ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger verteidigte seine Partei im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss stets an vorderster Front.

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Als einzige Partei hat die ÖVP auf eine öffentliche Präsentation ihres Fraktionsberichts zum ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss verzichtet. In dem Bericht, der dem STANDARD vorliegt, entlastet sich die Volkspartei nicht nur auf 122 Seiten selbst von jeglichen Korruptionsvorwürfen, sondern rechnet auch hart mit der Opposition, die den U-Ausschuss eingesetzt hatte, dem grünen Koalitionspartner und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ab.

Ein kurzer Auszug dessen, was darin zu lesen ist: Der U-Ausschuss habe "in keinem Ministerium – bis auf das vormals SPÖ-geführte Bundeskanzleramt – Hinweise auf eine politische Einflussnahme auf Vergabe- und Förderverfahren festgestellt". An die ÖVP beziehungsweise an mit der ÖVP verbundene Personen seien "keine Vorteilsgewährungen oder Kick-Back-Zahlungen erfolgt". Strafrechtliche Ermittlungsverfahren seien lediglich im grün-geführten Justizministerium durch "Weisungen der Bundesministerin politisch beeinflusst" worden. Zusätzlich hätten sich bei der WKStA "fachliche Defizite und Entwicklungen, die das Vertrauen in ein objektives Aufklärungsinteresse beziehungsweise die Wahrung des Objektivitätsgebots in Zweifel ziehen, gezeigt". Der U-Ausschuss habe in keinem ÖVP-geführten Ministerium "Hinweise auf Begünstigung bei der Personalauswahl feststellen können", dies sei nur im einst roten Kanzleramt der Fall gewesen. "Keine durch öffentliche Gelder finanzierte Studien beziehungsweise Umfrageergebnisse seien an die ÖVP weitergeleitet" worden. Vielmehr wurde "das System der Manipulation der Ergebnisse von Meinungsumfragen und Studien mit Beeinflussung der Berichterstattung in Boulevardmedien ("Beinschab-Tool") von der SPÖ entwickelt" und von Thomas Schmid, einst Generalsekretär im ÖVP-geführten Finanzministerium und Vertrauter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, "fortgesetzt" worden. Kurzum: Sämtliche Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP hätten sich nicht erhärtet.

Gänzlich anders sehen das freilich SPÖ, FPÖ, Neos und Grüne in ihren Fraktionsberichten. Von "systematischer Korruption" sprach SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer, FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker ortete "organisierte Korruption" und Neos-Fraktionsführerin sah "Sümpfe der Korruption". Auch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl sieht die ÖVP in seinem Schlussbericht nicht entlastet. Er meinte: "Es wurde sicherlich Korruption festgestellt, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß." Dass das Ausmaß der Erkenntnisse geringer sei als erwartet, liege unter anderem daran, dass Korruption sehr schwer nachzuweisen sei.

"Politik der Strafanzeigen"

Viel Kritik ist in dem Bericht der ÖVP außerdem zum Untersuchungsgegenstand, den Ladungen und Befragungen zu lesen. "Der weite und verfassungsrechtlich bedenkliche Untersuchungsgegenstand und die parteipolitisch motivierten Ladungen" hätten während der Befragungen "zu teilweise ausufernden Geschäftsordnungsdiskussionen" geführt, wird moniert. Nicht darin zu lesen ist, dass oftmals die ÖVP es war, die derlei Geschäftsordnungsdebatten vom Zaun gebrochen hat.

Hart ins Gericht geht die ÖVP in ihrem Bericht einmal mehr mit der "Politik der Strafanzeigen". Ausschussmitglieder der Einsetzungsminderheit hätten damit "eine politisch motivierte Skandalisierung" erreichen wollen. "Besonders beliebt" sei dieses "tückische Vorgehen" bei SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer gewesen. So habe es dieser "auf eine stattliche zweistellige Anzahl an Anzeigen" gebracht.

U-Ausschuss als "Schauprozess"

Was vom U-Ausschuss bleibe, seien "ein enormer Ressourcenaufwand" ohne "relevanten Erkenntnisgewinn" und "ein umfassender Reformbedarf", steht in dem Bericht. Das Gremium lasse sich "rückblickend und gesamthaft als groß angelegtes parteipolitisch motiviertes Manöver beurteilen", das "zu einem Schauprozess" verkommen sei. Der U-Ausschuss sei "ein parteitaktisches Manöver" gewesen – vom Verlangen bis zu den finalen Befragungen.

Reformbedarf sieht die ÖVP in vielen Bereichen. So müssten etwa Grund- und Persönlichkeitsrechte bei der Anforderung, Übermittlung und Verwendung von Akten und Unterlagen stärker berücksichtigt werden. Außerdem brauche es eine Verschärfung der Sanktionen bei der Verletzung des Informationsordnungsgesetzes, insbesondere durch Aktenleaks. Gefordert wird auch eine präzisere Definition des Untersuchungsgegenstandes, eine öffentliche Befragung ausschließlich von Auskunftspersonen im politischen oder öffentlichen Interesse und eine Stärkung der Position des Verfahrensrichters und Verfahrensanwalts.

Eine kritische Auseinandersetzung mit fragwürdigen Vorgängen in der ÖVP, die die Arbeit im U-Ausschuss zutage gefördert hat, bleibt der Bericht schuldig. Auch die strafrechtlichen Ermittlungen, die gegen eine ganze Reihe von mittlerweile zurückgetretenen ÖVP-Politikerinnen und -Politikern und ÖVP-nahen Personen laufen, finden in dem Bericht keine Erwähnung.

"Vieles nicht in Ordnung"

Als Reinwaschung will ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger den Bericht im STANDARD-Gespräch allerdings nicht interpretiert wissen. "Ich will nicht alles reinwaschen, denn ich sage nicht, alles war super. Dass aber die ÖVP pauschal korrupt ist, weise ich strikt zurück", sagt Hanger. "Nicht einmal ansatzweise bewahrheitet" hätten sich nämlich "pauschale Vorwürfe, die permanent erhoben worden sind".

Der ÖVP-Fraktionsführer wolle sich aber "nicht nachsagen lassen, dass wir nicht in der Lage sind, zu reflektieren und die Dinge kritisch zu hinterfragen". In manchen Bereichen könne "man Dinge immer besser machen". So könne man "gerne darüber nachdenken, wie man Personalentscheidungen oder Beschaffungen im öffentlichen Bereich noch besser organisieren kann". Das "Beinschab-Tool" oder auch die "Steuercausa Wolf" wolle er "nicht verteidigen", da sei vieles "nicht in Ordnung" gewesen. (Sandra Schieder, 8.3.2023)