Der Präsident des VfGH, Christoph Grabenwarter, scheint Änderungen rund um die Doppelberufstätigkeit von VfGH-Mitgliedern nicht ganz abgeneigt zu sein.

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In der aktuellen Debatte über die Doppelberufstätigkeit von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) hat sich diese Woche auch der Präsident des Gerichtshofs, Christoph Grabenwarter, öffentlich zu Wort gemeldet. Neben dem Präsidenten und der Vizepräsidentin, Verena Madner, gibt es drei Richterinnen und neun Richter am Höchstgericht – sowie sechs Ersatzmitglieder. Und alle, die nicht aus der Verwaltung kommen, dürfen ihren juristischen Berufen weiterhin nachgehen.

Etliche der Mitglieder und Ersatzmitglieder sind als Anwältinnen oder Anwälte tätig, so etwa Michael Rami, Arbeitsrechtsexpertin Sieglinde Gahleitner oder Christoph Herbst. Auch Ersatzmitglied Werner Suppan ist Rechtsanwalt, er berät in aktuellen und aus dem Ibiza- und ÖVP-U-Ausschuss bekannten Causen rund um Chats und Casinos Austria (Casag) bekanntermaßen die ÖVP bzw. ÖVP-Politiker. Rund die Hälfte aller Mitglieder kommt freilich aus der Verwaltung, sie sind dementsprechend außer Dienst gestellt und nur am VfGH tätig.

Gutachten vom VfGH-Richter

Die Nebenberufstätigkeit ist nicht unumstritten, das Thema flammt immer wieder auf und hat auch zuletzt für einiges an Kritik und Diskussionen gesorgt. Die VfGH-Richter sind die Wächter über Österreichs Verfassung und Grundrechte, zuständig sind sie auch fürs Lösen von Streitigkeiten in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Diese Aufgaben auf der einen und Mandate auf der anderen Seite – zu denen auch die Erstellung von verfassungsrechtlichen Gutachten zählt – führen naheliegenderweise mitunter zu Befangenheiten beziehungsweise einer etwas schrägen Optik. Fühlen sie sich befangen, nehmen sich die Richterinnen und Richter aus Entscheidungen heraus, entscheiden können darüber aber nur sie selbst.

Öfter kam das zum Beispiel vor, als Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (von der ÖVP nominiert) an den VfGH wechselte – er musste sich des Öfteren für befangen erklären, und zwar dann, wenn der Gerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen entschied, die in jener Regierungsära entstanden sind, in denen Brandstetter selbst in der Regierung saß. Nachdem er später selbst zum Beschuldigten geworden war und die Ermittler auch im VfGH auftauchten, um Brandstetters elektronische Geräte zu beschlagnahmen, zog sich der Ex-Minister aus dem VfGH zurück. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Anlassfall Teichtmeister

Die aktuellen Debatten haben sich sozusagen an Michael Rami entzündet, der 2018 auf Vorschlag der FPÖ ernannt worden ist. Er vertritt in medienrechtlichen Belangen Florian Teichtmeister, den Schauspieler, der wegen des Besitzes von Missbrauchsdarstellungen an Kindern angeklagt ist. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. In dieser Rolle trat Rami recht medienwirksam auf. Was vor allem in "Österreich" auf Kritik stieß, die Zeitung prangerte ihn zudem an, weil die Kanzlei, in der Rami Partner ist, rund 294.000 Euro (Stand November 2022) an Corona-Hilfen bekommen hat und sich auch der VfGH mit dem Thema Cofag beschäftige. Stichwort "Österreich": Rami vertrat Journalistinnen, die "Österreich"-Gründer Wolfgang Fellner wegen sexueller Belästigung geklagt haben.

Nun hat sich eben auch VfGH-Präsident Grabenwarter in die Diskussion über die Nebentätigkeit der Richterinnen und Richter eingeschaltet; in der "Kleinen Zeitung" vom
7. März meinte er, dass sich "die Mitglieder des VfGH nicht einer sachlichen Diskussion darüber verschließen". Allerdings müsse man bei etwaigen Änderungen vorsichtig vorgehen, um die Unabhängigkeit des Gerichtshofs zu wahren, wie er sinngemäß meinte. Statt eine "einfache Radikallösung" zu wählen, müsste man "behutsam an kleinen Schrauben drehen" und flankierende Maßnahmen setzen.

SPÖ, ÖVP, FPÖ gegen Doppelberufsverbot

Etwaige Gesetzesänderungen wie ein Nebenberufsverbot für Verfassungsrichterinnen und ihre Kollegen bedürften auch der Zweidrittelmehrheit im Parlament – und SPÖ, ÖVP sowie FPÖ haben sich inzwischen in Ö1 gegen eine solche Änderung ausgesprochen. In Deutschland gilt ein Berufsverbot für Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter, ausgenommen ist die Lehrtätigkeit an Hochschulen, solange Recht unterrichtet wird.

Im Zusammenhang mit Ramis Anwaltstätigkeit hat sich VfGH-Präsident Grabenwarter (er lehrt Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Völkerrecht an der Wiener WU) in der "Kleinen Zeitung" recht klar und offen geäußert: "Was seine Doppelrolle betrifft, haben wir in der Vergangenheit intern mehrfach versucht, Kollegen Rami zu mehr öffentlicher Zurückhaltung in der Ausübung des Anwaltsberufs zu bewegen", er sei "vorsichtig optimistisch", dass das Wirkung zeitigen werde. Die Befangenheitsregeln – demnach sollen VfGH-Mitglieder nicht mitberaten und mitentscheiden, wenn auch nur der Anschein der Befangenheit besteht – nehme man im VfGH sehr ernst. Das habe Brandstetter getan, das tue auch ÖVP-Anwalt Suppan, und das werde auch Rami "so handhaben". Rami vertritt im Gegensatz zu Suppan allerdings keine Politiker mehr.

Auch VfGH-Richterin Gahleitner war in der Causa rund um Teichtmeister übrigens aktiv; sie hat ein arbeitsrechtliches Gutachten rund um die Rolle des Burgtheaters als Arbeitgeber Teichtmeisters erstellt.*

VfGH-Babyboomer gehen in Pension

Und im Zusammenhang mit Corona wird der VfGH nicht über einzelne Corona-Hilfen entscheiden, sondern über verfassungsrechtliche Fragen rund um die Covid-Finanzierungsagentur (Cofag) selbst, die die Förderungen abwickelt.

Rami selbst gibt zu alldem auf Anfrage keine Stellungnahme ab.

Sollte sich der Gesetzgeber zu einer Änderung in Richtung hauptberufliche VfGH-Richterinnen und VfGH-Richter entscheiden, blieben jedenfalls noch ein paar Jahre Zeit. Rund ums Jahr 2030 werden etliche der derzeitigen VfGH-Mitglieder 70 Jahre alt sein und daher in den Ruhestand gehen. Bis dahin könnten – Zweidrittelmehrheit vorausgesetzt – neue Regeln gemacht werden. (Renate Graber, 10.3.2023)