Die Paarung von Männchen und Weibchen ist in der Natur keine Selbstverständlichkeit. Lange Zeit kannte das Leben auf der Erde gar keine Geschlechter. Doch als die Natur die Geschlechter und den Sex erst einmal erfunden hatte, setzte sich das Konzept dank der besseren genetischen Anpassungsfähigkeit evolutionär schnell durch.

Doch Sex hat auch Nachteile, weshalb manche Tiere bis heute in der Lage sind, auf andere Formen der Fortpflanzung auszuweichen. Die Jungferngeburt, auch Parthenogenese genannt, ist unter bestimmten Umständen bei Bärtierchen, Blattläusen, Schnecken und sogar Haien möglich.

Sieben Mäuse aus dem Experiment wuchsen zu gesunden Erwachsenen heran. Sie sollen nun genauer untersucht werden.
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Auch im Labor ist es möglich, weibliche Tiere ohne Zuhilfenahme von Männchen zu erschaffen. So entstand etwa das berühmte Klonschaf Dolly aus einer unbefruchteten Eizelle, deren Zellkern durch den einer Zelle eines erwachsenen weiblichen Individuums getauscht wurde. Männchen braucht es dazu nicht, im Gegenteil: Männliche Individuen zu klonen ist schwieriger und gelang erst im Jahr 1999 erstmals.

Die Erzeugung einer männlichen Eizelle

In jedem Fall war zur Fortpflanzung die Eizelle eines weiblichen Tieres nötig, doch das könnte sich nun ändern. Das Fachjournal "Nature" berichtet aktuell von einem erfolgreichen Experiment einer Gruppe um den Genetiker Katsuhiko Hayashi von der Universität Osaka, dessen Ergebnisse der Forscher zur Publikation eingereicht und nun bei der "Third International Summit on Human Genome Editing" in London vorgestellt hat.

Das Team schaffte es, Hautzellen männlicher Mäuse in Eizellen umzuwandeln, diese zu befruchten und Mäuse-Leihmüttern einzusetzen, die gesunde Mäuse zur Welt brachten. Etwas Ähnliches war bereits 2018 erstmals gelungen, doch die daraus entstandenen Tiere lebten nur wenige Stunden. Es war Hayashis Forschungsgruppe, die in den folgenden Jahren die Grundlagen des Verfahrens beschrieb. Nun setzte man dieses Wissen erfolgreich ein.

Austausch von Chromosomen

Dabei gab es verschiedene Hindernisse zu überwinden: Männliche Zellen verfügen bekannterweise in der Regel über das Y-Chromosom, während in der weiblichen Zelle das X-Chromosom doppelt vorkommt. Das ist bei Mäusen nicht anders als bei Menschen. Die Herausforderung bestand also darin, das Y-Chromosom loszuwerden und durch ein zweites X-Chromosom zu ersetzen.

Dafür erzeugte das Team zuerst aus männlichen Mäusezellen pluripotente Stammzellen. Das sind Zellen, die sich im Prinzip zu jeder beliebigen Körperzelle entwickeln können – ein wichtiger Ausgangspunkt für viele genetische Forschungen. Daraufhin vermehrte das Team die Zellen, bis manche davon durch fehlerhafte Teilung spontan ihr Y-Chromosom verloren hatten.

Daraufhin behandelte man die Zellen mit einer chemischen Verbindung namens Reversin, die zu Fehlern in der Verteilung von Chromosomen bei der Zellteilung führen kann. Dadurch entstanden einige Zellen mit zwei X-Chromosomen.

Die Forschenden isolierten diese neu erschaffenen weiblichen Zellen und programmierten sie genetisch zu unbefruchteten Eizellen um. Diese befruchteten sie dann mit Mäusespermien und pflanzten sie weiblichen Mäusen ein.

Bei der Zellteilung ordnen sich die Chromosomen (blau) durch den Spindelapparat (grün) im Zellkern. Wird dieser Prozess gestört, können Chromosomen bei der Teilung in der falschen Zelle landen. Diesen Effekt machte sich das Forschungsteam zunutze.
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Die glorreichen Sieben

In welchem frühen Stadium sich diese Forschungen befinden, zeigt die geringe Überlebensrate. Von 630 Tieren überlebten nur sieben. Doch diese entwickelten sich zu gesunden Erwachsenen, die auch selbst wieder fruchtbar waren. Eine schnelle Umsetzung beim Menschen lässt das eher nicht erwarten. Gegenüber Nature erinnert Hayashi zudem daran, dass es große Unterschiede zwischen Mäusen und Menschen gibt. Der erste Schritt sei, herauszufinden, in wie weit sich die gesunden Individuen von jenen unterscheiden, die nicht lebensfähig waren.

Er ist nicht das erste Mal, dass Mäuse geboren wurden, die das Erbgut zweier Väter tragen. Das schaffte bereits 2010 ein Team aus den USA. Dort wurde allerdings nur in einer männlichen Zelle das Y-Chromosom entfernt und der so behandelte Zellkern einem weiblichen Mäuseembryo eingepflanzt. Die ausgewachsene Maus paarte sich dann mit einem Männchen, wodurch ihre Kinder das Erbgut zweier männlicher Mäuse hatten.

Kinder von zwei Vätern

Der Entwicklungsbiologe Mitinori Saitou von der Universität Kioto warnt, es könnte bei menschlichen Zellen nötig sein, sie länger im Labor wachsen zu lassen. Das würde die Gefahr genetischer Fehler erhöhen. Doch wenn es gelingt, den Prozess ausreichend weiterzuentwickeln, könnte es künftig zwei Männern erlauben, gemeinsam ein Kind zu haben.

Hayashi ist sich der gesellschaftlichen Dimension seiner Forschung bewusst, die er ausgerechnet am Weltfrauentag der Öffentlichkeit präsentierte. Gegenüber dem "Guardian" gibt der Forscher an, dass die Technologie in zehn Jahren bereit für die Anwendung am Menschen sein könnte, wobei er sein Augenmerk auf die Behandlung von Krankheiten wie dem Turner-Syndrom legen will, das sich bei Frauen durch das Fehlen eines X-Chromosoms äußert. Der Defekt lasse sich dank der neuen Technik zur Vermehrung der X-Chromosomen nun korrigieren. Der Forscher fordert jedenfalls eine breitere Diskussion zu den neuen Möglichkeiten ein. (Reinhard Kleindl, 11.3.2023)