahreneren Artgenossinnen abschauen können.

Science Magazine

Kaum jemand kennt den heimischen Wildbienenbestand so gut wie Wiesbauer, der die Tiere seit über drei Jahrzehnten beobachtet, fotografiert und filmt. Allein 510 Wildbienenarten hat er in 1700 Fotos in der mittlerweile dritten Auflage seines Buchs Wilde Bienen festgehalten. Dieses beschreibt nicht nur den Großteil der heimischen Arten, sondern thematisiert auch deren Lebensräume, Gefährdungen und Schutzmaßnahmen.

Gefährdete Bienen

Denn dass die teils hochspezialisierten Wildbienen durch intensive Landwirtschaft, Versiegelung und Klimawandel leiden, liegt auf der Hand. "Wenn man die Kriterien der Roten Liste anwenden würde, müsste man 50 Prozent der Arten als gefährdet einstufen. Bei jeder fünften Art ist der Bestand so weit zusammengebrochen, dass sie kurz vor dem Aussterben steht", erklärt Wiesbauer.

Die Filzige Langhornbiene dürfte in Österreich und Deutschland schon ausgestorben sein. Ein Grund ist, dass ihre Pollenquelle, die Skabiosen, vielerorts im Sommer nicht mehr blühen.
Foto: Heinz Wiesbauer
Heinz Wiesbauer, "Wilde Bienen". 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. € 54,95 / 528 Seiten. Ulmer, Stuttgart 2023.
Foto: Ulmer

Als übermächtige Nahrungskonkurrentin erweist sich in der schon prekären Situation ausgerechnet die Honigbiene. Denn auch wenn sie in den vergangenen Jahrzehnten große Ausfälle durch Pestizide und die parasitäre Varroamilbe verzeichnete, wuchs die Zahl der Honigbienenvölker durch Nachzüchtungen seit dem Jahr 2000 allein in Österreich um 25 Prozent auf 456.000 an. Im selben Zeitraum halbierte sich die Fläche der Brachen, womit die Honig- und Wildbienen bei ihrer Nahrungssuche mehr und mehr eingeschränkt wurden.

Warnung vor der Honigbiene

"Bei der Bestäubung alles auf die Honigbiene zu setzen ist allein aufgrund der Anfälligkeit dieser hochgezüchteten Art keine gute Idee", warnt der Ökologe. Dazu komme, dass sich Wildbienen in der Befruchtung von Kulturpflanzen teilweise als überlegen erwiesen hätten. So fliegen sie auch bei niedrigeren Temperaturen, was gerade bei früh blühenden Obstbäumen essenziell ist.

Da sie Nektar und Pollen sammeln, haben sie zudem einen intensiveren Kontakt mit der Blüte und sorgen bei Besuchen für einen doppelt so hohen Fruchtansatz wie Honigbienen. Schon heute werden Hummeln in Gewächshäusern gezielt zur Bestäubung von Tomaten eingesetzt.

Holzbienen sind die größten Wildbienen-Arten bei uns. Sie können über 2,5 Zentimeter lang werden.
Foto: Heinz Wiesbauer

Als wichtige Maßnahme für alle Bienen plädiert Wiesbauer, artenreiche Blühstreifen, Wegränder und Böschungsflächen stehen zu lassen oder die Mahd zumindest zeitversetzt durchzuführen. Auch die Überdüngung bleibt ein großes Problem, da damit die sonst auf Trockenwiesen vorhandenen 60 bis 100 Blühpflanzen ausradiert werden. Übrig bleibt ein Gras-Löwenzahn-Bestand.

Nistplätze und Nahrungsquellen

Neben dem Nahrungsangebot sind auch Nistmöglichkeiten essenziell. Künstliche Nisthilfen wie die sogenannten "Bienenhotels" sind laut Wiesbauer didaktisch wertvoll, helfen aber nur wenigen hohlraumnistenden Arten. 60 Prozent der Wildbienen sind erdnistend, benötigen daher unbefestigte Erdwege, Feldraine oder andere vegetationsfreie Flächen. Aber auch Lösswände, Erdanrisse und Abbruchkanten im Gelände werden als Nistplätze verwendet.

Die Schwarzbürstige Blattschneiderbiene transportiert ein Blatt in ihren Bruthohlraum.

Foto: Heinz Wiesbauer

In den vergangenen Jahren macht sich zudem der Klimawandel bemerkbar. Während es einigen Gebirgshummelarten schon zu warm wird, machen Hitze, Dürre und Wind auch vielen Pflanzen zu schaffen. "Früher konnte man zwischen Krems und Hadersdorf viele auf Skabiosen spezialisierte Hosenbienen sehen. In den trockenen Sommern sind die wenigen Blüten vertrocknet, sodass die nur im Juli und August fliegenden Bienen verschwunden sind", berichtet der Ökologe. Aber auch die auf Flockenblumen und Disteln spezialisierten Buntbienen sieht man kaum noch.

Gärten und Parks als Rückzugsort

Als unerwartetes Refugium haben sich für einige Arten ausgerechnet naturbelassene Parks, Terrassen und Balkone in der Stadt, aber auch naturnahe Privatgärten erwiesen. Heimische Wildpflanzenarten, die zeitlich versetzt von Frühjahr bis Herbst blühen, sowie Nistmöglichkeiten wie stehengebliebene Markstängel, offene Erdstellen, morsches Holz, Trockenmauern und unverputztes Gemäuer können auch seltenere Arten anlocken.

Kleine Bienen wie die Schilfgallen-Maskenbiene können auch in Stängel nisten.
Foto: Heinz Wiesbauer

"Ich habe das früher für Spielerei gehalten, aber durch meine Erfahrungen in verschiedenen Privatgärten weiß ich heute, dass viele Arten, die in der Kulturlandschaft keinen Platz mehr finden, im Garten ein neues Zuhause bekommen", sagt Wiesbauer. (Martin Stepanek, 11.3.2023)