Die Energiepreise haben Unternehmen wie Konsumenten kräftig unter Druck gesetzt. Das ruft auch Zweifel an der Berechnung der Strompreistarife hervor.

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Wien – Energiefragen haben die Welt in den vergangenen Monaten heftig bewegt. Das gilt auch für Unternehmen, die die gestiegenen Preise teils ebenso in die Bredouille gebracht haben wie Konsumenten und Konsumentinnen. Das ruft nun den Unternehmerverband "Senat der Wirtschaft" auf den Plan. Die Regierung müsse eine kartellrechtliche Prüfung des heimischen Strommarktes in die Wege leiten, fordert dessen Vorsitzender Hans Harrer am Freitag bei einer Veranstaltung in Wien gemeinsam mit dem Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger.

E-Control und Bundeswettbewerbskontrolle (BWB) haben eine gemeinsame Taskforce eingerichtet, um die Lage am Strom- und Gasmarkt zu untersuchen. Sie müssten den Strom-Preisbildungsprozesse auf Marktmachtmissbrauch untersuchen, fordert Harrer. Es sei nicht der Ukraine-Krieg, der die Preishausse verursacht habe, ist Anwalt Zanger überzeugt. Die Preise seien schon davor davongaloppiert – fernab der Produktionskosten. Harrer spricht von einem "undurchsichtigen" System, indem "marktbeherrschende Landesenergieversorger und die Verbund AG ihre Preisgestaltung nicht am eigenen Beschaffungsportfolio ausrichten, sondern an kurzfristigen Spotpreisen."

Schadenersatz

Der Wiener Anwalt Georg Zanger ist davon überzeugt, dass zahlreiche Betriebe die Chance haben, sich einige ihrer Energie-Kosten am zivilrechtlichen Weg zurückzuholen. Zanger beruft sich auf die EU-Richtlinie zum "Private Enforcement", die es Unternehmen ermögliche, Schadenersatz gegenüber ihren Energieversorgern aufgrund von Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht geltend zu machen. "Die Unternehmen müssen sich wehren", sagt Zanger.

Die Kanzlei Zanger hat heute, Freitag, beim Handelsgericht Wien eine erste Klage eines Energie-Endkunden eingebracht, die sich auf das Kartellrecht stützt. Es geht um den Ökostromtarif für Privathaushalte der Wien Energie. Unternehmerklagen sollen in Kürze folgen – in Kooperation mit dem Prozessfinanzierer Padronus. Rückenwind sieht Zanger durch das – nicht rechtskräftige – Urteil des Handelsgerichts Wien, das die Preiserhöhung des teilstaatlichen Stromkonzerns Verbund vom Mai 2022 gekippt hatte.

Zweifel an Berechnungsgrundlage

Eine Passage im Entscheid des Handelsgerichts hält Anwalt Zanger für besonders relevant: "Werden die Strommengen nicht tatsächlich an der EEX erworben, sondern konzernintern erzeugt, ist ein Index, der den ÖSPI (Österreichischer Strompreisindex) als Berechnungsgrundlage heranzieht, nicht sachgerecht, um die subjektive Äquivalenz des Vertrages beizubehalten." Laut Zanger haben alle heimischen Energieunternehmen den ÖSPI als Tarif-Berechnungsgrundlage in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verankert. Dies sei Marktmissbrauch, weil keiner der Versorger – auch wenn die Stromeigenproduktion durch Wasserkraft sehr hoch sei – einen niedrigeren Preis anbieten würde. Der Umstand, dass dies bei allen gleich sei, "ist ein Kartell, auch wenn die nicht an einem Tisch beisammen gesessen sind". (rebu, 10.03.2023)