Rechtsanwältin Julia Andras gibt im Gastblog Einblick, ob potenzielle Väter bei der Feststellung der Vaterschaft eine Mitwirkungspflicht haben.

Die Frage, wer die Eltern eines Kindes sind, scheint oft unproblematisch zu sein. Mit dem lateinischen Rechtssprichwort "Mater semper certa est", zu Deutsch: "Die Mutter ist immer sicher", ist die Frage nach der Mutterschaft recht rasch gelöst. Rechtliche Mutter ist in Österreich jene Frau, die das Kind geboren hat.

Daneben ist die Feststellung der Vaterschaft etwas schwieriger. Zu unterscheiden ist zwischen dem biologischen und dem rechtlichen Vater eines Kindes. Rechtlicher Vater ist entweder der Ehemann der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt, derjenige, der die Vaterschaft anerkannt hat oder als Vater gerichtlich festgestellt wurde. Es kann also durchaus vorkommen, dass der Ehemann der Mutter im Zeitpunkt der Geburt der rechtliche Vater des Kindes wird, obwohl er nicht der biologische Vater ist.

Durch die Entnahme der DNA-Proben werde die körperliche Integrität in keiner Weise verletzt.
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Pflicht zur Mitwirkung?

Einen solchen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft hat der Antragsteller im vorliegenden Fall an den Antragsgegner gerichtet, der seinerseits im Pflegeheim wohnt und einer starken Demenzerkrankung leidet. Fraglich war nunmehr, ob es ihm aufgrund seines Gesundheitszustands überhaupt möglich ist, einen zur Vaterschaftsfeststellung notwendigen DNA-Test zu machen.

Der Antragsgegner weigerte sich, eine DNA-Probe abzugeben, dies gestützt auf § 85 AußStrG. Demnach bestehe die Pflicht zur Mitwirkung dann nicht, wenn ein DNA-Gutachten mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit des Antragsgegners verbunden wäre. Zudem seien jegliche Arztbesuche und Behandlungen für den Antragsgegner aufgrund seiner Demenzerkrankung stark verunsichernd. Auch wurde vorgebracht, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens unnötig sei, weil das bisherige Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für seine Vaterschaft ergeben habe.

Körperliche Integrität nicht verletzt

In ihrer Stellungnahme erklärte die bestellte Sachverständige, dass das Prozedere der Befundaufnahme einfach und völlig schmerzfrei sei. Die Probenentnahme würde durch den Hausarzt des Pflegeheims, in dem der Antragsgegner wohnt, dem von der Sachverständigen ein Test-Set übermittelt werde, vorgenommen werden. Der Test erfolge durch einen Mundhöhlenabstrich oder eine Fingernagelprobe, möglich wären auch Proben des Ohrenschmalzes oder eine Nasenspur. Durch die Entnahme solcher Proben werde die körperliche Integrität in keiner Weise verletzt. Der Vorgang sei wie bei Schnäuzen, Ohren putzen, Kämmen oder Nägel schneiden.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Weigerung des Antragsgegners zur Mitwirkung an der Befundaufnahme nicht berechtigt sei. Die zweite Instanz gab dem Rekurs des Antragsgegners ebenfalls nicht Folge – der DNA-Test zur Feststellung der Abstammung sei erforderlich und geeignet, um die erbbiologische Sachverhaltsfrage zu klären.

Der Antragsgegner wandte sich schlussendlich an den Obersten Gerichtshof (OGH), da er "Rechtsprechung zur Frage, ab wann von einer Zeugungsvermutung tatsächlich gesprochen werden können beziehungsweise wo hier die Grenze liege, wonach bloße Gerüchte einen Feststellungsantrag begründen können" vermisse.

Zumutbarkeit einer Mitwirkung

Der OGH wies den Revisionsrekurs des Antragsgegners zurück und befand, dass den Vorinstanzen kein aufzugreifender Fehler in ihrer Entscheidungsfindung unterlaufen sei. Aufgrund der Beweislage gebe es gegenüber einem DNA-Test kein vergleichbar verlässliches Mittel zur Feststellung der Vaterschaft. Zur Zumutbarkeit einer Mitwirkung im Zusammenhang mit der Demenzerkrankung des Antragsgegners sei festzuhalten, dass die Mitwirkung darin besteht, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben mitzuwirken. Es sei nicht erkennbar, dass die Anordnung eines DNA-Tests durch einen Mundhöhlenabstrich, eine Fingernagelprobe oder Sicherung von Ohrenschmalz oder einer Nasenspur unzumutbar wäre, oder das Leben oder die Gesundheit des Antragstellers gefährdet wäre. Es bestünden auch keine Hinweise darauf, dass der Antragsgegner durch die Probenentnahme in eine unangenehme Lage gebracht werde, weil diese durch einen vertrauten Arzt vorgenommen werden könnte. Bereits die zweite Instanz habe richtig erkannt, dass das Kind (Antragsteller) nach der Rechtsprechung die Wahl zwischen Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis und Zeugungsvermutung hat. Bei der Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis durch Vornahme eines DNA-Tests kommt es daher gerade nicht darauf an, ob auch die Zeugungsvermutung für die Vaterschaft des Antragsgegners spricht. Entscheidet sich der Antragsteller also für die Vornahme eines DNA-Tests, ist die Argumentation des Antragsgegners, es "gebe keinerlei Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit der Vaterschaft", hinfällig.

Trotz seiner Demenzerkrankung wurde der Antragsgegner also vom OGH dazu verpflichtet, einen DNA-Test zur Feststellung der Vaterschaft an sich durchführen zu lassen.

Die Entscheidung zeigt, dass die Zumutbarkeit eines DNA-Tests in den meisten Fällen vorliegt. Allgemein sieht das Gesetz vor, dass, soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, alle Personen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben, mitzuwirken haben. Die Pflicht zur Mitwirkung besteht nur dann nicht, wenn diese mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Es ist also stets bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken, Ausnahmen von dieser Verpflichtung werden nur selten als zulässig erachtet. Die Feststellung der Abstammung ist ein elementares Grundrecht jedes Menschen, das nicht an der ungerechtfertigten Weigerung beteiligter Personen scheitern darf. Das Recht des Kindes (Antragsstellers) an der Ermittlung seiner wahren Abstammung kann auch aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleitet werden. (9 Ob 66/22d) (Julia Andras, 10.3.2023)