Fabrizio Gifuni spielt in der Serie "Und draußen die Nacht" den 1978 entführten und ermordeten italienischen Politiker Aldo Moro. Arte zeigt die sechs Folgen ab 15. März, in der Arte-Mediathek sind sie bereits abrufbar.

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Aldo Moro hat überlebt. Keiner darf es wissen – nicht einmal der Papst. Reine Vorsicht, flüstern die Hüter des Geheimnisses an der Tür zum Zimmer des Patienten. Dieser äußert sich schriftlich: "In dieser besonderen Lage möchte ich auf die Großzügigkeit und die Gnade der Brigate Rosse hinweisen, die mir mein Leben und meine Freiheit wiedergeschenkt haben. Dafür bin ich zutiefst dankbar."

So soll der italienische Politiker Aldo Moro geschrieben haben, so will es die sechsteilige Serie "Und draußen die Nacht". Die ersten beiden Folgen sind am 15. März auf Arte zu sehen. Es handelt sich um ein erfundenes Hilfskonstrukt, das dem Regisseur ermöglicht, stellvertretend Anklage zu erheben. Moro hat bekanntlich seine Entführung 1978 nicht überlebt.

Worum es in "Und draußen die Nacht" geht

1978, im Kino läuft "Anima Persa" mit Vittorio Gassmann und Catherine Deneuve, auf den Straßen tobt die Schlacht. Das politisch gespaltene Italien ist von einer links- und rechtsterroristischen Welle der Gewalt erfasst. Die radikalste Gruppe unter ihnen sind die Brigate Rosse, deren spektakulärste Aktion fand am 16. März 1978 statt und bestand in der Entführung des konservativen Vorsitzenden der Democrazia Cristiana, Aldo Moro.

Als Alitalia-Mitarbeiter verkleidet, überfallen die Terroristen den Konvoi des Politikers an der Kreuzung Via Mario Fani / Via Stresa im Nordwesten Roms. Vier Leibwächter und der Chauffeur sterben im Kugelhagel der Maschinengewehre. Den unverletzten Moro verschleppen die Terroristen in ein "Volksgefängnis" im Süden Roms. 54 Tage lang werden sie den 61-Jährigen festhalten und am Ende nichts erreicht haben.

Vom Entführten sind insgesamt 97 Briefe erhalten, die er an Politiker, Familie, Journalisten, Freunde, Verbündete und den Papst schreibt und in denen er um den Austausch mit politischen Gefangenen bittet. Auf nichts davon ging die Regierung ein, allen voran Ministerpräsident Giulio Andreotti, der eine harte Linie fährt.

Am 9. Mai 1978 schließlich wird Moro tot aufgefunden. Ermordet durch neun aus nächster Nähe abgegebene Schüsse. Die Schüsse abgegeben hat Mario Moretti. Für ihn ist Moro Teil des SIM ("Stato Imperialista delle Multinazionali") und als solcher Volksfeind Nummer eins. Moros Entführung passiert wenige Monate nach der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF in Deutschland.

Das politische Umfeld

Im Jahr 1978 versuchte der Vorsitzende der Democrazia Cristiana, Aldo Moro, in Italien eine Regierung der nationalen Einheit mit der kommunistischen Partei des Landes zu bilden. In Zeiten des Kalten Krieges ein nahezu unerhörtes politisches Ansinnen, das sowohl von den Konservativen, von Papst Paul VI. und im Westen mit großer Skepsis beobachtet wurde. Parteikollegen unterstützen Moro dabei zunächst, gerade von den politischen Rändern kommt jedoch erbitterter Widerstand. Auf den Straßen prallen diese Kräfte aufeinander, es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände.

Wer hat’s gemacht?

Regie führte Marco Bellocchio, der gemeinsam mit Davide Serino, Stefano Bises, Ludovica Rampoldi auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. In seinen filmischen Arbeiten setzte er sich immer wieder mit den Revolten der 1960er-Jahre auseinander, erstmals etwa 1965 in "Mit der Faust in der Tasche". 1969 inszenierte der 1939 geborene Bellocchio den Episodenfilm "Liebe und Zorn" mit Bernardo Bertolucci, Jean-Luc Godard, Carlo Lizzani und Pier Paolo Pasolini.

Besonders im Soundtrack knüpft Bellocchio an diese Zeit an, ebenso bei so manchen spielerischen inszenatorischen Einfällen: zum Beispiel in der Szene, in der Moro wie Jesus ein schweres Kreuz trägt und hinter ihm der heuchlerische Politikertross Rosenkränze betet. In der Hauptrolle ist Fabrizio Gifuni zu sehen, Fabrizio Contri spielt den Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, Toni Servillo Papst Paul VI.

Die Serie mischt Filmszenen mit Ausschnitten aus dem Archiv. Um historische Genauigkeit bemüht, wirkt "Und draußen die Nacht" trotz alledem etwas schwerfällig und zu sehr auf lückenlose Dokumentation bedacht. Eine Rede des Parteivorsitzenden müsste zum Beispiel nicht in – gefühlt – voller Länge gezeigt werden.

Und wie sieht man in Italien heute die Entführung und Ermordung?

Der Fall beschäftigt Italien bis heute. Warum musste Moro sterben? Wurde der Politiker Opfer eines rechten Kompromisses? Welche Rolle spielten die Nato-Kampftruppe Gladio sowie eine kriminelle Geheimloge, die eine Beteiligung der Kommunisten um jeden Preis verhindern wollten? Viele Fragen sind bis heute nicht geklärt. Letzte Antworten kann auch die Serie nicht geben. Arte stellt in der Mediathek zu den sechs Folgen ein Gespräch mit Regisseur Bellocchio online. (Doris Priesching, 14.3.2023)