Bewegungstalent Fabio Wibmer.

Foto: Hannes Berger

Er springt aus Helikoptern, balanciert auf Geländern von Staudämmen und jagt Skipisten hinunter. Seine Videos sind beliebter als die mancher Hollywoodstars beim Shopping. Vielleicht auch ein Grund, warum Fabio Wibmer seit zwei Jahren im Fürstentum Monaco residiert, aber "das Wetter ist nice, hier an der Riviera gibt es coole Locations, vor allem entlang der Häfen, wo ich auch im Winter an meinen Tricks arbeiten kann", sagt der 27-Jährige.

DER STANDARD traf Wibmer am Rande der Bikeshow Masters of Dirt in der Wiener Stadthalle. Wo Motocross-Maschinen über Schanzen fliegen, hatte auch Wibmer einen Auftritt mit seinem Trialbike, einer kleineren Variante eines Mountainbikes, das speziell für Tricks und Geschicklichkeitsparcours geeignet ist. Wibmer sucht die Nähe zu seinen Fans, für seine Drehs jettet er normalerweise um die Welt und schart nur sein Produktionsteam, eine Handvoll Leute, um sich. Seine Videos sind mitunter kitschig, Tourismuswerbung für opulente Großstädte und trendige Locations, seine Tricks sind aber ganz große Kunst, atemberaubend.

Fabio Wibmer

Mit seinem Bike macht Wibmer in seinem Video "Home Office" den Haushalt, räumt die Waschmaschine ein, spielt Basketball und Darts und das alles mit dem Vorder- und Hinterrad. Für einen Treffer in den Basketballkorb benötigte Wibmer mehr als 600 Versuche. Auf Youtube wurde der Clip bereits 37 Millionen Mal angeklickt.

Sein Ehrgeiz ist quasi grenzenlos. Das ist manchmal nicht nur für ihn selbst, sondern vor allem für sein Kamerateam anstrengend. "Wenn ich das Gefühl habe, der Trick kann funktionieren, bleibe ich dran. Und wenn es 2000 Versuche braucht. Dann wissen meine Leute schon, das kann länger dauern."

Die erste Million

Statt Preisgeldern erntet Wibmer Klicks. An den Zeitpunkt der ersten Milliarde kann er sich nicht erinnern. An die erste Million schon. Damals lag er im Krankenhaus, hatte sich nach einem Sprung aus einem Helikopter das Schlüsselbein gebrochen. Nach der Operation schaute er auf seinen Account: "Es gibt nichts Größeres als die erste Million Klicks."

Bis ein Dreh im Kasten ist, kann mit dem Youtube-Star viel Zeit vergehen.
Foto: Hannes Berger/Red Bull Content Pool

Wibmer wirkt locker im Gespräch, "alles ist easy gerade". Die Lust am Radfahren, die in den Osttiroler Bergen geprägt wurde, sei das, was ihn nach wie vor antreibe. Kritik musste Wibmer für das eine oder andere Projekt schon einstecken, wie etwa bei "Riding down the Dolomites". Das Video zeigt Wibmer bei einer Downhill-Abfahrt der Berglaufstrecke des Dolomitenmannes.

Die Mountainbike-Community stieß sich am Einsatz von Hubschraubern für die Produktion im Hochgebirge und an deutlichen Spuren, die im alpinen Gelände hinterlassen wurden. Das Video "Israel Is My Playground", das auch die Kultur und Natur Israels positiv in Szene setzt, sorgte aufgrund des politischen Konflikts zwischen Israel und Palästina für Irritationen. Wibmer nimmt Kritik an, wenn sie berechtigt ist. Ihm gehe es aber darum, Menschen fürs Biken zu begeistern, und nicht um Politik.

Aufgewachsen im 100-Einwohner-Dorf Oberpeischlach nahe Lienz, betont Wibmer seine Bodenständigkeit. Als Sechsjähriger bekamen er und sein Cousin Gabriel Motocross-Maschinen geschenkt. Der Widerstand von Waldbesitzern und der Jägerschaft verhinderte das Training der Buben im freien Gelände. "Wir haben daheim fast nur steiles Gelände. Beim Fußballspielen war nach spätestens 20 Minuten der Ball weg. Auf einen neuen Ball haben wir vier Wochen gewartet", sagt Wibmer.

Street-Trial ist auf die Kreativität des Ausübenden angewiesen. Selbst im Urlaub kann Fabio Wibmer nicht abschalten. Schließlich liegt der nächste Trick auf der Straße.
Foto: Hannes Berger/Red Bull Content Pool

Seine Leidenschaft für das Trialbiken wurde durch ein Video des zehn Jahre älteren schottischen Profi Danny MacAskill ("Inspired Bicycles") entfacht. Wibmer war 14 Jahre alt und begann seine eigenen Videos zu drehen, saß jeden Tag nach der Schule drei, vier Stunden am Radl. Bis er 21 war, produzierte Wibmer seine Videos selbst. Seit 2017 ist er bei Red Bull unter Vertrag, hat mittlerweile ein Dutzend Großsponsoren. Mit seinen Rad-Beiträgen im Internet soll Wibmer im Monat kolportierte 300.000 Euro verdienen.

Sick, also krank, nennen die Fans seinen Style. "Sick Series" heißt Wibmers Eigenmarke, unter der er Sport- und Freizeitbekleidung verkauft. Wettkämpfe fährt Wibmer im Trialsport nicht. Es ist eine Nische im Mountainbiken, das Ziel ist es Hindernisse zu überwinden, ohne dabei den Fuß abzusetzen. Der Niederösterreicher Thomas Pechhacker wurde 2018 Weltmeister in dieser Disziplin, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Für einen Weltcupsieg bekommen die Fahrer ein paar hundert Euro.

Fabio Wibmer

Was Wibmer macht, nennt sich Street-Trial, ist die Suche nach Hindernissen im Alltag. Dabei ist der Osttiroler sehr kreativ. Selbst im Urlaub kann Wibmer nicht ganz abschalten, kommen ihm regelmäßig neue Ideen. "Die Konkurrenz schläft nicht, aber ich habe keine Angst, weiß um meine Stärken."

Baggerfahrer

Dafür investiert er viel Zeit, einen typischen Tag verbringt Fabio Wibmer mit Projektarbeit am Vormittag und Biken am Nachmittag. Mit seiner Freundin, dem englischen Model Martha Liversedge, lebt er eine Fernbeziehung. Sein Sportmanagement-Studium hat er mit 21 abgebrochen. Dass aus dem Hobby ein Beruf werden könnte, war trotzdem lange kein Thema. "Das war kein Ziel, weil es diesen Beruf ja gar nicht gegeben hat." Einen großen Traum hegt er seit geraumer Zeit: den Bau eines eigenen Trainingsgeländes. "Da will ich mit dem Bagger herumfahren, Schanzen bauen, mich austoben. Das ist meine Leidenschaft." (Florian Vetter, 26.3.2023)