Obwohl Frauen immer noch häufiger in Teilzeit arbeiten, gibt es immer mehr, die ihr eigenes Unternehmen gründen.

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Als Angestellte im Außendienst für Stahlbefestigungssysteme hätte sie wohl kein Unternehmen eingestellt, erzählt Margot Klug. Zu ungewöhnlich war der Job für eine Frau, zu selten gab es Frauen im Außendienst. Somit löste die heute 59-Jährige in den 90er-Jahren selbst einen Gewerbeschein. Nach Jahren bei einem Schweizer Konzern hatte sie die Expertise und die Kontakte, um ein Geschäft für Komponenten für Maschinenhersteller und die Industrie zu führen. Heute macht sie damit bis zu 800.000 Euro Umsatz im Jahr.

Frauen arbeiten generell überdurchschnittlich oft in Teilzeit und in niedriger bezahlten Jobs, zeigen unterschiedliche Studien. Nach wie vor sind sie in der Arbeitswelt von Ungleichheiten geprägt, analysiert das Wirtschaftsberatungsunternehmen PwC in neuen Ergebnissen seines "Women in Work Index 2023". Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den OECD-Ländern stieg in den letzten Jahren leicht an, die Auswirkungen der weltweiten Pandemie haben diesen Fortschritt jedoch erneut verlangsamt. Österreich belegt im Index aktuell den 26. Platz von 33 – und fällt somit um zwei Plätze ab.

Trotzdem steigt auch bei den Unternehmensgründungen seit Jahren der Frauenanteil. Dies zeigen Zahlen der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Knapp 45 Prozent aller neuen Unternehmen werden demnach heute von Frauen gegründet. Im Laufe der Jahre ist die Zahl kontinuierlich gewachsen, 2010 waren 39 Prozent der Neugründungen weiblich. Ihr Durchschnittsalter beim Gründen liegt bei etwa 37 Jahren.

Die Motivlage ist laut Befragung der WKÖ aber über alle Altersgruppen ähnlich: Vor allem Flexibilität in der Karriere wie auch der Wunsch nach Eigenverantwortung und die Möglichkeit, mehr zu verdienen, ist für viele ein Grund, sich selbstständig zu machen.

Margot Klug (59, li.) und Marie-Therese Roch (31) erzählen von Unterschieden im Unternehmerinnenleben.
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Bei einem Gespräch der Initiative Frau in der Wirtschaft bei der Wirtschaftskammer Wien mit dem STANDARD und der "Presse" erzählten zwei Unternehmerinnen aus zwei Generationen, welche Motive, Hürden und Schwierigkeiten ihnen begegneten. Dabei trafen sehr unterschiedliche Lebenswelten aufeinander: Margot Klug (59), selbstständig im Maschinen- und Technologiehandel, und Marie-Therese Roch (31), selbstständig mit einem Vintage-Möbel-Shop.

Noch nie auf Urlaub gewesen

Was die beiden Frauen gemeinsam haben: Sie sind beide ein Ein-Personen-Unternehmen. "Um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht getraut, den Betrieb zu vergrößern", verrät Klug, die sowohl Lagerarbeiten als auch die Kundenbesuche und -gespräche allein erledigt. Möglicherweise, überlegt sie, wäre ihr Geschäft nun stark expandiert, doch zusätzliche Personalkosten wären immer ein sehr großer finanzieller Mehraufwand gewesen. "Ich dachte mir immer, alles, das ich selber machen kann, mache ich selber." Sie fuhr also mit ihrem Renault Twingo nach Osteuropa, erledigte die Außentermine mit ihren Kunden, die restliche Zeit musste sie ihr Lager beim Logistikunternehmen Schenker auffüllen oder kontrollieren.

Sie erinnert sich an ihre Zeit beim Konzern zurück: Damals fühlte sie sich nicht immer von allen ernst genommen. "Da war es normal, dass ein Kunde anruft und fragt, ob er bitte meinen Chef sprechen kann", erzählt sie.

Krank werden konnte sie nie, sagt Klug. Denn als Selbstständige fehlte ihr natürlich der Ersatz – keine Arbeit, kein Geld also. Oft ruft sie eine Firma auch schon um sechs in der Früh an und möchte bestimmte Maschinenteile bestellen, auch das kalkuliert sie ein. Auf Urlaub fährt sie eigentlich nie. Die Welt entdecken? Zwei Wochen an den Strand? Sei zwar alles schön, aber sie sei ein Arbeitstier und auf ihr Unternehmen bedacht.

Ziel war mentale Gesundheit

Für die 31-jährige Unternehmerin Roch war die Entscheidung, ihr eigenes Geschäft zu eröffnen, nach Jahren im Büro bei Medienagenturen gefallen. Sie erlebte starre Aufgabenfelder, viel Stress, wenig Selbstverwirklichung. eine "typische Millennial mit einem akademischen Abschluss" nennt sie sich. Während der Corona-Pandemie gründete sie mit einer Freundin ein Möbelunternehmen, in dem sie ältere Möbelstücke restauriert und neu verkauft. Um ihre finanzielle Sicherheit zu wahren, blieb sie trotzdem weiter Teilzeit bei einer Agentur angestellt, betreibt ihre Möbelfirma den Rest der Zeit.

"Ich verdiene jetzt zwar etwas weniger, aber ich fühle mich mental viel besser", sagt die junge Gründerin. Sie habe ihr Hobby zum Beruf gemacht. Weil ihr die finanzielle Sicherheit wichtig ist, spart sie selbst auf eine Immobilie hin, in der sie einen Showroom einrichten kann. Eine Finanzierung möchte sie vermeiden. Auch wenn es nicht immer klappt, sei es ihr wichtig, einen freien Tag in der Woche zu haben, an dem sie keine von beiden Arbeiten macht. Ihr ist der Ausgleich zum Job ebenso wichtig wie der Job selbst: Sport, Freunde treffen, Zeit mit ihrem Partner muss sich auch finden.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf oft die Bremse

Auch wenn der Anteil von Frauen bei Neugründungen Jahr für Jahr steigt, ist aber trotzdem nicht jeder Frau eine lange Karriere mit dem eigenen Unternehmen möglich. Immer noch zeigen Zahlen, dass deutlich mehr Frauen als Männer wegen der Kinderbetreuung ihre berufliche Karriere pausieren oder weniger arbeiten. Eine Befragung der Online-Marketingplattform OMR von 622 berufstätigen Frauen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde in Deutschland veröffentlicht. Sie zeichnet vor allem ein Bild: Fast die Hälfte der befragten Frauen schrecken davor zurück, Karriere mit Kind zu machen.

Nach der Analyse von PwC resultiert auch das ungleiche Einkommen von Frauen und Männern aus der unbezahlten Kinderbetreuung, die oftmals von Frauen übernommen wird. Dies führt zu langsameren beruflichen Karrierechancen und niedrigerem Lebenseinkommen. In Österreich arbeiten 64,4 Prozent der Frauen Vollzeit, das ist der niedrigste Wert seit 2000, ein Abstieg von 2,4 Prozent, verglichen mit den vergangenen Jahren.

"Auch wenn es immer mehr männliche Vorbilder gibt, die Väterkarenz führt nach wie vor ein Schattendasein", erklärt Nicole Prieller, Workforce Transformation Lead bei PwC Österreich. "Es gilt, mehr Akzeptanz und Bewusstsein zu schaffen und am Mindset zu arbeiten, um traditionelle Rollenbilder aufzubrechen." Wenn Vätern mehr Möglichkeiten und Anreize geboten würden, eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen, würde dies Frauen helfen, schneller wieder ins Berufsleben zurückzukehren.

Aufholbedarf gibt es laut der Unternehmerin Klug auch bei den Unterstützungsmöglichkeiten für Selbstständige. Als sie einmal wegen einer Betriebshilfe für einige Stunden angefragt hatte, wurde sie abgelehnt. Der Grund: Sie verdiene mehr als 1.650 Euro im Monat. "Wenn ich so wenig verdienen würde, wäre ich nicht selbstständig", sagt Klug. Fehlende Kinderbetreuung oder aufgeteilte Care-Arbeit ist jedenfalls für beide Unternehmerinnen kein Thema – sie sind beide kinderlos. Die 31-jährige Roch stellt im Generationengespräch trotzdem fest: "Es muss alles fünfzig-fünfzig aufgeteilt sein, alles andere ist nicht fair." (Melanie Raidl, 8.3.2023)