Herzliche Begrüßung: Welcome to the Shitshow!
Foto: Simon Veres

Im Nachhinein soll bitte niemand sagen, man sei nicht gewarnt worden. Bereits der Titel Warning Graphic Content trägt die Alarmbereitschaft in sich, die es für diese gleichsam poetische und polemische Ausstellung braucht. Der Raum für zeitgenössische Kunst Franz Josefs Kai 3 (FJK3) holte den britischen Künstler Jeremy Deller in seine weitläufigen Ausstellungsräume am Wiener Donaukanal. Dort darf man laut lachen und ohne Bedenken mit dem Finger zeigen!

Allein schon die aufwendig gestrichenen Neonwandfarben sind ein Hingucker und bilden die ultimative Unterlage für die Poster und Plakate des 1966 in London geborenen Künstlers, der 2004 den Turner-Preis gewann und Großbritannien 2013 auf der Venedig-Biennale vertrat.

Deller macht sich mit frechen Sprüchen nicht nur über die Briten lustig ...
Foto: Simon Veres

Poppiger Lord der Polemik

Mit Karacho und den Worten "Welcome to the Shitshow!" begrüßt Deller das Publikum mit einer wandfüllenden Union-Jack-Tapete. Der britische Humor wird auf dem Silbertablett serviert, das Vereinigte Königreich bis in seine nördlichsten Zipfel – samt Königshaus – aufs Korn genommen. Erstmals zeigt diese grellbunte All-over-Farbinstallation mit mehr als 120 Plakaten und Billboards einen kompletten Überblick über 30 Jahre Druckgrafik von Deller im deutschsprachigen Raum. Kuratiert wurde die empfehlenswerte Schau von der künstlerischen Leiterin des FJK3, Fiona Liewehr, und Edek Bartz.

Unzählige freche Sprüche in unterschiedlichsten Formaten und Schriften zieren die Wände – sie können für sich allein stehen, gewinnen in dieser geballten, fast Petersburg’schen Hängung aber an Stärke. Omnipräsent sind Bezüge zu popkulturellen Phänomenen und Musiklegenden wie David Bowie, Depeche Mode oder den Beatles. Oft spielen die Plakate auf britische Klischees an wie "Marmite on toast" oder "Prince Harry kills me", doch unter dieser poppig-amüsanten Oberfläche steckt messerscharfer Zynismus.

... sondern kommentiert scharfzüngig auch die politische Situation der Insel.
Foto: Simon Veres

Unkonventioneller Werdegang

Fast immer schlummern dort Kommentare zur britischen Politik und spielen wie "Jeder Engländer ist eine Insel" auf den Brexit oder "Strong and stable my arse" auf die vorvorletzte(!), bis 2019 amtierende Premierministerin Theresa May an, oder "Thank God for immigrants" auf die Corona-Politik. Handschriftliche Post-its des Künstlers garnieren diese Schwarzhumorigkeit mit einer persönlichen Note. Ein Film im Keller teasert weitere Videoarbeiten von Deller an, die Mitte April im Gartenbaukino laufen.

Der unkonventionelle Autodidakt absolvierte nie ein Kunststudium, sondern studierte Kunstgeschichte. Seine Connection zur Art-World umschiffte die üblichen Wege. Weswegen seine niederschwelligen Arbeiten wahrscheinlich auch so erfrischend daherkommen. Fachwissen braucht man in dieser Ausstellung keines, der Eintritt ist ohnedies kostenlos. Ein Paradebeispiel für demokratischen Kunstzugang? (Katharina Rustler, 10.3.2023)

In der Ausstellung darf man laut lachen und ohne Bedenken mit dem Finger zeigen!
Foto: Simon Veres