Die Spritzen sind neben Weißweinflaschen im Getränkekühlschrank eingelagert. Der Behandlungsstuhl wird gerade noch hereingetragen. Vor der Tür hat sich bereits eine Schlange an Interessentinnen gebildet, die sich nach Frizzante und Brötchen ein bisschen Botox gönnen wollen: Die Party kann beginnen.

Wir befinden uns in einem Büro im ersten Wiener Bezirk. Normalerweise arbeiten hier Adi Weiss, Herausgeber eines Modemagazins, und sein Geschäftspartner Michael Lameraner. Aber heute ist ihr Büro eine Praxis, also: irgendwie. Zusammen mit dem Beauty-Doc Christian Wolf und der ehemaligen Miss Austria Carmen Knor wurde zur Botox-Party gebeten, die Gäste sind vorwiegend weiblich. Zur Feier des Tages gibt's das Nervengift-Jaukerl, das Falten zumindest für ein paar Monate glättet, zum Spezialpreis von 99 Euro.

In Österreich sind Botox-Partys, bei denen bei Bussibussi, Prosecco, Brötchen Zornesfalten und Krähenfüßen zuleibegerückt wird, ein Kuriosum, In den USA sind die Partys längst etabliert.
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In Österreich sind Botox-Partys, bei denen bei Bussibussi, Prosecco, Brötchen mit dem Nervengift Zornesfalten und Krähenfüßen zuleibegerückt wird, ein Kuriosum, das Fernsehkameras und Promis anlockt. In den USA sind die Partys im privaten bis halb-privaten Rahmen längst etabliert. Maklerinnen, die ein Luxusdomizil mit ein paar gratis verspritzen Ampullen Botox promoten – in der Immobilienszene von Beverly Hills ist das zumindest in der Netflix-Serie "Selling Sunset" scheinbar ganz normal.

Die Fett-weg-Spritze

Für sie ist es das erste Mal, sagt eine Dame mit grauem Schal. Sie muss sich noch etwas gedulden: Vor ihr stehen noch einige Frauen in der Schlange, die in der einen Hand ihre Einverständniserklärung, in der anderen ihre teure Handtasche halten. Auch die Botox-Anfängerin hält sich gerade ein wenig nervös an ihrer Valentino-Tasche fest. Ihre ganz in Pink gekleidete Freundin ist dagegen schon ein alter Hase. Reifer Hase, wie man hier mit einem Kichern und nach einem Schluck Prosecco wohl sagen würde.

Die Blondine spritzt seit fast 20 Jahren – nicht nur Botox, sondern zur Aufpolsterung auch Hyaluron. Erst im November war ihr letzter Termin beim Herrn Doktor, der am Donnerstagabend aber ein wenig auf sich warten lässt: In letzter Minute war ihm noch eine Beratung zu einem Nosejob hereingekommen.

Nach einer kurzen Handshake- und Bussibussi-Runde durch den Raum berichtet er den Anwesenden dann von den neuesten Trends im Geschäft, etwa Wegovy – der sogenannten Fett-weg-Spritze, mit der sich halb Hollywood gerade halbiert. Auch in Österreich kommt der Trend an, er kommt allerdings mit mehreren hundert Euro pro Monat noch teurer als die Anti-Falten-Injektionen.

Schön bis ins Ohrläppchen

Es sei trotz der hohen Preise unglaublich stark nachgefragt, wurde beim Smalltalk am Abend versichert. Ebenso der zweite heute angepriesene "Beauty Trend": Profhilo. Der neue Filler strafft angeblich wie bereits bekannte Hyaluronbehandlungen, dem derzeit gängigsten Mittel zum Ausbügeln und Auffüllen diverser Gesichtspartien.

Profhilo könne das auch – noch dazu ohne "Aufzupolstern". Denn das sei mittlerweile nicht mehr so angesagt. Gerade vor der Ballsaison sei Profhilo heuer schon in so manches Dekoletee, in Handrücken – ja, sogar in Ohrläppchen geflossen, um den Ohrenschmuck besonders gut zur Geltung zu bringen. Komplimente seien nach der Behandlung garantiert, heißt es beim Event.

All das wird mit zustimmendem Nicken, aufgeregtem Tuscheln und Klinkern der Prosecco-Gläser quittiert. Und dann ist es endlich so weit: "Let's get ready to botox! Bitte in einer Reihe anstellen", ruft Carmen Knor am Ende des Vortrags.

Ein schneller Stich

Und während sich die einen also bereits anstellen, stehen andere Gäste noch um Stehtische in grellrosa Hussen, es gibt belegte Brote, Frizzante, aber kein Cola light, wie eine Frau enttäuscht feststellen muss. Vielleicht ist sie darüber auch schwer verärgert – ihre Mimik gibt darüber nur wenig Aufschluss.

Auch der Betreiber einer Modelagentur ist gekommen. Zum Netzwerken – aber auch auf einen schnellen Stich. Er botoxe, seit er 27 ist, erzählt er. Weil man damit auch gleich viel frischer aussehe, und – er wird unterbrochen: "Wir brauchen einen Spiegel", schallt es plötzlich aus dem Botox-Büro. Das Ergebnis der Behandlung sieht man zwar erst nach ca. zwei Wochen – doch da will wohl jemand auf Nummer sicher gehen.

Weh tue das Spritzen zum Glück nicht, versichert eine der ersten Patientinnen des Abends, nachdem sie aus der improvisierten Ordination kommt. Einstichstellen sieht man in ihrem gebräunten Gesicht keine, und auch sonst sieht sie nicht anders aus als zuvor. Wie gesagt: Es dauert, bis die Falten weg sind.

Ein Geburtstagsgeschenk

"Wie ein Gelsenstich!", erzählt die Frau mit schwungvoller Föhnfrisur. Sie sei schon ein älteres Semester, sagt sie und lacht: "Beim letzten Mal wollte ich Geld sparen und habe mir im Internet einen Anbieter gesucht, das ging dann aber schief." Die Augenbrauen seien über die Augen gehangen, der Effekt habe länger angehalten, als ihr lieb war.

Daher will sie nun nur noch zu Profis gehen. Die heutige Behandlung – an drei Stellen im Gesicht ließ sie sich stechen – war ein Geburtstagsgeschenk des Gatten. Er steht sichtlich stolz daneben, scheint persönlich aber Spritzern mehr zugetan als Spritzen. Nur ist der Geburtstag der Frau erst im November – und bis dahin wird es wohl noch eine Auffrischung brauchen. Aber die nächste Botox-Party kommt bestimmt. (Antonia Rauth, Franziska Zoidl, 10.3.2023)