Christina Rami-Mark, die Vizevorsitzende des Gründungskonvents, betont, dass Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sie und den Konvent immer darin bestärkt habe, die bestgeeignete Persönlichkeit für das Uni-Präsidium wählen. Das habe man.

Foto: Jochen Russmann

Die in Planung befindliche Linzer Digital-Uni, die als Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) im Herbst starten soll, ist in schweren Turbulenzen. Nach der Wahl der Informatikprofessorin und KI-Expertin Stefanie Lindstaedt von der TU Graz zur Gründungspräsidentin brachte ein Konventsmitglied – der vom Land Oberösterreich entsandte Softwareunternehmer Helmut Fallmann, der wie Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und die Industriellenvereinigung (IV) Oberösterreich den Rektor der Uni Linz (JKU), Meinhard Lukas, in diese Rolle heben wollte – eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Wahl durch den Gründungskonvent ein. Lindstaedt wurde mit vier Stimmen gewählt, Lukas bekam zwei. Fallmann zieht nun die "Sachlichkeit des Auswahlprozesses" und "insbesondere die Unbefangenheit des Gründungskonvents" bei der Wahl "in Zweifel" und fordert eine Aufhebung durch den Wissenschaftsminister.

STANDARD: Sie sind Vizevorsitzende des Konvents, hatten bei dieser Wahl aber den Vorsitz, weil die Vorsitzende Claudia von der Linden, die wie Kandidatin Lindstaedt von der TU Graz kommt, sich aus diesem Grund für befangen erklärt hatte und nicht mitstimmte. Was sagen Sie namens des Konvents zu Fallmanns Vorwürfen?

Rami-Mark: Ich weise diese Vorwürfe in aller Deutlichkeit zurück. Das Verfahren wurde unter Einhaltung sämtlicher rechtlicher Vorgaben und Rahmenbedingungen durchgeführt.

STANDARD: Hat Sie diese Reaktion überrascht?

Rami-Mark: Ja. Für mich ist dieser Schritt nicht nachvollziehbar.

STANDARD: Stichwort "Unbefangenheiten", die ja schon ein Thema bei der Verschiebung der ersten Hearingrunde waren: Nicht nur Fallmann bringt diese auch jetzt nach der Wahl ins Spiel, auch der Präsident der IV OÖ, Stefan Pierer, schlug in den "OÖNachrichten" in diese Kerbe: "Ein befangenes Gremium hat nicht die beste Entscheidung getroffen." Welche Befangenheiten meinen die beiden? Zumal sich drei Personen, neben von der Linden eine weitere Informatikerin von der TU Graz und JKU-Vizerektor Christopher Lindinger, der im Rektoratsteam von Kandidat Lukas eng mit diesem zusammenarbeitet, schon lange vor der Wahl für befangen erklärt und gar nicht mitgestimmt haben. Und der einzige Steirer im Konvent, Montan-Uni-Rektor Eichlseder, hat nicht die in der Steiermark an der TU Graz lehrende Lindstaedt, sondern den Linzer Lukas gewählt.

Rami-Mark: Das Thema Befangenheiten haben wir bereits vor der Wahl behandelt und professionell erledigt. Die Konventsmitglieder, die sich als befangen erklärt hatten, haben nicht an der Wahl teilgenommen.

STANDARD: Der restliche Konvent – also exklusive Fallmann – drohte am Mittwoch mit rechtlichen Schritten nach Fallmanns Schritt mit der Aufsichtsbeschwerde. Warum?

Rami-Mark: Mir persönlich ist Transparenz sehr wichtig. Daher werden wir auch schnell eine umfassende Stellungnahme erarbeiten und sie an das Ministerium schicken. Gleichzeitig behalten wir uns vor, gegen tatsachenwidrige Behauptungen vorzugehen.

STANDARD: Welche Folgen hat diese Aufsichtsbeschwerde jetzt? Wie geht es weiter? Eigentlich steht damit ja der ganze Gründungsprozess.

Rami-Mark: Der Prozess pausiert hinsichtlich der Bestellung der designierten Gründungspräsidentin. Da die nächsten wichtigen Entscheidungen zur Universitätsgründung gemeinsam mit der Gründungspräsidentin zu treffen wären, sind mit der Aufsichtsbeschwerde wesentliche Teile des Gründungsprozesses eingefroren. Wir bemühen uns, unsere Stellungnahme so rasch wie möglich dem Bundesminister zu übermitteln.

STANDARD: Was bedeutet das für den extrem engen Zeitplan? Schon im Herbst soll der Studienbetrieb starten. Das Ministerium hat dem Konvent angesichts der Aufsichtsbeschwerde "geraten", den "eingeleiteten Bestellvorgang" der Gründungspräsidentin zu verschieben. Es gibt keine Studienpläne, keine Professorinnen und Professoren, die man auch nicht in ein paar Wochen auf die Schnelle rekrutieren kann.

Rami-Mark: Nun geht es darum, die im Raum stehenden Behauptungen sachlich zu entkräften. Der ambitionierte Zeitplan fordert uns. Durch die Verschiebung der Hearings und nun durch die Aufsichtsbeschwerde verlieren wir wertvolle Zeit.

STANDARD: Welche Aufgaben hat der Gründungskonvent denn noch?

Rami-Mark: Die Vertragsverhandlungen und den Abschluss mit der Gründungspräsidentin, die nun allerdings aufgrund der Beschwerde gestoppt wurden. Weiters zählen dazu die Erlassung einer vorläufigen Satzung auf Vorschlag der Gründungspräsidentin, die Erlassung eines vorläufigen Organisationsplans, ebenfalls auf Vorschlag der Gründungspräsidentin, und natürlich die Festlegung des vorläufigen Studienangebots und die Einrichtung dieser Studien.

STANDARD: Ist dieses Gremium überhaupt noch arbeitsfähig, wenn ein Mitglied – Helmut Fallmann – die Mehrheitswahl der anderen nicht akzeptiert und diese wiederum mit rechtlichen Schritten drohen angesichts der Vorwürfe, nicht korrekt gewählt zu haben?

Rami-Mark: Der Gründungskonvent hat neun Mitglieder. Acht sind auf jeden Fall arbeitswillig und arbeitsfähig. Wie sich das neunte Mitglied seine Mitarbeit vorstellt, weiß ich nicht. Das müssen Sie ihn fragen.

STANDARD: Zum Hintergrund muss man wissen, dass in Oberösterreich wichtige und mächtige Stakeholder mit unterschiedlichen Interessen einen klaren Wunschkandidaten hatten: Landeshauptmann Stelzer und auch die oberösterreichische Industriellenvereinigung, jedenfalls Präsident Pierer – allerdings, wie man aus Industriekreisen hört, sind aus sachlichen Gründen nicht alle mit diesen Vorgängen glücklich –, haben sich ganz unverhohlen für JKU-Rektor Meinhard Lukas ausgesprochen, der für diesen Job auf eine Kandidatur für eine dritte Amtsperiode als Rektor verzichtet hat. Sie wurden wie Fabasoft-Chef Fallmann auch vom Land Oberösterreich in den Konvent entsandt, sind als Metallunternehmerin selbst in der IV verankert. Gab es Druck auf Konventsmitglieder, den landespolitischen Wunschkandidaten zu wählen?

Rami-Mark: Der Landeshauptmann hat mich und den Gründungskonvent stets darin bestärkt, uns für den bestgeeigneten Kandidaten oder die bestgeeignete Kandidatin zu entscheiden. Dass einige der von Ihnen angesprochenen Stakeholder sich einen anderen Ausgang der Wahl gewünscht hätten, ist kein großes Geheimnis. Deren Meinung darf allerdings nicht so vertreten werden, dass dadurch die Integrität des Konvents und seiner Mitglieder beschädigt wird.

STANDARD: In den "OÖNachrichten" wurde das Wahlergebnis im Konvent (drei befangene Mitglieder stimmten nicht mit) publik gemacht: Demnach haben Fallmann und der vom Ministerium für den zurückgetretenen Rektor der Angewandten, Gerald Bast, nachnominierte Montan-Uni-Rektor Wilfried Eichlseder für Lukas gestimmt, womit die Schlussfolgerung nicht schwer ist, von wem die anderen vier Stimmen "gekommen sein dürften", wie es hieß. Nämlich just auch von der vom Land nominierten und der IV angehörenden Unternehmerin, also Ihnen. Dass Sie "tatsächlich", so stand es in den "OÖN", gegen Lukas gestimmt hätten, "löste bei vielen wichtigen Stakeholdern in Oberösterreich, die großteils für Lukas waren, dennoch Unverständnis aus." Das klingt so, als wäre von Ihnen erwartet worden, dass Sie eh brav auf Linie für Lukas stimmen. Wie frei haben Sie sich in Ihrer Arbeit als Konventsmitglied gefühlt?

Rami-Mark: Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich mich zum Abstimmungsverhalten nicht äußere. Nur so viel: Als Unternehmerin urteile ich einzig und alleine nach fachlichen Kriterien.

STANDARD: Fallmann greift Sie in seiner Auflistung der Verfehlungen im Konvent bei der Wahl auch persönlich an. Sie hatten den Vorsitz, weil die Vorsitzende Claudia von der Linden sich befangen erklärt hatte. Sie hätten eine Mail eines JKU-Professors, der von Lukas abrät, "erst am Tag der Wahl" im Konvent vorgelegt. Lukas hätte keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt, das widerspreche dem Recht auf ein faires Verfahren. Was ist da aus Ihrer Sicht dazu zu sagen?

Rami-Mark: Das lässt sich einfach aufklären. Diese E-Mail wurde am Tag nach der Anhörung von Meinhard Lukas an einzelne Konventsmitglieder geschickt. Auf Vorschlag unseres Rechtsberaters wurde entschieden, erst alle Hearings in Ruhe abzuwickeln und dann diese Nachricht allen Konventsmitgliedern zur Verfügung zu stellen. Dabei war uns klar, dass die angesprochene E-Mail, deren Wahrheitsgehalt der Konvent nicht überprüfen konnte, für die Wahl keine Rolle spielen durfte. So hat es der Konvent dann auch gehalten: Im Sinne eines Beweisverwertungsverbots wurden die erhobenen Behauptungen in den Bewertungen und Entscheidungen des Konvents nicht berücksichtigt. Dies wurde klar so von mir kommuniziert, und der gesamte Gründungskonvent hat dann auf dieser Basis gemeinsam gewählt.

STANDARD: Auch Landeshauptmann Stelzer ist "sauer" und hat dem Gründungskonvent "Unprofessionalität" vorgeworfen. In den "OÖN" sagte er: "Ich bin mir nicht sicher, ob sich alle, die da an der Gründung beteiligt sind, der Verantwortung bewusst sind, die sie für die Republik, den Wissenschaftsstandort, aber auch für die Steuerzahler haben." Es gehe um hunderte Millionen Euro. Die bisherige Vorgangsweise des Konvents erwecke "nicht den Eindruck höchster Professionalität". Was sagen Sie zu diesem Vorwurf von politischer Seite? Im Grunde schwingt ja als Subtext immer mit: Ihr habt die falsche Kandidatin gewählt, ihr habt "unseren" Kandidaten nicht gewählt.

Rami-Mark: Die Professionalität des Gründungskonvents kann ich nur hervorheben. Und gerade für ein millionenschweres Projekt kann man gar nicht sorgfältig genug sein. Was uns alle – den Gründungskonvent und Politik und Wirtschaft – antreibt, ist die Chance, eine neue Uni für Studierende und Forschende aufzubauen, die dann die digitale Transformation Europas mitgestalten wird. Und darum lade ich alle ein, sich auf den Inhalt zu konzentrieren.

STANDARD: Wie soll aus Sicht des Konvents jetzt weitergehen mit dem IDSA? Kann das überhaupt noch eine "gute", ernstzunehmende neue Uni werden, wenn sie unter solchen Umständen, wo es vielfach nicht um genuin wissenschaftliche Sachentscheidungen geht, starten soll?

Rami-Mark: An diese Startschwierigkeiten dürfte man sich im langen Leben dieser Universität wohl bald nicht mehr erinnern. (Lisa Nimmervoll, 10.3.2023)