Österreich steht in puncto Gleichstellung nicht gut da. Jede dritte Frau ab dem Alter von 15 Jahren ist von körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen. Die Teilzeitquote bei Frauen mit Kindern unter 15 Jahren liegt bei unglaublichen 73 Prozent, die der Männer nur bei sieben Prozent. Und das übersetzt sich in eine Einkommenskluft, woraus für Frauen später im Leben 44 Prozent weniger Pension entstehen. Einer neuen Analyse zufolge steht Österreich im Europavergleich auf Platz 27 von 30 Staaten hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt.

Die meisten dieser Zahlen sind nicht neu, sie bewegen sich seit Jahren auf diesem Niveau – und langweilen bestimmt viele schon. Für Skandalisierung taugen sie kaum noch. Besser gelingt das, wenn sexistische Begriffe aus Kinderbüchern gestrichen werden sollen oder mit Themen wie "Warum uns das TV mit Gendern nervt", wie die Kronen Zeitung wenige Tage vor dem Frauentag titelte.

Es ist ein Stück weit verständlich, dass ambitionslose Politik, das Beobachten der Ränge bei der Gendergerechtigkeit im Europavergleich oder das Zählen der Femizide, die Vergleiche, ob es im Vergleich zu den Vorjahren etwas besser geworden ist oder nicht, wenig interessieren.

Wo sind ihre frauenpolitischen Visionen? Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP)
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Ändern könnte das etwas, was in Österreich leider völlig fehlt: eine Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft, das Denken in größeren Dimensionen und eine Abkehr von dem ewigen Fokus auf angebliche Beschränkungen und Limitierungen von Freiheiten, sobald über gezielte Maßnahmen gesprochen wird.

Verteilung von Fürsorge

Was könnten solche Visionen sein? Eine gelungene Verteilung von Verantwortung zum Beispiel. Allein die Vorstellung, Männer würden sich im Alltag im selben Ausmaß wie Frauen um Fürsorgearbeit kümmern, lässt erahnen, was das verändern würde. Oder wenn Männer ihren Vorgesetzten klar vermitteln, dass sich mit der Geburt ihres Kindes an ihrem Arbeitsalltag etwas ändern wird und die Forderungen nach qualitativ hochwertigen und ausreichenden Kinderbetreuungsplätzen laufend auch von ihnen kommt. Dass Männer sich für gleichen Lohn für gleiche Arbeit einsetzen, weil es auch für sie nicht akzeptabel ist, ein bestimmtes Einkommen nur aufgrund ihres Mannseins zu bekommen. Größere Ideen gäbe es auch zum Thema Arbeitszeit – und valide Zahlen. Eine kürzlich veröffentliche Untersuchung in Großbritannien zeigte, dass eine Arbeitszeitverkürzung bei 60 Prozent der Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Erwerbsarbeit brachte, wovon vor allem Frauen profitierten.

Die meisten der untersuchten Unternehmen büßten keine Produktivität ein. Ihre Erlöse reduzierten sich kaum, sondern sie stiegen im Durchschnitt sogar um 1,4 Prozent. Es geht also gar nicht um besonders radikale Visionen.

Absolut nicht radikal ist auch der Wunsch nach einer Frauenministerin, die gleichstellungspolitische Ideen und Forderungen zur Diskussion stellt und auf ihre Wirksamkeit hin prüft. Doch Susanne Raab (ÖVP) beschränkt sich meist darauf, Frauen Rollenvorbilder und einen Wechsel in andere Berufe – keine "Frauenberufe" – nahezulegen. Oder Frauen "stärken" zu wollen.

Das ist keine Vision. Das ist einmal mehr, die Verantwortung für Gleichberechtigung auf Frauen selbst zu reduzieren. Und genau das muss sich endlich ändern. (Beate Hausbichler, 7.3.2023)