Der Messenger droht sogar mit einem Rückzug aus Großbritannien.

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Die Europäische Union ist nicht allein mit ihrem Vorhaben, die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Internet einzudämmen. Mit dem sogenannten Online Safety Bill erarbeitet auch Großbritannien ein Gesetz, das Messengerdienste zur Unterwanderung der verschlüsselten Kommunikation zwingen würde – und für vehemente Gegenwehr von Datenschützerinnen, Datenschützern und betroffenen Unternehmen sorgt.

Whatsapp drohte Ende letzten Jahre deshalb, sich im Falle einer Realisierung des Vorhabens vom britischen Markt zurückziehen zu wollen. "Es wäre eine sehr schwierige Entscheidung für uns, eine Änderung vorzunehmen, die die Sicherheit von 100 Prozent unserer Nutzer verschlechtert", sagte damals Whatsapp-Chef Will Cathcart gegenüber dem britischen "Telegraph". Daher müsse man potenziell den Kompromiss eingehen, "dass wir in einigen Ländern verboten sind" – obwohl dies bisher nur in autoritären Staaten der Fall sei.

"Merkwürdige Entscheidung"

Bei einem Großbritannien-Besuch hat Cathcart am Donnerstag nochmals nachgelegt. Laut dem "Guardian" beschrieb er das Vorhaben dabei als das besorgniserregendste Gesetz, das derzeit in der westlichen Welt diskutiert wird. 98 Prozent der Whatsapp-User würden außerhalb des Vereinigten Königreichs leben – und nicht wollen, dass die Sicherheit des Messengers verschlechtert werde. "Es wäre schlichtweg eine merkwürdige Entscheidung, wenn wir die Sicherheit des Produkts in einer Weise herabsetzen würden, die diese 98 Prozent der Nutzer beeinträchtigen würde", sagte er.

In der Kritik stehen sowohl das geplante EU-Gesetz als auch der britische Online Safety Bill, weil Messenger dazu gezwungen werden sollen, auf dem Smartphone ihrer Kunden nach Missbrauchsmaterial zu suchen. Eine Anforderung, die ohne eine Unterwanderung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht möglich wäre. Diese schützt Nachrichten zwar auf dem Transportweg, ermöglicht das Auslesen der Inhalte aber, nachdem sie ihr Ziel – also das Smartphone eines Kontakts – erreicht haben. Hier würde auch der Scan nach CSAM, also nach Child-Sexual-Abuse-Material, ansetzen.

Scan auf dem Endgerät

Die Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder soll mithilfe sogenannter Hashes aufgespürt werden. Dabei handelt es sich um eine Art digitalen Fingerabdruck, der mit bekanntem Material abgeglichen wird. Weil die meisten Anbieter eine Form der Verschlüsselung anbieten, kann ein solcher Scan nur auf dem Endgerät stattfinden. Ein Vorgang, der auch Client-Side-Scanning genannt wird.

Kritik am Gesetzesvorschlag der EU haben mittlerweile nicht nur Datenschutz- und Grundrechtsorganisationen, der UN-Menschenrechtskommissar und der österreichische Nationalrat ausgesprochen: Kinderschützer warnen davor, dass die Chatüberwachung möglicherweise Gefahren für Jugendliche bergen könnte.

Kritik der Kinderschützer

In einer Stellungnahme im Vorfeld einer Anhörung im Deutschen Bundestag hält Joachim Türk vom Deutschen Kinderschutzbund zudem fest, dass "das anlasslose Scannen privater Kommunikation" zu weit gehe – und in die Grundrechte von Erwachsenen, aber auch Kindern und Jugendlichen eingreife. Laut ihm sei es ein "wesentlicher Pfeiler von Demokratie und Partizipation", dass Minderjährige in einem Umfeld aufwachsen, "in dem freie Meinungsäußerung und vertrauliche Kommunikation selbstverständlich sind". Sorgen, die sich auch auf das in Großbritannien geplante Gesetz umlegen lassen dürften.

Wie "Mashable" unter Berufung auf die BBC berichtet, hat auch der sichere Messenger Signal erklärt, dass er die Verschlüsselung nicht unterwandern werde, falls das britische Gesetz in Kraft treten sollte. Zur Situation in der EU haben sich die Unternehmen bisher noch nicht zu Wort gemeldet. (mick, 10.3.2023)