Karl Nehammer: Ideen zu nachhaltiger Frauenpolitik fehlten in seiner Rede – aber übers Gendern wollte er reden.

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach vergangenen Freitag über die Zukunft. Frauen haben in dieser offenbar keine große Rolle – kamen sie doch als Zielgruppe für politische Ziele praktisch nicht vor. Warum auch, die Lohnschere, der Gender-Pension-Gap, das Gewaltproblem, die unbezahlte Arbeit: Das wird sich schon weisen. Es wäre eigentlich gar nicht groß aufgefallen, dass in einer "staatsmännischen" Rede all das nicht mal ignoriert wird – das ist man gewohnt.

Welch Übertreibung

Besonders unangenehm wird es aber, wenn dann auch noch die uralte rhetorische Figur der Übertreibung bemüht wird, wie so oft bei Gleichstellungsthemen. Alles sei ja so wahnsinnig angestrengt, überspannt und unlocker. Nehammer geht das so an: "Die einen meinen, dass man die Uni nur abschließen kann, wenn man richtig gendern kann."

Nun, der Versuch einer präzisen Sprache ist hilfreich beim Projekt Uniabschluss, nichts anderes ist es, den Geschlechtern auch das grammatische Geschlecht zu verleihen, das wir im Deutschen zur Verfügung haben. Und zum seltsamen Wortgebilde "Gendern" sei gesagt: Auch wer nur im Maskulinum schreibt und spricht, "gendert" – und entscheidet sich damit für eine bestimmte Form der Benennung der Geschlechter, nämlich für die Männliche für alle. Kann man machen, es ist nur nicht "nicht gendern".

Jedenfalls: Warum kommt Karl Nehammer damit daher? Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man das als Anbiederung beim konservativen bis rechten Mainstream interpretiert. Mit dem nebulösen Feindbild "Gendern" stehen da die Chancen nicht schlecht. Weshalb Nehammer noch weiter sinniert: Wochenlang würde man übers Gendern in Broschüren reden, die wichtigen Themen gerieten dadurch in den Hintergrund.

Welche anderen Themen?

Besser könnte Nehammer seinen eigenen Move nicht beschreiben: Er redet lieber übers Gendern, statt über andere verdammt wichtige gleichstellungspolitische Themen zu sprechen. "Bitte, Herr Bundeskanzler, dann reden Sie halt über wichtigere Themen!", möchte man ihm zurufen. Aber nein, er redet lieber übers Gendern. Als ob das unser Problem wäre. Nein, ist es nicht. Außer für die, die nie – wirklich nie – über Antidiskriminierungsmaßnahmen und nachhaltige Gleichstellungspolitik reden. Für die ist es offenbar ein Problem. Sie sind es, die "das Gendern" hochhängen, um sich dann zu echauffieren, dass das Ganze unnötig hochgehängt wird. (Beate Hausbichler, 13.3.2023)