Li Qiang beim Ablegen eines Eids.

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Peking – Er ist einer der engsten Vertrauten von Präsident Xi Jinping, seine Wahl zum neuen Regierungschef Chinas wäre aber fast von der Coronapandemie durchkreuzt worden. Als Chef der Kommunistischen Partei in Shanghai hatte Li Qiang den teilweise chaotischen Lockdown in der Megametropole durchgesetzt. Beim Nationalen Volkskongress in Peking wurde der 63-Jährige nun aber mit fast allen Delegiertenstimmen zum Nachfolger des als moderat geltenden Ministerpräsidenten Li Keqiang gewählt.

Lis Beförderung sei ein weiterer Beweis dafür, dass Xi Loyalität wichtiger sei als Leistung, sagt der China-Experte Richard McGregor vom Lowy Institute in Sydney. Li sei zwar qualifiziert und könne durchaus ein guter Regierungschef werden, letztlich sei er aber nur "durch Xis persönliche Gunst" auf den Posten gekommen.

Wirtschaftsfreundlicher Ruf

In China selbst gilt Li als umgänglich und lösungsorientiert. Der Gründer des renommierten Finanzmagazins "Caixin", Hu Shuli, beschrieb den damaligen Gouverneur der wirtschaftlich wichtigen Provinz Zhejiang nach einem Interview im Jahr 2013 als "zurückhaltend und pragmatisch". Ein Weggefährte aus Zhejiang sagte 2016, Li sei "besonders gut darin, die Meinungen aller Seiten anzuhören und sie bei Entscheidungen einzubeziehen".

Im Gegensatz zu fast allen seinen Vorgängern bekleidete Li vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten kein ranghohes Regierungsamt. Er hat aber viel Erfahrung auf lokaler und regionaler Ebene. Er begann seine Karriere als Arbeiter in einer Pumpstation in der Nähe seiner Heimatstadt in Zhejiang und arbeitete sich kontinuierlich nach oben.

Lockdown in Shanghai

Von 2004 bis 2007 arbeitete er als Stabschef für Xi, als dieser noch Parteichef in Zhejiang war. 2013 wurde Li in Zhejiang Gouverneur und erarbeitete sich auf diesem Posten einen wirtschaftsfreundlichen Ruf. Auch als Parteichef in der Wirtschaftsmetropole Shanghai ab 2017 setzte er sich für die Interessen der Wirtschaft ein: Er förderte die Digitalwirtschaft und lockte den US-Elektroautobauer Tesla nach Shanghai.

Um die Wirtschaft nicht zu stark zu belasten, setzte die 25-Millionen-Einwohner-Stadt zu Beginn der Corona-Pandemie auf weniger harte Maßnahmen als der Rest der Volksrepublik. Im Frühjahr 2022 wurde dann aber doch ein harter Lockdown verhängt, der zu Lebensmittelknappheit und massivem Unmut in der Bevölkerung führte. Trotzdem wurde Li im Oktober Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem mächtigsten Gremium der Kommunistischen Partei.

Li in Zukunft vor allem für Wirtschaftspolitik zuständig

Als Ministerpräsident und Leiter des Staatsrates wird er nun für die konkrete Umsetzung von Xis Politik und vor allem für die Wirtschaftspolitik zuständig sein, die der chinesische Staatschef traditionell seinem Regierungschef überlässt. Die Herausforderungen sind immens: Im vergangenen Jahr verzeichnete China ein Wirtschaftswachstum von lediglich drei Prozent – so langsam war Chinas Wirtschaft, abgesehen vom ersten Pandemie-Jahr 2020, zuletzt vor vier Jahrzehnten gewachsen.

Obwohl es seit der Aufhebung der strikten Corona-Maßnahmen wieder aufwärts geht, bleibt für Li viel zu tun: Er muss das Wirtschaftswachstum stabilisieren, eine drohende Finanzkrise abwenden, den strauchelnden Immobilienmarkt stützen und Investoren im In- und Ausland beruhigen.

Im Schatten des Präsidenten

Seine Loyalität gegenüber Xi wird von einigen Beobachtern als Hindernis angesehen, sich bei der Lösung dieser Probleme mit einer eigenen Agenda hervorzutun. Der bisherige Ministerpräsident Li Keqiang, ein gelernter Wirtschaftswissenschaftler, war bei angestrebten Finanzreformen von Xi ausgebremst worden.

Obwohl mit Li Qiang nun ein enger Vertrauter Xis Ministerpräsident sei, werde auch er im Schatten des übermächtigen Präsidenten stehen, erwartet der Experte Steve Tsang, der das SOAS China Institute in London leitet. Li werde zwar "mehr Spielraum" bekommen – aber "nicht über den von Xi festgelegten Umfang hinaus" und nur auf der Grundlage von dessen eigenen Vorstellungen. (APA, 11.3.2023)