Vor fünf Wochen oblag es dem Falter, eines der für unser Land peinlichsten Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit zu vermelden: Der weltbekannte, seit 20 Jahren in Wien lebende Journalist Christo Grozev – Aufdecker zahlreicher russischer Staatsverbrechen wie der Giftanschläge auf Alexei Nawalny und Sergej Skripal, des Mordes an einem tschetschenischen Regimegegner in Berlin oder des Abschusses eines malaysischen Passierflugzeugs mit 298 Toten – verlässt Österreich, weil er sich hier nicht mehr sicher fühlen kann: "Ich vermute, dass es in der Stadt mehr russische Agenten, Spitzel und Handlanger gibt als Polizisten", erklärte Grozev und sorgte damit für internationale Schlagzeilen.

Das Geschäftspartnerland so richtig genießen. Den Dank an die russischen "Helden", wie hier am Plakat in St. Petersburg, muss man ja nicht sehen.
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Dazu passt auch eine nun im Magazin The New Yorker erschienene Reportage über den Wirecard-Skandal (Der größte Betrug in der Geschichte Deutschlands). Darin werden nicht nur die Aktivitäten der österreichischen Helfer des mutmaßlichen Milliardenbetrügers Jan Marsalek beleuchtet, sondern auch deren enge Verstrickungen mit dem russischen Geheimdienst, obwohl sie offiziell für den österreichischen Geheimdienst gearbeitet hatten. Über die Motive der beiden im New Yorker-Artikel mit vollem Namen genannten Herren weiß man nichts Genaueres, vielleicht lautete eines davon: "Jetzt geht’s ums Geschäft."

Gute Geschäfte

Dieses Motto findet sich auch in einer aktuellen Broschüre der Wirtschaftskammer Österreich über Business-Chancen in Russland. Unter dem Titel RUSSLAND Los geht’s erfährt man, wie gute Geschäfte mit dem Putin-Regime auch weiterhin möglich sind: "Gute Geschäfte entstehen oft über informelle Netzwerke. (...) Russische Unternehmen sind vielfach in Netzwerke eingebunden, die eine Lösung von Problemen über die Nutzung informeller Kontakte zu mächtigen Strukturen ermöglichen."

Zur Motivierung dieser "Netzwerke" gibt es praktische Tipps: "Große Ermessensspielräume und niedrige Gehälter einfacher Beamter begünstigen Problemsituationen, die zu unorthodoxen Vorgehensweisen führen können." Für die bessere Planung dieser "unorthodoxen Vorgehensweisen" gibt es auch einen wertvollen Hinweis: "Achtung: Bitte beachten Sie, dass derzeit sanktionsbedingt westliche Kredit- und Bankomatkarten in Russland nicht funktionieren. Nehmen Sie Barmittel ausreichend für Ihre Geschäftsreise mit."

Das beherzigend, kann man das Geschäftspartnerland so richtig genießen, denn die WKO weiß nicht nur: "Moskau und St. Petersburg bezaubern ihre Einwohner und Gäste mit Luxusrestaurants", sondern: "auch der Abenteuerurlaub kommt nicht zu kurz". Und apropos Abenteuerurlaub: "Der Ukrainekrieg und andere geo- oder innenpolitische Themen sollten in Gesprächen mit russischen Geschäftspartnern gemieden werden." Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Falls doch, hat die Broschüre einen ganz speziellen Rat. Unter "Notrufe" listet sie neben Polizei, Feuerwehr und Rettung noch eine vierte Telefonnummer auf: "Gas-Notdienst". Wie immer das gemeint sein mag: Vielleicht könnte eine derartige, das Innenministerium direkt mit Moskau verbindende Hilfs-Hotline künftig den Informationsabfluss durch Agenten, Spitzel und Handlanger vereinfachen. (Florian Scheuba, 9.3.2023)