Jürgen Werner fordert bei der Austria eine neue Kultur in den Gremien: "Wir sind ein Tanker und treten gegen Schnellboote an."

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Für die Austria sieht es sportlich nicht so schlecht aus. Zwei Runden vor Ende des Grunddurchgangs stehen die Zeichen für den Tabellenfünften auf Meistergruppe. Finanziell bleibt die Lage prekär. Die Lizenz-Unterlagen sind eingereicht, eine Entscheidung fällt am 13. April. Ganz ohne Zittern wird es für die Violetten nicht gehen. Noch bevor Präsident Frank Hensel auf der Generalversammlung am Mittwoch seinen Rücktritt ankündigte, sprach Sportvorstand Jürgen Werner auch über die Schwerfälligkeit der violetten Gremien.

STANDARD: Einer Ihrer Teamkollegen bei Vöest Linz hieß in den Neunzigern ebenfalls Jürgen Werner. Man nannte Sie damals "Jürgen Werner I". Wann sind Sie den Einser losgeworden?

Werner: Direkt nach der Karriere. Ein Fan hat mich einst bei einer Autogrammstunde gefragt, ob wir Brüder sind. Da habe ich geantwortet: Klar, meine Eltern waren so deppert und haben ihre beide Söhne Jürgen genannt.

STANDARD: 1986 haben Sie mit dem Nationalteam Deutschland 4:1 bezwungen und dabei einen Assist geliefert. Eine Art Cordoba?

Werner: Für mich war es der schönste Augenblick. Damals haben die Spieler aus Wien im Nationalteam dominiert. Dann gab es noch mich und Klaus Lindenberger. Ich habe in dieser Saison den Durchbruch geschafft. Es war nur ein Freundschaftsspiel, aber trotzdem ein Erlebnis. Das hat die Deutschen gewurmt. Ich dachte, ich sei nicht weit weg von der Weltspitze.

STANDARD: Warum hat es trotzdem nicht mit der internationalen Karriere geklappt?

Werner: Das waren andere Zeiten. Es gab noch kein Bosman-Urteil. Ich hatte ein Angebot aus Spanien von Oviedo. Ich war schon dort, hatte unterschrieben. Ich wollte gegen Barcelona und Real Madrid spielen. Der Präsident von Vöest Linz hat den Transfer verhindert. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

STANDARD: Später waren Sie Manager beim FC Linz und wurden von Fans als "Totengräber" des Vereins bezeichnet. Zu Recht?

Werner: Die Vöest wollte damals keinen Profiverein mehr unterstützen. Der Betrieb war in der Krise, tausende Arbeiter wurden entlassen, ein Fußballklub war nicht mehr zu verantworten. So kam es zur Fusion mit dem LASK. Ich sehe mich nicht als Totengräber, da war nichts mehr zu retten.

STANDARD: Ist der vermeintliche Totengräber nun der Lebensretter der Wiener Austria?

Werner: Dazwischen habe ich noch dem LASK neues Leben eingehaucht. Aber ja, die Gruppe der Investoren hat der Austria das Leben gerettet. Das kann man so sagen.

STANDARD: Noch ist die Austria nicht über den Berg. Der Schuldenstand beträgt rund 65 Millionen Euro. Das sind keine Peanuts. Was lässt Sie an die Lizenz für die kommende Saison glauben?

Werner: Wir mussten eine Fortbestandsprognose abgeben. Im Vorjahr war für die Liga nicht alles nachvollziehbar. Diesmal haben wir den Großteil abgesichert. Die Situation ist besser geworden. Wir haben Schulden abgebaut und Einsparungen vorgenommen. Ich glaube, wir haben die Hausaufgaben erledigt.

STANDARD: Warum glauben Sie nur? Sind sie nicht sicher?

Werner: Nein, ich bin nicht sicher. Der Senat entscheidet. Und der Senat kann Dinge anders auslegen. Wenn ich sage, wir verkaufen Spieler um 1,5 Millionen Euro, kann der Senat das anzweifeln.

STANDARD: In der aktuellen Saison wird die Austria wieder rote Zahlen schreiben, trotz Europacup-Einnahmen, trotz Zuschauerplus. Wie will man jemals den Turnaround schaffen?

Werner: Das ist kein operatives Minus. Wir haben Abschreibungen und Rückzahlungen vorzunehmen. In der nächsten Saison rechnen wir mit einem Plus. Wir haben noch Einsparungspotenzial. Die Austria ist ein aufgeblähter Apparat, wir haben zu hohe Personal- und Spielbetriebskosten. Bei den Sponsoren müssen wir wieder zulegen. Mit der Gazprom sind uns jährlich fünf Millionen Euro mit einem Schnipper abhandengekommen.

STANDARD: Wie wurde der Ausfall der Gazprom kompensiert?

Werner: Indem die Investoren wieder einbezahlt haben.

STANDARD: Kommt man mit dem Stopfen der Löcher noch nach?

Werner: Es war abzusehen, dass wir noch einmal eingreifen müssen.Am Anfang wurden wir gelobt, nach der Trennung von Trainer Manfred Schmid wurde alles hinterfragt, jetzt müssen wir wieder alles herumreißen. Wenn es ums Einzahlen geht, ist es gut, dass die Investoren da sind.

STANDARD: Ist das Risikokapital?

Werner: Das ist es. Aber ich mache den Job seit 40 Jahren, ich kriege das sportlich hin. Wir müssen nur wirtschaftlich überleben. Es wird bis zu drei Saisonen dauern, um von einer geglückten Rettung sprechen zu können. Diese Geduld, diesen Ehrgeiz bringe ich auf.

Noch hat sich der Nebel über der Generali-Arena nicht gelichtet. Die Austria steht mit 65 Millionen Euro in der Kreide, das bereitet dem Verein existenzielle Sorgen.
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STANDARD: Wir haben vor der Saison den kommenden Top-Torschützen der Austria auf einen Zettel geschrieben. Sie haben auf Marko Raguz getippt, ich auf Haris Tabakovic. Der eine hält bei null, der andere bei sieben Treffern. Kenne ich mich besser aus?

Werner: Okay, ich gebe mich geschlagen. Aber im Ernst: Wir mussten in der Offensive nachrüsten. Eine Mannschaft, die Zweiter oder Dritter in der Liga werden will, muss rund 60 Tore erzielen. Aber wer sollte die schießen? Raguz sollte der Go-to-Guy werden, Tabakovic die Löcher füllen.

STANDARD: Sie haben für den verletzten Raguz über eine Million Euro Ablöse bezahlt, er sollte im Herbst einsatzfähig sein. Jetzt haben wir März, er kann noch immer nicht spielen. Was ist da los?

Werner: Das war eine kapitale Fehleinschätzung. Die Kritik muss ich annehmen. Man dachte, seine Beschwerden wären in ein paar Wochen in den Griff zu bekommen. Leider war es nicht so. Wir hoffen, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind. Aber ich vermeide lieber Prognosen, sonst blamiere ich mich wieder.

STANDARD: Trainer Wimmer setzt im Gegensatz zu seinem Vorgänger auf Tabakovic, der trifft jetzt regelmäßig. Haben Sie diese Entwicklung erwartet?

Werner: Ja. Haris ist kein Ballkünstler, er wird niemanden überspielen. Er braucht Bälle im Strafraum. Dort kann er seine Stärken entfalten. Zwischen den Strafräumen entscheiden die Trainer, in der Box entscheidet die Qualität. Das Spielsystem von Wimmer kommt ihm entgegen.

STANDARD: Der Vertrag von Sportdirektor Manuel Ortlechner läuft im Sommer aus. Bleibt er dem Verein erhalten?

Werner: Ich denke schon. Er ist Austrianer durch und durch, ein wertvolles Bindeglied zu den Mannschaften. Er ist der Kleber, der alles zusammenhält. Man kann kritisieren, dass er wenig Erfahrung im Verhandeln von Verträgen hat. Aber irgendwann muss man anfangen. Es war ein turbulentes Jahr, er könnte daraus gestärkt hervorgehen.

STANDARD: Sie haben in einem Interview gesagt, die Austria sei größer als der LASK. Die Linzer haben ein größeres Stadion, mehr Budget und stehen sportlich besser da.

Werner: Aktuell haben Sturm und der LASK die Austria sportlich überholt. Das kann sich wieder ändern. Wir haben topbesetzte Gremien. Man muss nur alle unter einen Hut bringen, das ist bei der Austria die Schwierigkeit. Wir sind ein Tanker und treten gegen Schnellboote an. Alle müssen in eine Richtung arbeiten. Das muss das Ziel sein, wir brauchen eine neue Kultur. (Philip Bauer, 9.3.2023)