Der Wohnturm The One wird das Stadtentwicklungsgebiet zwischen Gasometer und Südosttangente dominieren.

Visualisierung: Schreinerkastler.at

Die 178 geförderten Wohnungen sind bereits vergeben.

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Die letzten Bäumchen sind bereits gepflanzt, manche tragen, um sie vor winterlichem Frost zu schützen, noch einen weißen Kalkanstrich am Stamm. Die Gärtner marschieren mit Spaten und Rechen durch den künftigen Miniwald und bringen das Erdreich an Ort und Stelle. Morgen, Freitag, muss für die Pressekonferenz alles abgeschlossen sein. Für die beiden Bauträger Neues Leben und Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA) ist die Fertigstellung ihres Wohnhochhauses The One eine Premiere: Noch nie zuvor hat ein gemeinnütziger Bauträger in Österreich ein so hohes Wohnhaus errichtet.

Der Höchste und Schönste

"Mit 126 Metern und 38 Obergeschoßen ist unser Turm der höchste und natürlich auch der schönste", sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer der WBV-GPA, mit geschwellter Brust. "Dennoch war für unseren Partner und uns klar, dass wir so einen großen Turm nicht im Alleingang stemmen wollen. Das wäre eine zu große Portion auf einmal gewesen. Also haben wir beschlossen, unseren Tower gemeinsam zu errichten."

Zur Info: Insgesamt besteht das Stadtentwicklungsprojekt The Marks zwischen Gasometer, Obi-Baumarkt und Autobahnabfahrt der Südosttangente A23 im dritten Wiener Gemeindebezirk aus drei Wohntürmen, die im Rahmen eines städtebaulichen kooperativen Planungsverfahrens entwickelt wurden. Die anderen beiden Bauträger ÖSW und Buwog haben ihre Schwesterntürme selbstständig hochgezogen – einmal den Q-Tower mit Architekt Rüdiger Lainer, einmal den Helio-Tower mit BEHF Architekten.

"Als gemeinnütziger Bauträger liegt unser Fokus im geförderten Wohnbau", erklärt Gehbauer. "Daher haben wir es als unsere Pflicht gesehen, uns möglichst risikoavers zu positionieren und das wirtschaftliche Risiko auf zwei Bauträger aufzuteilen. Denn im Gegensatz zu unseren meisten Projekten, die wir gefördert errichten, handelt es sich hier um ein komplett freifinanziertes Projekt, bei dem die Wohnungen freifinanziert verkauft beziehungsweise nach dem Modell der Wohnbauinitiative vermietet werden."

Unten leistbar, oben frei

Das heißt: Auf den untersten 20 Etagen gibt es sogenannte leistbare Mietwohnungen zu den etwas begünstigten Konditionen der "Wohnbauoffensive", die der damalige Wohnbaustadtrat und nunmehrige Bürgermeister Michael Ludwig 2016 ins Leben rief: 500 Euro Eigenmittel pro Quadratmeter, hinzu kommt eine Miete in der Höhe von 11,70 Euro pro Quadratmeter. Alle 178 Mietwohnungen sind bereits vergeben. Ab dem 21. Stock aufwärts schließlich wurden 224 freifinanzierte Eigentumswohnungen errichtet. Mit Kaufpreisen zwischen 5000 und 7100 Euro pro Quadratmeter sind einige davon noch zu haben.

Für die Architektur des Turms wie übrigens auch für den städtebaulichen Masterplan des Gesamtprojekts The Marks zeichnet das Wiener Büro Studio Vlay Streeruwitz verantwortlich. "Großen Wert gelegt haben wir auf eine ruhige und skulpturale Ästhetik in der Fassade sowie auf eine generell ausgewogene Proportionierung des Turms, um die große Masse von insgesamt 412 Wohnungen gut zu kaschieren", sagt Architektin Lina Streeruwitz. "Aber fast am wichtigsten, um ehrlich zu sein, war uns eine lebendige Erdgeschoßzone."

Zweigeschoßige Hochgarage

Den (etwas überambitioniert versiegelten) Innenhof und das dreigeschoßige Sockelbauwerk teilt sich The One mit seinen beiden Nachbarn Q-Tower und Helio-Tower. Einen Teil dieser Bebauung bildet die zweigeschoßige Hochgarage für Fahrräder, die mit ihrer eleganten Leichtigkeit und Einsehbarkeit mit guter Laune an ein fahrradfreundliches Amsterdam erinnert.

Ob dieses freifinanzierte Projekt in Anbetracht von immer rarer und immer teurer werdenden Grundstücken die Zukunft der Gemeinnützigkeit abbildet? "Das sehe ich definitiv nicht so", meint Gehbauer. "Dieses Projekt war eine einmalige Chance, über die ich mich sehr freue, aber unsere Kernkompetenz ist und bleibt der geförderte Wohnbau. Das ist der Auftrag an uns Gemeinnützige." (Wojciech Czaja, 9.3.2023)