Radikal kühle Porträts wie "Black Hat #2" (2010) machten Alex Katz zum Star.
Foto: Bildrecht, Wien 2023

Die Hutkrempe wächst über den Bildrand hinaus, eine dunkle Sonnenbrille bedeckt das Augenpaar. Vom Gesicht bleiben eine dünne Augenbraue, Nasenflügel und rosa geschminkte Lippen. Der knallgelbe Hintergrund taucht die Frau in gleißendes Sonnenlicht, vor dem sie sich schützt. Trotz des extremen Close-ups erfährt man nichts über diese Dame. Kein Detail, kein Charakterzug. Komplett cool blickt sie an einem vorbei.

Dass es sich wie bei vielen der Porträtierten von Alex Katz um eine Bekannte handelt, kann fast als nebensächlich erachtet werden – immer zeigt er anonyme Prototypen. Selbst wenn es seine Ehefrau Ada ist, die der New Yorker Künstler bereits hundertfach gemalt hat. Quasi stellvertretend stehen seine Protagonistinnen – es sind überwiegend Frauen – für glamouröse Damen, Diven oder modische Zeitgenossinnen. Mit scharfen Konturen, krassen Farbfeldern und enormer Flächigkeit fängt Katz flüchtige Freizeitmomente ein.

Dieser unverkennbar distanzierte Stil des 1927 in Brooklyn geborenen und als Sohn russischer Einwanderer aufgewachsenen Künstlers gilt nicht ohne Grund als "Cool Painting". Katz zählt zu den bedeutendsten Vertretern US-amerikanischer Malerei der Gegenwart. Anlässlich seines 95. Geburtstags zeigte das Guggenheim Museum in New York 2022 eine umjubelte Retrospektive mit Werken aus über 70 Schaffensjahren, zu der auch Leihgaben aus der Albertina anreisten.

Der 1927 in New York geborene Künstler gilt als stets modisch gekleidet und sehr bescheiden.
Foto: IMAGO / Atilano Garcia

Lieblings-Außenseiter

Nach deren Rückkehr wird nun im Haupthaus des Wiener Museums eine umfassende Retrospektive ausgerichtet – es ist die somit vierte Katz-Ausstellung in den letzten 20 Jahren. Wieso? Das Museum besitzt die in Europa wahrscheinlich größte Sammlung von Werken des umtriebigen Künstlers, der immer noch täglich arbeitet und der Albertina in den letzten Jahren zahlreiche Gemälde und fast sein gesamtes druckgrafisches Œuvre als Schenkung überließ. Einiges stammt auch aus den Sammlungen Batliner sowie Essl. Katz zählt mittlerweile zum Kernbestand des Hauses, weswegen seine Werke laufend in permanenten Präsentationen zu sehen sind.

Alex Katz war lange Zeit ein Außenseiter der Kunstszene und hatte erst in den 1990er-Jahren seinen Durchbruch. Davor wurde der Künstler kaum ernst genommen, man hielt die Kühle seiner Bilder für sonderbar. Die Gegenständlichkeit schien aus der Zeit gefallen. Katz entschied sich gegen den vorherrschenden Abstrakten Expressionismus der 50er und glaubte fest an die Rückkehr der Figur – dennoch zählt Jackson Pollock als sein wichtigstes Vorbild. Heute gilt Katz zwar als ein Vorläufer der Pop-Art, so ganz passt diese Einordnung aber dann auch nicht.

Politische Botschaften sind den Porträts, reduzierten Strandszenen und menschenleeren Landschaftsbildern, die Alex Katz in New York und in seinem Sommerdomizil in Maine einfängt, völlig fremd. Hier: "Beach Stop" (2001).
Foto: Mischa Nawrata, Wien / Bildrecht, Wien 2023

Einzelgänger ohne Inhalt

Der medienscheue Maler ist in keiner Stilrichtung wirklich beheimatet, seine Bilder weisen Einflüsse unterschiedlicher Strömungen auf. Seine scharfkantigen Umrisse sind als Fortsetzung der "Hard-Edge-Malerei" zu verstehen. Genauso wie er die voneinander getrennten Farbflächen des Color-Field-Painting der Abstrakten Expressionisten in die figurative Malerei holte. Die Bildsprache aus Film und Fernsehen sowie die Ästhetik im Breitbildformat großer Werbe-Billboards der 1960er-Jahre spielten wie bei den Vertretern der Pop-Art auch bei Katz eine Rolle. Anders als Warhol und Co interessierte ihn lediglich die Optik, er kam ganz ohne Ironie aus.

Auch politische Botschaften sind seinen Porträts, reduzierten Strandszenen und menschenleeren Landschaftsbildern, die er in New York und in seinem Sommerdomizil in Maine einfängt, völlig fremd. Vielmehr geht es dem Maler um die Oberfläche, weswegen er seine Sujets jeglichen persönlichen Inhalts beraubt und sie selbst als "fad" bezeichnet. "Der Inhalt meiner Malerei ist der Stil", sagte Katz einmal.

Diesen erreicht er mit minutiös und wochenlang vorbereiteten Vorstudien. An den eigentlichen Gemälden arbeitet der Künstler dann nur wenige Stunden. Mit breitem Pinselstrich bringt Katz seine Motive in der Nass-in-Nass-Technik zügig auf die Leinwand.
Die Retrospektive in der Albertina schlägt einen Bogen von frühen Zeichnungen und Drucken über seine Porträts bis zu späteren Cut-outs und Landschaften. Die darin eingefangene Gegenwart scheint ewig, die Figuren alterslos. Die Zeit steht still. (Katharina Rustler, 8.3.2023)