Hans Peter Doskozil ist nicht das große Problem der SPÖ – jedenfalls nicht das einzige. Aus der Sicht von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist die Sache simpel. Ohne das ständige Störfeuer aus dem Burgenland würde endlich über die Vorschläge der Sozialdemokratie geredet werden und nicht bloß über Personelles. Dann wäre die SPÖ auch bei Wahlen und Umfragen erfolgreich. Die aktuelle Themenlage komme der Partei ja eigentlich entgegen, betonte Rendi-Wagner zuletzt. Bei der Teuerung habe die SPÖ viele gute Ideen.
Diese Darstellung mag gut klingen, ist aber ziemlich sicher falsch.
Tatsächlich laboriert die Sozialdemokratie nämlich nicht nur an Personaldebatten. Sie hat ein grobes inhaltliches Problem: Sie weiß nicht genau, wofür sie steht, für wen es sich lohnt zu kämpfen. Zu oft dominiert bei der Partei der Wunsch, es sich mit niemandem zu verscherzen, um für alle wählbar zu bleiben. Das führt nur dazu, dass oft keine inhaltliche Linie erkennbar ist, und tritt ausgerechnet bei jenem Thema zutage, bei dem Rendi-Wagner glaubt punkten zu können: bei der Teuerung.
Die Regierung legt seit einem Jahr ein Hilfspaket nach dem anderen auf. Die SPÖ hat all diese Initiativen kritisiert, um im Regelfall noch mehr Geld zu fordern. Ein paar Beispiele: Ende 2022 hat die Regierung einen Energiekostenzuschuss von bis zu sieben Milliarden Euro für Unternehmen fixiert. Die SPÖ kritisierte das Paket zwar als nicht treffsicher, wünschte dann aber vor allem eine sündteure Gaspreisbremse wie in Deutschland, wo der Staat Gas für die Betriebe bezuschusst. Ohne diese Hilfen, hieß es, hätten heimische Unternehmen Wettbewerbsnachteile.
Drohende Sparpakete
Ähnlich bei Haushalten: Dort pocht die SPÖ trotz der vielen Hilfen darauf, auch noch Gaspreise zu deckeln. Und als die Sonderzahlungen für Pensionistinnen und Pensionisten im Herbst 2022 von ÖVP und Grünen fixiert wurden, verlangte die SPÖ ein größeres Plus. Die Partei kritisiert also oft, dass die Regierung zu viel Gießkanne einsetzt, um dann selbst die Gießkanne auszupacken.
Nun ist richtig, dass sie dazwischen auch mehr Geld für Arbeitslose fordert. Aber ein echter sozialpolitischer Schwerpunkt für das untere Drittel der Bevölkerung, das unter der Inflation wirklich leidet, lässt sich nicht erkennen. Hilfe soll es für alle geben, für die Ärztin ebenso wie für den Arbeitslosen. Das geht sich aber für die SPÖ nicht aus.
Nicht nur, weil die drohenden Sparpakete infolge der Milliardenhilfen für viele Menschen schmerzlich werden dürften. Sondern auch, weil die Partei auf einem klaren ideologischen Anspruch gründet. Ihr Ziel war es, die Chancen für Menschen zu verbessern, die politisch und wirtschaftlich schlechtere Startbedingungen vorfinden. Diesen Anspruch muss man heute bei der SPÖ oft mit der Lupe suchen. Bei den Mitbewerbern ist die Sache klarer. Die ÖVP ist vor allem anderen für ihre Kernklientel da. Die FPÖ macht Stimmung gegen Migranten. Die Grünen stehen fürs Klima.
Nun gibt es gute Gründe, warum die Sozialdemokratie so handelt. Einer lautet, dass ein Teil der Arbeiterinnen und Arbeiter, um die sie kämpfen müsste, mangels Staatsbürgerschaft nicht wählen darf. Eine klarere Kante bringt zudem mehr Risiko und neue Gegner. Und ein (schneller) Erfolg an der Wahlurne ist nie garantiert. Aber ohne ideologischen Kern, was kann die SPÖ dann mehr als irgendeine beliebige Wahlplattform? (András Szigetvari, 8.3.2023)