Die Wohnungsnot treibt viele Berlinerinnen und Berliner immer wieder auf die Straße. Beim Volksentscheid 2021 sprachen sich eine Million Menschen für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia aus.

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Noch hat Berlin nach der Wiederholungswahl vom 13. Februar keine neue Regierung. Doch die CDU, die bei der Wahl siegte, verhandelt seit Donnerstag mit der SPD über eine große Koalition. Eines der wichtigsten Themen dabei: Wie kommen die Berlinerinnen und Berliner rasch an bezahlbare Wohnungen? Man schätzt, dass ungefähr 100.000 davon fehlen.

Eine Handlungsanleitung gäbe es seit dem 26. September 2021. An diesem Tag befürworteten mehr als eine Million Menschen in einem Volksentscheid die Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen – wobei es genau genommen um Vergesellschaftung geht. Denn den Eigentümern der Unternehmen soll schon eine Entschädigung bezahlt werden, allerdings unter Marktwert. Doch die Initiative nennt sich "Deutsche Wohnen & Co enteignen", also wird häufig auch von Enteignung gesprochen. Im Blick sind Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen, wie eben die Deutsche Wohnen oder Vonovia.

Breite Unterstützung

Der Volksentscheid ist zwar für die Berliner Politik nicht bindend. Aber angesichts der breiten Unterstützung in der Bevölkerung kann sie ihn auch schlecht ignorieren. Doch es gab in der kurzen Regierungszeit der Berliner Regierung aus SPD, Grünen und Linken – unter Führung von Franziska Giffey – Differenzen in der Frage.

Linke und Grüne pochten auf Enteignung und tun es nach wie vor. Giffey hingegen hält nichts davon. "Ich habe einen Eid geleistet, für diese Stadt das Beste zu bewegen und auch Schaden von dieser Stadt abzuwenden", sagte sie im Wahlkampf etwas pathetisch und brachte zudem ihre ostdeutsche Herkunft ins Spiel. Da sie in der DDR aufgewachsen sei, könne sie Enteignungen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Eine solche Maßnahme brächte auch keine einzige neue Wohnung.

Abschlussbericht bis Ende April

Damit liegt Giffey auf Linie von CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, mit dem sie jetzt über die Koalition verhandelt. Doch auch die beiden können den Volksentscheid nicht einfach links liegen lassen.

Eine noch von SPD, Grünen und Linken eingesetzte Expertenkommission berät seit Monaten, ob Enteignungen juristisch und finanziell überhaupt möglich seien oder gegen das Grundgesetz verstoßen würden. Sie will bis Ende April ihre Arbeit abschließen. In einem Zwischenbericht, vorgelegt im Dezember, hat sie erklärt, dass es schon Chancen gebe. Das freut die Initiative, die sich auf Artikel 15 im Grundgesetz beruft. Darin heißt es, dass "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel" in Gemeineigentum überführt werden können. Vergesellschaftet werden sollen in Berlin nicht die Unternehmen selbst, sondern deren Grundstücke und Gebäude.

Weder Wegner noch Giffey überzeugte das. Aber da sie mit dem Thema umgehen müssen, wollen sie – wenn die Expertenkommission final grünes Licht gibt – ein Rahmengesetz für die Vergesellschaftung vorlegen. Und auch dann könnte es noch länger dauern. CDU-Mann Wegner hat angekündigt, das Gesetz erst einmal per Normenkontrollverfahren vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen zu wollen.

Der Mietendeckel als Flop

Einen Flop wie beim Mietendeckel wollen weder die CDU noch die Sozialdemokraten riskieren. Mit einem Mietenstopp sollten in Berlin – erstmals in Deutschland – die Obergrenzen von Mieten festgelegt werden. Beschlossen hat es das Berliner Abgeordnetenhaus 2020. Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner freuten sich, als es in Kraft trat, über eine Absenkung ihrer zum Teil völlig überhöhten Mieten. Doch die Erleichterung währte nur kurz. 2021 erklärte das Bundesverfassungsgesetz den Mietendeckel für nichtig. Es beurteilte gar nicht, ob der Eingriff in Eigentum (also jenes der Vermieter) überhaupt berechtigt sei, sondern gab bekannt, dass das Land Berlin in dieser Angelegenheit überhaupt keine Kompetenz habe. Nur der Bund könne tätig werden.

Der Weg bis zu einem Enteignungsgesetz dürfte also noch ein sehr langer sein. Dennoch ist sich die Initiative, die sich dafür einsetzt, sicher: "Die Zeichen stehen auf Vergesellschaftung." Und sie hat schon Pläne vorgelegt, wie es nach der Vergesellschaftung von rund 250.000 Wohnungen weitergehen soll. Diese, so die Initiative, sollen in einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) mit Namen "Gemeingut Wohnen" verwaltet und bewirtschaftet werden. Mieter und Mieterinnen, so der Plan, organisieren sich in Siedlungsräten.

Aus den Mieten würden dann auch die Entschädigungen für die Konzerne finanziert werden – laut Initiative 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro. Der Senat allerdings geht von deutlich mehr aus, nämlich 36 Milliarden Euro. (Birgit Baumann aus Berlin, 12.3.2023)