Geht das überhaupt noch? Nach Barcelona zu fahren und Ruhe zu finden? Nicht von Hen-Partys und Sonnenhungrigen im Barri Gòtic zerquetscht zu werden? Ich hatte eine Mission, ich hatte eine Herausforderung: Ich wollte das verschlafene Barcelona kennenlernen. Zum Glück hatte ich einen katalanischen Begleiter.

Natürlich hat auch an diesem Morgen wieder ein Kreuzfahrtschiff angelegt. Die Menschenteppiche schoben sich an der Kathedrale vorbei. Trotzdem fanden wir einen ruhigen Ort, dessen Wegbeschreibung ich nur lückenhaft wiedergeben kann: dritte Mauer links, durch den Spalt geradeaus, an der Minikreuzung rechts und am vierten Blumentopf unter dem Bogen hindurch, gleich westlich der Kathedrale.

Die Plaça de Sant Felip Neri liegt gut versteckt Barcelona.

Auf Irrwegen gelangten wir also zur Plaça de Sant Felip Neri. Zwei krumme Gassen führen auf diese "kleine Lichtung inmitten des Gassengewirrs des gotischen Viertels", wie Carlos Ruiz Zafón den Platz in seinem Bestseller Der Schatten des Windes beschrieb. Unter schattigen Tipubäumen kann man in einem Café ein Glas Tee trinken, die Renaissance-Fassade des Schuhmuseums studieren, dem Plätschern des Brunnens in der Mitte der Plaça zuhören und sich von Einwohnern die Geschichte des Ortes erzählen lassen.

Hier kann man sich im Schatten der Bäume niederlassen und ein Gläschen trinken.

1938 warfen die spanischen Faschisten Bomben auf das widerspenstige Barcelona ab, und eine davon traf die barocke Kirche, die dem Platz ihren Namen gab. Im Gotteshaus und dem Luftschutzbunker darunter hielten sich viele Menschen versteckt – darunter Kinder der nebenan gelegenen Schule. 42 Menschenleben waren nach dem Angriff zu beklagen, dessen Spuren noch heute an den Kirchenmauern zu sehen sind.

Krieg und Frieden. An diesem Platz kann man schön darüber nachdenken, gerade in heutigen Zeiten. Selbst im Hochsommer ist es erstaunlich kühl, die Bäume und die umliegenden Gebäude spenden genügend Schatten – und unter den Augen der steinernen Gargoyles, die vom Dach des Schuhmuseums her unterstarren, küsst einen vielleicht eines Tages die Muse.

Hat Ruiz Zafón seinen Bestseller hier erdacht? Möglich wäre es. Jedenfalls fühle ich mich weit, weit weg vom Selfierummel an der Kathedrale. Mission erfüllt. (Ulf Lippitz, 13.3.2023)