"Guten Tach, mein Name ist Helge Schneider, und ich möchte Sie heute zum Lachen bringen": Als Torero treibt der Musikkomödiant aus Mülheim an der Ruhr bald auch Stiere durch Österreich.

Helge Schneider / Railroad Tracks

Auf dem Albumcover trägt Helge Schneider Kampfanzug. Nur nicht jenen grün gescheckerten, wie er sich seit letztem Jahr leider allzu oft aufdrängt, dieser hier ist rot und hauteng, verblichen und verschlissen, aber doch immer noch fesch anzusehen. Helge Schneider posiert im traditionellen Anzug eines Toreros – sein jüngstes Beutestück aus einem Berliner Secondhand-Laden. Der Verkäufer hat das Teil, das abnehmbare Arme hat, damit man im Verletzungsfall rascher die Blutkonserven anhängen kann, mit den Worten "der letzte Torero" übergeben.

Daraus, dachte sich Helge Schneider, müsse er ein Lied machen. Und daraus wiederum wurde dann ein ganzes Album – oder eine "Schallplatte", wie Schneider sagt. Streaming lehnt er ja entschieden ab, obwohl die "Plattenfirmen" natürlich darauf bestehen, dass er trotzdem auf allen Plattformen vertreten sein muss. Es ist sein insgesamt 17. Album, es trägt den Titel Torero, und es gibt sich mit acht Liedern angenehm überschaubar, verglichen mit dem ausufernden Vorgängerwerk Die Reaktion – The Last Jazz, Vol. II.

Dieses 2021 mitten in die Pandemie losgelassene 22-Stücke-Werk wurde zwar von Kritik und Jazz-Aficionados hoch geschätzt, eingängiger, mit mehr Bekenntnis zum lieben Ohrenwurm namens Pop nimmt sich aber das jetzige aus.

Latin Jazz mit Sancho Panza

Ein Hüsteln und Räuspern, ein wenig Gemurmel, dann gibt das Eröffnungslied The Last Torero die Marschrichtung vor: Im Salsaschritt tänzelt man sich zu Latin Jazz im Geist des kubanischen Buena Vista Social Club von den Ebenen Spaniens bis in die Weiten Amerikas. Mit Rasseln, Trommeln, Klavier, Pauken und Trompeten sowie allerlei gezupftem Instrumentarium versetzen Schneider und sein Gitarrist Sandro Giampietro wie üblich ein ganzes Musikgeschäft in Rotation.

Helge Schneider - Topic

"Ich bin der Letzte meiner Art", singt Schneider und schwärmt über "Lange Schatten in der Sonne der La Mancha / Ich trank schon Rotwein mit Don Quichote und Sancho Panza". Als Ritter von trauriger Gestalt und selbsternannter Romantiker sagt Schneider damit auch, dass sein Kampf keiner gegen Stiere, sondern einer gegen Windmühlen ist: gegen Konformitätsdruck, für entschieden mehr Anarchie und Feier des Nonsens im Kleinen – Widerstand aber immer auch dann, wenn einem der eigentliche Nonsens in der Maskerade der Vernunft begegnet. Dazu gehört schon einmal, dass Schneider während der Pandemie ein Konzert vor in Strandkörben auf Distanz gebrachtem Publikum abbrach, weil ihn das Konzept dann doch nervte.

Howdy Cowboy: Helge Schneider war zwar noch nie in den USA, das Klischee lässt sich so aber umso besser verkörpern.
Foto: Helge Schneider, Railroad Tracks

Mit seinen erst 67 Lenzen gibt sich Schneider durch konsequente Abwehr professioneller Eingriffe im Gesichts- und Kopfhaarbereich gerne greisenhafter, als er eigentlich ist. Selbstironisierung als Lebenshaltung – das zieht sich wie ein Faden durch Torero. Wenn er sich in American Bypass für eine spontan am Strand erspähte Instant-Liebe nackt in die Fluten wirft und diese sein Werben mit Wegschauen erwidert. Oder wenn er sich in The Wizard vom genervten Reinigungspersonal auf dem Weg zur Tankstellentoilette als "junger Mann, der hier nicht durch kann", anreden lässt.

Das Stück, als kurzes Hörspiel inszeniert, endet mit dem lautstarken Abwurf einer atomaren Kackwurst in letzter Sekunde. In The Eater (zu Deutsch "Der Esser") wird dann aber wieder unscheniert zugelangt: "Und ist der Teller leer / dann esse ich noch viel mehr." Wenn es zwickt, ist ohnehin der Doktor schuld, wie man in The Guilty Doctor erfährt.

Es lebe das Klischee

Von Veganismus oder Debatten über Gender und kulturelle Aneignung will Helge Schneider in aktuellen Interviews nichts wissen – als letzter Torero auch in dieser Hinsicht verficht er aber die Haltung, sich zu Dingen, bei denen er sich nicht auskennt, nicht zu äußern.

Es sei denn natürlich, es geht um Klischees. In den USA zum Beispiel war Helge Schneider wie auch Karl May noch nie. Romantikern aber reichen bekanntlich schon die Reisen, die im Kopf stattfinden. So klappert der Torero im Stück Horses mit Ennio Morricone durch den Wilden Westen. Und so wird der Torero seine Tour, die im Sommer und Herbst auch nach Österreich führt, so richtig famos und glamourös als "Big L.A. Show" präsentieren.

Insgesamt muss man über Helge Schneider nach bald einem halben Jahrhundert der permanenten Neuerfindung sagen: Er ist nicht der Letzte, sondern Einzige seiner Art. (Stefan Weiss, 11.3.2023)