Dorothee von Laer ist seit Beginn der Pandemie fast allen Menschen in Österreich ein Begriff. Die Professorin für Virologie an der Med-Uni Innsbruck klärte von Anfang an in den Medien über das Virus, seine gesundheitlichen Auswirkungen und medizinische Maßnahmen wie die Impfung auf. In ihrer trockenen, sachlichen Art brachte sie viel Licht ins virologische Dunkel in der Bevölkerung. Im STANDARD-Gespräch blickt sie – durchaus kritisch – auf ihre eigene Rolle.

Europa im Diskurs. Mittendrin: Die Forscherin Dorothee von Laer.
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STANDARD: Was wurde in der Pandemie falsch gemacht?

Von Laer: Wir wissen heute, dass einige Maßnahmen nicht wirklich sinnvoll waren, etwa das Tragen von Maske und Abstandhalten an der frischen Luft, das in der Frühphase propagiert wurde. Aber eines ist ganz klar, der Lockdown war nicht vermeidbar. Nur so konnte man in der ersten Zeit, als es noch keine Testinfrastruktur und vor allem keine Impfungen gab, die Bevölkerung schützen. Erst später, als Masken und Tests etabliert waren, hätte man beispielsweise die Altersheime nicht mehr so abschotten müssen. Und auch Großveranstaltungen wie Fußballspiele wären wohl möglich gewesen. Aber ich denke, im Nachhinein ist man immer klüger.

STANDARD: Sie betonen, dass die Impfungen alles verändert haben. Das glauben viele in der Bevölkerung so nicht. Warum?

Von Laer: Das Tempo, in dem die Impfungen entwickelt wurden, war unglaublich schnell, das hätte man sich ein paar Jahre zuvor noch nicht vorstellen können. Aber zu Beginn war vieles noch unklar. Man dachte zum Beispiel, zwei Impfungen reichen für eine Grundimmunisierung, dann wurde klar, es ist doch eine dritte nötig. Und leider ist der Schutz vor Infektion nicht gegeben, das ist bei respiratorischen Viren extrem schwierig, das Problem gibt es ja auch bei der Influenza. Aber zum Glück hält der Schutz vor schweren Verläufen sehr lange an. Trotzdem haben diese Faktoren sicher für Unsicherheit gesorgt.

STANDARD: Haben Sie sich auch einmal geirrt?

Von Laer: Ich habe immer nach dem Stand der Forschung und nach bestem Wissen und Gewissen beraten. Mit fast 40 Jahren Erfahrung in der Virologie entwickelt man da ein gewisses Gespür. Ich habe auch immer klargemacht, dass ich nur aus virologischer Sicht sprechen kann, die gesellschaftlichen Auswirkungen sind nicht mein Spezialgebiet. Virologisch bin ich eigentlich immer richtiggelegen, nur eines hat mich und auch andere überrascht, die Geschwindigkeit, mit der das Virus mutiert ist. Da ist Sars-CoV-2 wirklich einzigartig, das habe ich so noch nicht gekannt. Dadurch entsteht auch ein richtiger Wettlauf bei der Anpassung der Impfung. (Pia Kruckenhauser, 10.3.2023)