Man kann dem E-Auto vieles ankreiden: den hohen Verbrauch von Ressourcen in der Herstellung, den global steigenden Abbau seltener Erden, überzogene Erwartungen seitens der Politik als Lösung für die fossilen Mobilitätsprobleme. Zu all dem gesellt sich nun noch Sexismus und die Frage, inwieweit dieser die Menschheit daran hinderte, Elektromobilität als wegweisende Technologie für den Individualverkehr zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Als Henry Ford vor mehr als 100 Jahren das erste massenproduktionsfähige Automobil, das T-Modell, präsentierte, entschied sich seine Frau für ein anderes Gefährt: Sie kaufte sich ein Elektrofahrzeug. "Der amerikanische Automarkt splittete sich damals in zwei Teile auf, und es bestand die Auffassung, dass Frauen elektrische Autos fahren sollten, weil diese sicherer für den Verkehr waren, nicht stanken und zuverlässiger waren, und daraufhin wurden sie auch spezifisch für Frauen vermarktet", sagt die schwedische Wissenschaftsjournalistin Katrine Marc¸al.

Während Henry Ford beim ersten massenweise gefertigten Auto auf den Verbrennungsmotor setzte, ging seine Frau Clara Ala Bryant einen anderen Weg: Sie entschied sich für ein Elektrofahrzeug.
Illustration: Fatih Aydogdu

Feminine E-Mobilität

Die ersten E-Autos des frühen 19. Jahrhunderts wurden gezielt "feminin" dargestellt und beworben, die Karosserien wurden außen mit Blumenvasen versehen, um Kundinnen anzuziehen. Durchsetzen konnte sich die Technologie laut Marc¸al insbesondere deshalb so lange nicht. Sie beschäftigt sich in ihrem Buch "Mother of Invention" mit der Thematik, inwieweit Frauen zu Innovation beitrugen. Bei einer Podiumsdiskussion Ende Jänner 2023 präsentierte sie in Wien auch als Keynote-Speakerin die Ergebnisse ihrer Recherchen.

Für Marc¸al zieht es sich wie ein roter Faden durch die Jahrtausende, dass den Erfindungen von Frauen geringere Aufmerksamkeit geschenkt wurde als jenen von Männern und dass den für Frauen vermarkteten Technologien weniger Bedeutung zugesprochen wurde. "All das kreiert eine Geschichte der Innovation, die Frauen studieren, aber wir studieren im Wesentlichen unsere eigene Abwesenheit darin." Wieso gibt es ein Bronze-, aber kein Keramikzeitalter? "Gender Bias", sagt Katrine Marc¸al.

Verschwiegener Beitrag

Bis heute habe sich an diesem Ungleichgewicht in der Innovation wenig geändert. Laut einer Studie des Europäischen Patentamts stammen nur acht Prozent der dort angemeldeten Patente aus Österreich von Frauen. Die Alpenrepublik ist damit von 38 Ländern, die zum europäischen Patentabkommen gehören, das Schlusslicht; nach Liechtenstein (9,6 Prozent) und Deutschland (10,0 Prozent). Nach Mariana Karepova, der Präsidentin des Österreichischen Patentamts, sind heute in der Forschung Frauen- und Männerbranchen klar erkennbar.

So seien Frauen in den Bereichen Chemie und Biotech bei Patenten etwas stärker vertreten, Maschinenbau, IT und Elektrotechnik seien klar männerdominiert. Die Ursachen, warum Frauen insgesamt seltener patentieren, seien in den meisten Ländern dieselben. "Patente entstehen in Netzwerken", sagt Karepova. "Wenn Frauen in diesen Netzwerken involviert sind, dann – und das ist erwiesen – stehen sie meistens nicht im Zentrum des Netzwerks, sondern am Rand. Sie sind innerhalb der Projekte oft nicht wichtig genug, um in Patenten genannt zu werden, auch wenn sie Teil der Forschung waren."

Start-ups und Risikokapital

Zudem hätten Frauen an den Universitäten weniger Kontakte zur Industrie, "aber im Zusammenspiel zwischen akademischem Umfeld und Industrie entstehen die meisten Patente", sagt Karepova. Auch die Familienplanung und damit verbundene klassische Rollenbilder sowie die nationale Geschichte könnten von der vorherrschenden Innovationsschieflage nicht getrennt werden. So habe der Nationalsozialismus der Gleichstellung der Frau einen herben Rückschlag verpasst. In Österreich war es Frauen erst 1975 erlaubt, ohne schriftliche Genehmigung des Ehemanns einen Beruf auszuüben, wie Karepova betont.

Bei Investitionen zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei Patenten: Trotz steigenden Finanzierungsvolumens sind nur ein Bruchteil geförderter Start-ups komplett in Frauenhand. Obwohl laut einer Studie des WU-Gründungszentrums im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort 36 Prozent aller österreichischen Start-ups mit weiblicher Beteiligung gegründet wurden, machte ihr Anteil bei Investitionszusagen nur 16 Prozent aus.

Betrachtet man das Kapitalvolumen absolut, so gingen 90 Prozent des Risikokapitals in der ersten Jahreshälfte 2022 an rein männlich besetzte Gründungsteams. Auch auf Investorenseite ist der Anteil an Frauen, die über Risikokapital entscheiden, verschwindend gering. Fazit: Männer investieren in Innovationsprojekte von Männern. (Sarah Kleiner, 13.3.2023)