Visionen für eine grünere, nachhaltigere Stadt gäbe es zuhauf: mehr Grün auf den Fassaden, ein Umstieg auf nachhaltigere Heizsysteme, Photovoltaik auf dem Dach. Bloß helfen all die hochtrabenden Pläne nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden. Ein Problem: Die Eigentumsverhältnisse werden in vielen Wiener Häusern immer zerspragelter. Wer in seinem Wohnhaus also beispielsweise die Fassade bepflanzen möchte, muss erst einmal Klinken putzen, um das Einverständnis von vielen Miteigentümerinnen einzuholen. Und am Ende fehlt trotzdem oft die eine entscheidende Stimme.

Zu viele Köche verderben den Brei – das gilt mitunter auch in Wohnhäusern.
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Größtes Potenzial

Je weniger Eigentümer, umso einfacher sind Modernisierungsprojekte umzusetzen, so lautet die Annahme einer aktuellen Publikation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit dem Architekten Florian Brand von HuB Architekten, für die man sich anschaute, wem die Stadt gehört. Dafür wurden Grundbuchdaten mit anderen, frei verfügbaren Informationsquellen kombiniert.

Das Ziel: für Stadtplanerinnen und Stadtplaner zum Beispiel sichtbar machen, wo das Potenzial für Photovoltaikanlagen oder grüne Fassaden groß ist, weil es große Dachflächen oder breite Gehsteige und möglichst wenige Eigentümer gibt.

Robert Musil vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ortet unterschiedliche Trends am Immobilienmarkt: Die traditionellen privaten Eigentümer von Zinshäusern, die ihre Immobilien über Generationen weitergegeben haben, sterben aus.

Gibt es mehrere Erben, wird es rasch schwierig, im Haus Entscheidungen zu treffen. In vielen Fällen folgt ein Verkauf an einen Immobilienentwickler, der das Haus entweder parifiziert und die Wohnungen einzeln abverkauft – oder das gesamte Gebäude an einen Investor veräußert.

Wo zahlt es sich aus?

Was aus den Erhebungen hervorgeht: Manche Teile der Stadt sind zerspragelter als andere. "Im achten Bezirk gibt es diese traditionellen Immobilienhalter noch stärker", sagt Musil. Groß ist das Potenzial für Fassadenbegrünungen beispielsweise an der Ringstraße und in Innerfavoriten, weil die Gehsteigbreite über 2,15 Metern liegt – zwei Meter muss sie für Begrünung mindestens betragen – und die Eigentümeranzahl gering ist.

Prozentangabe an potenziell begrünbaren Fassadenlaufmeter (Gehsteigbreite >2,15m, mit unterdurchschnittlicher Eigentümer:innenanzahl) am Baublock
Grafik: Österreichische Akademie der Wissenschaften

Viele weitere Erhebungen sind mit den nun entwickelten Werkzeugen möglich: Man könnte laut Musil beispielsweise auch die größten unbebauten Innenhöfe mit der geringsten Anzahl an Eigentümerinnen und Eigentümern erheben, um das Potenzial für Erdwärme auszuloten.

So entstehen bunt schraffierte Gebiete – und im besten Fall viele gute Ideen. Für Stadtplanerinnen und Stadtplaner wird so ersichtlich, in welchen Grätzeln sich eine eingehende Recherche auszahlen könnte. Und wo sich vielleicht Pilotprojekte anstoßen lassen, die dann in den Rest der Stadt ausstrahlen. (Franziska Zoidl, 10.3.2023)