Burt Bacharach (li.) und Elvis Costello: Das Album "Painted from Memory" dieses Dream-Teams wurde gerade neu aufgelegt – mit einer Busladung an extra Material.

Foto: William Claxton / Universal Music

Sein Spiel besaß eine meditative Kraft. Zugleich verströmte es die Autorität der Sanftmut. Da mochte der Text noch so bitter sein, Burt Bacharach versorgte seine Lieder stets mit Zucker. Das konvenierte mit dem Image des agilen Southerners, der stets proper in Anzügen gekleidet war, die für einen unerwarteten Segeltörn ebenso taugten wie für einen frühen Drink im Country Club – oder einen Abstecher nach Vegas. Das Haar war ein unverwüstlicher Helm aus Föhnkunst und Naturwellen und dicht bis zum Ende, darunter ein Lächeln wie 50 Mille auf dem Konto. Wahrscheinlich waren es mehr.

Die Musik des Burt Bacharach wurde oft cheesy genannt, kitschig, weil sie gar harmlos wirkte, keine Zäune einreißen wollte, sondern sie lieber neu streichen. In den Sixties lief das unter Easy Listening, was dem Werk entsprach, aber nicht gerecht wurde.

Alles stets unter Kontrolle

Der im Februar mit 94 Jahren verstorbene Musiker war ein Gigant der Popmusik, nicht nur in den weißen US-amerikanischen Vororten, wo man den Tag mit Waschen, Legen und Föhnen der Haare oder Rasenmähen und Barbecue zubrachte. Dennoch war er dort ein Gott. Mit Titeln wie I’m the King of Broken Hearts, I’ll Never Fall in Love Again oder I Can't Give You Anything But Love brachte er die Damen in emotionale Aufruhr, ohne sie aus dem zu holen, was man heute eine Komfortzone nennt. Alles schien stets unter Kontrolle.

Burt Bacharach - Topic

Wie ein Vermächtnis nimmt sich da Painted from Memory (The New Songs of Bacharach & Costello) aus. Eine eben erschienene Neuauflage einer Kooperation von Bacharach und Elvis Costello aus dem Jahr 1998 – samt einer Busladung an extra Material.

Damals erlebte Bacharach eine Renaissance, die mit einer Reinwaschung seiner vermeintlich seichten Kunst einherging; ein Vorwurf, der an Easy Listening wie ein Schatten klebt. Doch als die Clubkultur in den 1990ern für ihre After-Hours Musik zum langsam Runterkommen suchte, war Easy Listening oder Lounge den 24-Hour-Party-People gerade recht. Auftritt Bacharach. Bald spielte er sich selbst in der Austin Powers-Film-Trilogie, deren schrillen Sixties-Fantasien er Authentizität und Stil verlieh. Schließlich war Bacharach neben Cole Porter, George Gershwin und den Beatles einer der erfolgreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, der in den 1960ern und 1970ern mit dem Texter Hal David weit über hundert Songs schrieb, die als Evergreens gelten: Raindrops Keep Fallin’ on My Head, This Guy’s in Love with You oder Wishin’ and Hopin’ – Lieder, die dutzende Künstler interpretierten.

Burt Bacharach - Topic

1996 spielten Bacharach und Costello für den Independent-Film Grace of My Heart den Song God Give Me Strength ein – was in der Folge zu Painted from Memory führte, das Bacharach an Costellos Hand erneut ins Scheinwerferlicht brachte.

Costello wusste um die Tiefe von Bacharachs Werks, um die Raffinesse seines so leicht wirkenden Spiels. Mit In the Darkest Place öffnen sie eine Tür zu einer Welt, mit der viele zuvor nicht in Berührung kommen wollten. Costello erweist sich in der Konfiguration als souveräner Guide, dessen Begeisterung für Bacharach sich in prächtigen Gesangsleistungen niederschlägt, während Burt an den Tasten zaubert. Ein geschmackssicher eingesetzter Damenchor würzt da und dort die Songs, sanfte Streicher umsorgen Geschichten von amouröser Unruhe. Diese Lieder erinnern an das alte Hollywood, sie sind so dramatisch wie elegant, versiert in großen Gesten, verliebt in die Details, große kleine Erzählungen.

Rage und Beherrschung

Die Jazzsängerin Cassandra Wilson schmachtet einen von den 16 neuen Songs auf der Wiederauflage, die die Produktivität der beiden Großmeister belegt. Costellos Band, die Imposters, die bei Bedarf jede Redneck-Bar rockt, erweist sich als elegante Begleitung. Die De-luxe-Version bietet zudem etliche Livemitschnitte voller Eleganz und Herzblut, voll Rage und Beherrschung.

Bacharach und Costello waren ein ungewöhnliches Dream-Team, Painted from Memory ein Meisterwerk und doch nur ein kleines Stückchen des Fußabdrucks, den Bacharachs Musik im Kino und der Popmusik hinterlassen hat. Aber was für eines. (Karl Fluch, 13.3.2023)