Fiebermessen bei einem jungen Mädchen. Es ist allerdings vor allem das psychische Wohlbefinden von Kinder und Jugendlichen, das in der Pandemie gelitten hat.

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In der gefühlten Wahrnehmung hatte es sich bereits abgezeichnet. Die größte europäische Kinder- und Jugendstudie hat nun aber in detaillierte Zahlen gegossen, was viele im eigenen Umfeld schon beobachtet haben: Die Pandemie hat sich negativ auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ausgewirkt. Besonders die psychosoziale Gesundheit der Schülerinnen und Schüler in Österreich litt in der Corona-Zeit – jene von Mädchen und jungen Frauen stärker als jene von Buben und jungen Männern. Übergewicht und Adipositas sind bei beiden Geschlechtern weiter verbreitet als noch bei der letzten Erhebung vor vier Jahren.

Das psychische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen wurde anhand von Parametern wie Gereiztheit, Nervosität und Angstgefühle, Niedergeschlagenheit, Einschlafprobleme und Zukunftssorgen gemessen. Seit der letzten Studie im Schuljahr 2018/19 ist die Lebenszufriedenheit sowohl bei Mädchen als auch bei Buben leicht gesunken und die gefühlte Beschwerdelast gestiegen: Bei Burschen von 36 auf 38 von maximal 100 Punkten, bei Mädchen von 41 auf 45 Punkte (siehe Grafik).

Im selben Zeitraum ist der Anteil übergewichtiger und adipöser Schülerinnen und Schüler gestiegen: Bei Burschen von 21 auf aktuell 26 Prozent, bei Mädchen von 13 auf 17 Prozent. Ein positives Körperselbstbild haben weniger Befragte als vor vier Jahren. Bei Burschen ist der Wert von 49 auf 46, bei Mädchen von 50 auf 45 Prozent gesunken.

Einsamkeit belastet Psyche

Die Ergebnisse entstammen der aktuellen HBSC-Studie ("Health Behaviour in School-aged Children"), die im Vierjahresrhythmus von einem interdisziplinären Forschungsnetzwerk in Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt wird. Die Befragung von rund 7.000 Schülerinnen und Schülern per Online-Fragebogen fand zwischen November 2021 und Juli 2022 statt. Sie betrifft also den Zeitraum, in dem die Delta-Variante des Coronavirus langsam von der Omikron-Welle abgelöst wurde. Die Pandemie war damals von einer vorsichtigen Lockerung der Maßnahmen geprägt, der Nachhall von Lockdowns und Schulschließungen aber noch präsent.

In Österreich erfolgt die Befragung im Auftrag des Gesundheitsministeriums. Dort sieht man die gesundheitliche Verschlechterung neben dem Faktor Pandemie auch im Zusammenhang mit "multiplen Krisen" wie Klimawandel, Krieg und Wirtschaftskrise: "Die Häufung von globalen Problemen, die Hoffnungen auf eine gute Zukunft dämpfen, macht Kindern und Jugendlichen zu schaffen", heißt es von Ressortchef Johannes Rauch (Grüne).

Bei der diesjährigen Studie sei insbesondere wegen der Corona-Pandemie mehr Fokus auf die psychische Gesundheit gelegt worden, sagt Rosemarie Felder-Puig von der Gesundheit Österreich, die die nationale HBSC-Studie leitete. "Die Einsamkeit hat in dieser Zeit zugenommen, was sich direkt auf die psychische Gesundheit auswirkte."

Zwar seien manche Kinder und Jugendliche relativ gut durch Pandemie und bisherige Krisen gekommen, aber: "Es haben mehr junge Menschen psychische Probleme als früher." Das Wohlbefinden habe insgesamt abgenommen, was allerdings noch nicht mit psychischen Erkrankungen gleichzusetzen sei, wie die Psychologin betont.

Junkfood und Handy

Beunruhigend an den Studienergebnissen sei vor allem die allgemeine Verschlechterung des Gesundheitszustands und des Wohlbefindens bei Mädchen ab 13 Jahren. "Ab da geht die Schere zwischen Burschen und Mädchen mehr auf", sagt Felder-Puig. Die Gründe für den großen Geschlechterunterschied sind nicht völlig klar, weil in der Studie die Frage nach dem Warum an sich nicht erhoben wird.

Beim zweiten zentralen Studienergebnis, dem gestiegenen Übergewicht, sind die Hintergründe laut der Expertin relativ offensichtlich: In den Hochphasen der Pandemie ist der Sportunterricht an Schulen über Monate ausgefallen, und Sportvereine waren geschlossen. Gleichzeitig habe das viele Zuhausesein die passive Zeit am Handy und am Computer erhöht und gerade bei Kindern und Jugendlichen zu mehr Junkfood-Konsum geführt. (Martin Tschiderer, 13.3.2023)