Verfassungsrichter Rami hat zuletzt den ehemaligen Burgschauspieler Florian Teichtmeister vertreten.

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Wien – Nach jüngsten Debatten über die Doppelrolle von Verfassungsrichtern, die auch Anwälte sind, will der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Christoph Grabenwarter, über Änderungen diskutieren. In der "Kleinen Zeitung" vom Mittwoch mahnte Grabenwarter aber die Wahrung der Unabhängigkeit des VfGH ein und plädiert für ein "behutsames Drehen an kleinen Schrauben, flankierende, gut abgestimmte Maßnahmen statt einer einfachen Radikallösung".

Jüngster Anlass für die Diskussion über die Doppelrolle von Verfassungsrichtern ist der auf einem FPÖ-Ticket in den VfGH eingezogene Michael Rami, der früher als Rechtsanwalt auch FPÖ-Politiker und zuletzt den ehemaligen Burgschauspieler Florian Teichtmeister vertreten hat. Rami machte auch damit Schlagzeilen, dass seine Kanzlei Corona-Hilfen bezogen hatte – und er nun als Verfassungsrichter über die Covid-19-Finanzhilfen durch die Cofag mitentscheiden müsste.

Bezug auf Suppan und Brandstetter

"Was seine Doppelrolle am VfGH betrifft, haben wir in der Vergangenheit intern mehrfach versucht, Kollegen Rami zu mehr öffentlicher Zurückhaltung in der Ausübung des Anwaltsberufs zu bewegen", sagte Grabenwarter zur "Kleinen Zeitung". Er sei "vorsichtig optimistisch, dass das nicht ohne Wirkung bleiben wird".

Die Regeln für Befangenheit – "größtmögliches Herausnehmen jener Personen aus Entscheidungen, bei denen auch nur ein Anschein der Befangenheit besteht" – nehme der Gerichtshof sehr ernst. Das habe sich, so Grabenwarter, etwa in den Fällen von Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetters oder ÖVP-Anwalt Werner Suppan gezeigt und werde auch Rami so handhaben. Suppan, der Ersatzmitglied ist, sei in den letzten Jahren "praktisch nie" einberufen worden, berichtete der VfGH-Präsident – dem die Einberufung der Ersatzmitglieder obliegt – im ORF-"Report". Im vergangenen Jahr habe Suppan an keinem einzigen Verfahren teilgenommen.

Befangenheitserklärungspflicht als Möglichkeit

Der Fall Rami zeige aber deutlich die Folgen davon auf, dass Verfassungsrichter in Österreich – anders als etwa in Deutschland – weiter als Anwälte tätig sein dürfen, so der Präsident in der "Kleinen Zeitung". Für eine Änderung der Berufsregeln der Höchstrichter bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit, der Zeitpunkt wäre günstig, stehen doch erst nach 2029 wieder Nachbesetzungen in größerer Anzahl an.

Eine mögliche Maßnahme wäre eine Befangenheitserklärungspflicht, wie es sie bereits de facto in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt – hat jüngst der Präsident des Innsbrucker Oberlandesgerichts, Wigbert Zimmermann, im APA-Interview vorgeschlagen. Er hält die "Gesamtoptik" bei Verfassungsrichtern, die als Anwälte tätig sind, "nicht für optimal".

Zadic will Grabenwarter-Vorschlag diskutieren

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ist offen bezüglich einer Änderungen der Nebentätigkeiten von Verfassungsrichtern. Im Ministerrat meinte sie, ein entsprechender Vorschlag von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter müsse diskutiert werden. Die Unabhängigkeit des Gerichtshofs sei ein hohes Gut. Sie habe da volles Vertrauen in den Präsidenten.

Die Neos sprechen sich jedenfalls für eine ergebnisoffene Debatte aus. Der VfGH habe heute sehr viel mehr Arbeit und Aufgaben als noch in den 1920er-Jahren, meinte Verfassungssprecher Nikolaus Scherak in einer Aussendung. Nicht zuletzt deshalb hätten Verfassungsrichterinnen und -richter in Deutschland, Spanien oder Belgien, aber auch am EGMR oder am Internationalen Gerichtshof de facto ein Berufsverbot, mit Ausnahme von Lehrtätigkeiten. (APA, red, 8.3.2023)