Der Kanzler bei seiner Rede.

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Mit blankem Entsetzen haben die Umweltorganisationen Greenpeace, WWF, Global 2000 und Fridays for Future am Freitag auf die programmatischen Ansagen von Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer reagiert. Kritisiert wurden Ignoranz, billige Worthülsen und totales Versagen beim Klimaschutz. Vielstimmige Kritik übten auch die SPÖ, FPÖ und die Neos, sie vermissten Inhalte und Ambition. Überschwängliches Lob kam hingegen aus der ÖVP. Die Grünen hielten sich zurück.

"Die Zukunftsrede des Kanzlers hat ihren Namen schlicht nicht verdient. Die ÖVP ist unfähig, die Klimakrise – die größte Krise unserer Zeit – ernst zu nehmen, geschweige denn wirksame Lösungen anzuerkennen und umzusetzen. Das hat sie heute einmal mehr gezeigt", meinte etwa Greenpeace-Sprecherin Lisa Panhuber in einer Aussendung und forderte – wie auch die anderen Organisationen – den Beschluss des lange ausständigen Klimaschutzgesetzes ein.

Sitzblockade

Fridays or Future reagierte nach eigenen Angaben mit einer Sitzblockade auf die "klimaignorante Rede" des Kanzlers. Nehammer ignoriere die Forderungen der Gesellschaft und die Erkenntnisse der Wissenschaft, hieß es. Eine "Ansammlung von rückwärtsgewandten, längst widerlegten Argumenten gegen echten Klimaschutz" ortete auch der WWF.

Für Global 2000 war die Kanzlerrede eine "völlige Bankrotterklärung". Statt konkreter Maßnahmen zum Vorantreiben des Klimaschutzes habe Nehammer fälschlicherweise Benzin- und Dieselautos als klimafreundliche Technologien dargestellt und die Risiken einer schweren Klimakrise verharmlost.

Opposition sieht Versagen

Seitens der Opposition ortete SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ein Versagen der "türkisen Truppe" beim Bewältigen etwa der Teuerung, was auch Sozialsprecher Josef Muchitsch betonte. Ähnlich Vize-Klubchef Jörg Leichtfried: Es sei unglaublich, dass Nehammer die größte soziale Krise in Österreich seit Jahrzehnten nicht einmal erwähnt habe. SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner wiederum sah Frauenthemen ignoriert.

Eine "planlose, visionsbefreite vorösterliche Wald- und Wiesenrede vor versammelter Partei-Elite" ortete FPÖ-Chef Herbert Kickl. "Die einzige Erklärung, die er heute für eine gute Zukunft unserer Heimat auf dieser 'Inzuchtveranstaltung der ÖVP-Familie' abgeben hätte müssen, wäre sein sofortiger Rücktritt mit der Ankündigung möglichst baldiger Neuwahlen gewesen", meinte er. Ernüchtert zeigten sich auch die Neos, die Inhaltsleere und Ambitionslosigkeit orteten.

Grüne zurückhaltend

Eher dürr fielen die Reaktionen der Grünen als kleinem Koalitionspartner der ÖVP aus. In einer kurzen schriftlichen Stellungnahme am Nachmittag hieß es, Nehammer habe eine Rede als Parteiobmann der ÖVP gehalten "und viele bereits bekannte Positionen der Volkspartei wiedergegeben". "Die Rede hatte einen bewusst gewählten Horizont bis zum Jahr 2030 – bezieht sich also auf ÖVP-Vorhaben weit über die bestehende Gesetzgebungsperiode hinaus."

Als Grüne nehme man "ein paar der Vorschläge aber durchaus als positiv wahr, weil es Ansätze sind, die wir teilen". Dies betreffe etwa die Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr, den Ausbau des Versorgungsauftrages für Energieversorger, die Zweckwidmung der Wohnbauförderung oder auch die Gratis-Meisterprüfung.

Die Ärztekammer erklärte in einer Presseaussendung, die grundsätzlichen Überlegungen des Bundeskanzlers seien "an sich gut, einige Vorschläge müssten aber noch überdacht werden". Begrüßenswert sei etwa, dass Nehammer einen Ausbau des Kassensystems um 800 Kassenstellen österreichweit anstrebe. Der bloße Ausbau werde den Kassenärztemangel aber nicht lösen, es brauche auch eine zeitgemäße Honorierung und neue Arbeitszeitmodelle. (APA, 10.3.2023)